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Kiara
13:35 Uhr

"Kiara?", ruft mich Julio quer durch den Club.

"Hier.", brumme ich, während ich ein Glas abtrockne.
Da ich ja gestern nicht mehr arbeiten durfte, muss ich heute alles nachholen.

"Manuel ist in einer halben Stunde hier.", teilt er mir mit und setzt sich vor die Theke.
"Geht es dir gut?"

Ich stelle das Glas in den Schrank und lege das Trockentuch ab, bevor ich mich zu ihm umdrehe.
"Hast du eine Freundin?"

Er lächelt.
"Ich hatte eine. Ella. Sie lebt in Mexiko. Wir haben uns vor 2 Monaten getrennt."

"Das tut mir Leid.", flüstere ich.

"Rede mit ihm über deine Gefühle.", beginnt er plötzlich. 

Direkt weiß ich, von wem er spricht. 

"Und rede vor allem über deine Ängste. Ella und ich haben es nicht getan und sieh mich an. Ich dachte, dass wir heiraten würden. Aber wir haben nicht kommuniziert und sie ist am Ende an meiner Arbeit kaputt gegangen. Am Ende hat es sie zerfressen. Manuel hat es nicht einfach. Rede mit ihm, aber bestrafe ihn nicht für das, was er tut. Es macht ihm bestimmt keinen Spaß, dich aus dem öffentlichen Leben rauszuhalten. Aber er tut es, damit du überhaupt weiter leben kannst."

Seine Worte berühren mich.

Gleichzeitig habe ich ihn noch nie so ernst erlebt.

Ich drehe mich schnell weg, weil seine Worte mir Tränen in die Augen treiben.
"Danke.", murmel ich und schlucke den Klos in meinem Hals herunter.

"Du lernst seine Familie kennen und seine Freunde. Das würde er nicht tun, wenn es ihm nicht ernst wäre.", fügt Julio hinzu und hüpft von seinem Hocker.

"Bist du auch da?", frage ich ihn und schaue über meine Schulter.

Er nickt.
"Ja. Ich werde auch da sein. Und ich werde versuchen mich mit Ella auszusprechen. Ich werde es versuchen. Ich will es nicht bereuen."

"Ich drücke dir die Daumen.", lächle ich leicht und wende meinen Blick ab, weil Julio so hilflos aussieht.
Als sich seine Schritte entfernen, wische ich mir schnell eine Träne aus dem Augenwinkel.

Genauso hilflos wie Julio gerade ausgesehen hat, so fühle ich mich.
Elendig.

Eingesperrt.

Als ich das letzte Glas abtrockne und in den Schrank stellen will, nimmt es mir jemand aus der Hand und hilft mir, es auf das oberste Regal zu stellen.
Manuels unverkennbares Parfum steigt mir in die Nase und ich brauche mich gar nicht mal zu ihm umzudrehen.

Stumm schaue ich auf das Küchentuch in meiner Hand.

"Schau mich an.", fordert er mich ruhig auf.
Seine raue Stimme lässt mich darüber nachdenken, wie viel er wohl in den letzten 48 Stunden geraucht haben muss.

"Kiara.", bittet er mich erneut.

"Wie war es in Kolumbien?", frage ich leise und enttäuscht.

Er führt seinen Zeigefinger und seinen Daumen an seine Nasenwurzel und schließt kurz die Augen, bevor er mich wieder ansieht.
"Lass uns das in meinem Büro klären."

Ich schnaube belustigt.
"In deinem Büro? Ich bin keine Geschäftspartnerin, Manuel. Ich bin deine-"

Abwartend sieht er mich an.
"meine?"

"Nichts."

"Sag's ruhig.", lässt er nicht locker.

Ich bleibe stumm. Ich werde es nicht sagen. Nicht so.

"Warum zögerst du? Weil dieses Wort nicht einfach nur ein Wort ist, sondern du eine Verbindung zu mir eingehen musst? Oder vielleicht, weil diese Verbindung mit so vielen Pflichten und Einschränkungen einher geht?", denkt er laut nach und stellt sich vor mich.

"Weil du dann über mich bestimmst.", verteidige ich mich.

Er greift nach meinem Handgelenk und zieht mich hinter sich her, bis wir in meinem Zimmer stehen.
"Kiara, hör auf zu denken, dass ich das alles tue, um dich zu bevormunden. Das ist nicht mein Ziel."

"Du willst mich kontrollieren. Deshalb hast du angerufen. Du wolltest gar nicht wissen, wie es mir geht. Ich habe dich vermisst. Und du rufst an, um mich anzumeckern.", kann ich meine Enttäuschung und meine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Seine Gesichtszüge werden weicher, während er mich ansieht.
"Entschuldige, Kiara. Perdoname.", murmelt er und zieht mich an seine Brust. Seine rechte Hand liegt auf meinem Hinterkopf, während sein Daumen kleine Kreise auf meinen Haaren zeichnet.

"Ich war gestresst. Ich kam direkt aus einem Termin und ich wollte nur sicher gehen, dass du in Sicherheit bist. Für mich heißt es, dass es jemandem gut geht, solange er in Sicherheit ist. Ich wollte dich nicht verletzen.", erklärt er und küsst meinen Haaransatz.

"Was war das für ein Treffen, dass ich so urplötzlich nicht mehr arbeiten darf?", frage ich nuschelnd und lege meine Arme um seine Hüften.

"Man weiß über dich Bescheid. In Kolumbien und vermutlich auch hier in Brasilien und in Mexiko. Man hatte mir damit gedroht, deshalb wollte ich dich so schnell wie möglich aus der Schusslinie bringen.", erklärt er mir.

Mein Herz stockt.

"Ich habe dich nicht gut genug geschützt. Es tut mir Leid.", flüstert er erschöpft.

"Wollen die mich töten?", frage ich panisch und drücke mich von ihm weg.

"Nein. Nein. Das schaffen sie gar nicht. Aber ich muss mir was anderes überlegen. Und solange musst du bitte auf mich hören. Ich versuche es dir so erträglich zu machen wie nur irgendwie möglich.", versucht er mich zu beruhigen und greift nach meinen Oberarmen, um mich festzuhalten.

"Woher wissen sie von mir?", frage ich erniedrigt.

"Es war nur eine Frage der Zeit, Kiara. Es hat mich ohnehin schon gewundert, dass es so lange gedauert hat."

Ich atme zitternd aus.
"Und was machen wir jetzt?"

"Ich kümmere mich. Du musst nichts machen, außer auf mich zu hören. Comprende?", bestimmt er.
"Und hör auf zu weinen, por favor.", bittet er mir ruhig.

Das Klingeln seines Handys unterbricht uns, sodass ich Abstand von ihm nehme, damit er das Telefonat entgegen nehmen kann.
"Sorry.", nuschelt er und schaut auf den leuchtenden Bildschirm.

"Ich muss da dran gehen. Pack deine Sachen, ich warte am Auto.", teilt er mir abwesend mit und verlässt mein Zimmer, bevor er ans Telefon geht.

"Hola.", höre ich ihn sagen, bevor die Tür ins Schloss fällt.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now