Er röchel.

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Ich öffne meine Augen. Die Schritte werden langsamer und verschwinden. Nichts ungewöhnliches sehe ich. Das muss ich mir eingebildet haben oder es war ein Passant, aber sollte ich den nicht sehen? Er wird wohl kaum wie Flash einfach vorbei gerauscht sein. Ach, ich halluziniere. Es wird komisch und ich laufe einfach weiter. Ich vermeide Büsche aus denen jemand rausspringen könnte. Aus Lis Erfahrungen habe ich gelernt. Eine psychische Störung brauche ich nicht und bei Glück einen Idiotischen Retter. Ich glaube einen Schatten zu sehen. Sicher bin ich nicht. Trotzdem nehme ich heute einen anderen Weg nach Hause. Man, es ist so dunkel, dass ich nichts sehe. Bei der Beleuchtung spart diese behinderte Stadt einfach. Vielleicht sollte ich jemanden mitnehmen. Durch den Schnee zu kommen ist gar nicht so einfach. 

Ich vernehme wieder Schritte. Diesmal sind sie schneller. Nein, das bilde ich mir nicht ein. Mist, diesen Weg nehme ich aus reiner Absicht nie. Hier laufen nur diese betrunkenen Ärsche rum. Kein Wunder, das hier ist eine Mülldeponie. Außer Wald, Müll und Glas ist hier nichts. Den Schatten habe ich mir nicht eingebildet. Ich nehme eine Atmung wahr. Sie ist schnell. Kein Sportler also. Vielleicht auch nur wegen der Kälte. Er röchel. Ein Mann. Er fängt an zu trampeln. Ich laufe schneller. Weit ist es nicht mehr bis zur Wohnung. Ich hoffe einfach, dieser Typ ist auch joggen und nicht hinter mir her. Was wenn ich bei der Wohnung angekommen bin und vor der Tür stehen bleibe? Kommt er mit hoch? Was ist mit Kate? Soll ich sie anrufen? Scheiße, ich habe Angst. Mist, ich habe Angst. Das ist mir noch nie passiert. Was soll ich machen? Jetzt bemerke ich noch größere Fußspuren im Schnee. Sie sind noch frisch, aber ich sehe niemanden vor mir. Der Weg führt geradeaus und das noch eine Weile. Hinten sehe ich, wie sie in den Wald führen. 

Jess, beruhige dich. Es wird alles gut. Da wollte nur jemand auf die Toilette. Hinter dir ist auch ein Läufer, der den Kopf frei bekommen will. Du brauchst dir keine Sorgen machen. 

Der Weg kommt mir unendlich lang vor und ich graue davor am Ende der Fußspuren zu gelangen. Was wenn jemand rausspringt? 

Mein Herzschlag geht schneller. 

Mein Atem lauter. 

Ich schwitze, wobei das in der Kälte nicht möglich sein sollte. Oder doch? 

Ich fühle mich taub und habe Mühe noch die Schritte, den Atem des Mannes hinter mir zu hören. 

Mir schlägt mein Herz bis zum Hals. 

Plötzlich bleibt der Mann einfach stehen. Von einer Sekunde auf die andere, höre ich keine Schritte mehr. Mich erfasst eine Angstwelle, denn ich bin nur noch ein paar Schritte vor dem Ende der Schritte, die genau in den Wald führen. 

Ich werde schneller, habe einen kurzen Herzstillstand, als ich vorbeirenne. 

So schnell wie ich nur kann. 

Ein Rascheln höre ich und bin bereit zu schreien. 

Doch da kommt niemand. 

Meine Sicht verschwimmt.

Ich habe so sehr Angst, dass ich nichts mehr sehe. 

Ich bin gleich da. 

Gleich bin ich zu Hause. 

Oh Gott.

Da ist der Atem wieder. 

Ist das meiner? 

Nein. 

Nein, es gehört dem Mann von vorhin. 

Wie kann er denn wieder so nah sein? 

Ist er geflogen?

Ich werde schneller. 

Schneller.

So schnell, dass ich nicht merke wie ich den Schlüssel ins Schloss ramme und die Tür zuknalle, als ich endlich in der Wohnung bin. Ich stehe vor der Tür, mein Rücken an sie gepresst, meine Arme halten sie zu und ich rutsche runter. Ich atme rasch ein und aus, so laut wie noch nie. Meine Angst verschwindet nicht. Ich habe das Gefühl, der Mann steht genau vor meiner Haustür und sieht meinen Schatten unter dem Türschlitz. Kaum packt mich diese Erkenntnis, entferne ich mich blitzartig von der Tür. Kate macht das Licht an, ich erschrecke mich, zucke zusammen und schaue sie mit scheuem Blick an. Kate macht große Augen. 

,,Jess, was ich los?" Ich starre sie an wie so eine verrückte und sie nur zu sehen, wirft die Last der Angst von meinen Schultern. Wie ein Stein, der aus meinem Herzen fällt, fallen auch der ganze Schwall an Wassertonnen aus meinen Augen. 

Ich stehe auf und wir fallen uns in die Arme. Sie hält mich einfach fest ohne zu verstehen, wieso ich so aufgelöst bin. Noch nie war ich so froh sie zu sehen.

I'm Yours.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt