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Kiara

"Ich will dich nur rasieren."
Meine Stimme ist leiser, aber dafür nicht weniger deutlich.

"Weißt du.", beginnt er mit rauer Stimme und lehnt sich leicht zu mir vor.

Der Duft seines Rasierschaums steigt mir in die Nase.

Zedernholz.

"Der Ausdruck 'jemanden rasieren' hat in meinen Kreisen zwei Bedeutungen.", fährt er fort und legt seine linke Hand ganz selbstverständlich auf meine Hüfte, die von dem dicken, weißen Handtuch bedeckt wird.

"Ist das so? Da kannst du ja froh sein, dass ich nicht aus deinen Kreisen komme.", erwidere ich selbstsicher und schiebe seine Hand von meiner Hüfte.

Manuel denkt, dass er in einem falschen Film ist - das erkenne ich.
Sein Gesichtsausdruck ist eine Mischung aus Überraschung, Erregung und Nervosität.

Er ist nicht oft nervös, vermutlich kann ich diesen Gesichtsausdruck deshalb so gut von den anderen Unterscheiden.
Während er mir nur verdattert ins Gesicht schaut, nutze ich die Gelegenheit und schiebe ihn auf den kleinen Hocker neben der Badewanne.

Zu meiner Überraschung lässt er sich ohne Widerspruch von mir herunter drücken. Doch er wäre nicht Manuel, wenn er nicht gleichzeitig meine Hüften mit festen Griff umschließen würde und mich auf seinen Schoß ziehen würde.

"Keine Spielchen.", warnt er mich eindringlich und nickt auf das Messer in meiner rechten Hand.

"Ich spiele nicht mit dem Leben von anderen."
Mein Satz spielt ganz offensichtlich auf seinen Beruf an.

Und das weiß er - Das merkt er.

Deshalb zucken seine Mundwinkel leicht.
Leicht, fast unauffällig.

Jedoch gibt er mir nicht die Genugtuung, mir zu zeigen, dass er meinen Spruch gut findet- Witzig findet.

Manuel würde niemals zugeben, dass er meinen Humor mag.

Nicht, bevor ich nicht dasselbe zugebe.

Er würde nicht zugeben, dass er jetzt gerade nervös ist, weil ich sein Leben mit einem einzigen Schnitt beenden könnte.

Und trotzdem rechne ich ihm hoch an, dass er mir die Verantwortung über sein Leben gibt. Vermutlich ist sein Ego einfach nur zu groß, aber diesen Fakt vergesse ich schnell.

Ich bilde mir einfach ein, dass er mir vertraut und dass er mir sein Leben einfach so in die Hände legt.

"Hast du das schonmal gemacht?", murmelt er, als ich das Messer an seine Wange ansetze und er zügig sein Gesicht zur Seite zieht.

"Ja. Ich kann das. Du darfst dich aber nicht bewegen.", ermahne ich ihn und lege meine linke Hand um seinen Kiefer, um seinen Kopf festzuhalten.

"Das Messer ist scharf.", erinnert er mich.

"Ach.", erwidere ich belustigt über seine Angst.
"Kann ich jetzt, Medricas?", bezeichne ich ihn als Angsthasen.

"Vorsicht.", flüstert er mir drohend gegen die Lippen und sieht mir warnend in die Augen.
"Pass lieber auf, Pequenina."

Ich übergehe seine Warnung und setze die scharfe, glänzende Klinge zum zweiten Mal an seine Wange.
"Bist' ja ganz schön nervös für deine Verhältnisse."

"Kiara.", brummt er fast schon zischend, weil er es wie erwartet nicht haben kann, wenn ich mich über ihn lustig mache.
Vermutlich verletzt es ihn in seiner Männlichkeit - und von der hat er mindestens genauso viel wie von seinem Ego.

Vorsichtig fahre ich mit der Klinge über seine Wange und beginne ihn zu rasieren. Manuel hält zu Beginn die Luft an, bis er Vertrauen schöpft und mir endgültig das Zepter in die Hand gibt.

Sein fester Griff um meine Hüften entgeht mir nicht, dennoch schmeichelt es mir, dass er die Kontrolle abgibt.

Kurz bevor ich beginne die Klinge über seinen Kiefer bis hin zu seinem Hals zu führe, stoppt er mich.
"Ich muss mich nicht wiederholen, oder?"

"Habe ich dich geschnitten?"

"Ob ich mich wiederholen muss.", wiederholt er seine Worte, die ich nicht beantwortet habe und auch nicht beantworten werde.

Da kann er sich noch so oft wiederholen.

"Ob ich dich geschnitten habe.", frage ich ihn ebenfalls erneut.

Es bleibt einen Augenblick still zwischen uns, in dem lediglich sein feuriger Blick auf mir liegt.
"Du kannst froh sein, dass du das Messer in deiner kleinen Hand hältst. Sonst hätte ich deiner Frechheit schon längst ein Ende gesetzt.", gibt er sich geschlagen, jedoch nicht ohne mir noch einmal zu drohen, bevor er mir signalisiert weiter fortzufahren.

Seine Worte ignorierend setze ich das Messer an seinen Kiefer an und lege seinen Kopf in den Nacken, damit das Messer leichter über seine Haut gleiten kann.
Während ich seinen Kiefer und Hals rasiere, ist es totenstill in dem Badezimmer.

"Fertig. Und oh Wunder, du lebst ja noch.", grinse ich breit und stehe von seinem Schoß auf, um das Messer abzuwaschen.
Im Spiegel sehe ich, wie er sich skeptisch über das rasierte Gesicht fährt und sich dann im Spiegel betrachtet.

"Kein einziger Schnitt.", stellt er fest.

Er lässt sich es nicht anmerken, aber er ist überrascht - das weiß ich.

"Es beleidigt mich, dass du etwas anderes erwartet hast.", erwidere ich empört und trockne nebenbei das Messer ab.

"Verzeih mir, Princesa. Aber ich habe wirklich nicht erwartet, dass ein 18-Jähriges Mädchen ein Rasiermesser korrekt benutzen kann."
Manuel nimmt mir das saubere Messer aus der Hand, steckt es in die kleine Schatulle und legt beides zurück in seine Kulturtasche.

Dann dreht er sich zu mir und zieht mich an der Hüfte zu ihm heran.
"Und ich habe ebenfalls nicht erwartet, dass du so ein freches und loses Mundwerk hast."

Manuel beugt sich zu mir herunter und küsst sanft meine Lippen.
"Danke."

"Darf ich das jetzt öfter machen?"

"Schauen wir mal.", gibt er mir keine eindeutige Antwort und löst sich von mir.
Während er an mir vorbei geht, klopft er mir zweimal federleicht auf den Hintern.

"Ich zieh mich an. Denk ans Essen.", ruft er mir zu, bevor er aus dem Bad verschwunden ist.

Schwarz wie die NachtTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon