Ihre Augen starren in mein Innerstes.

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,,Wieso sind sie hier?" Ich sitze vor der Frau, der ich letzte Woche missmutig grob meine Situation schildern musste. Ihre Augen starren in mein Innerstes. Mein Magen macht Saltos, die Übelkeit und Unbehaglichkeit reißen sich los und machen sich in mir breit. Vor einer Stunde war ich mir hundert prozentig sicher, dass ich mich in mein Bett kuschel und nie wieder aufstehe. Die Frustration war wieder aufgetreten, die ich allerdings aus mir heraus prügeln musste. Für mich. Für alle anderen. Für uns. 

Ihre Frage überrumpelt mich, weswegen ich zu stottern anfange. ,,I-Ich weiß nicht..." Ich setze mich aufrecht hin. Der Sessel ist so bequem, dass ich mich fast schon hingelegt habe. Jetzt überwiegt allerdings mein Unbehagen. ,,Ich dachte, ich bräuchte ein wenig Unterstützung." Sie nickt leicht und schreibt in ihrem Block. Sie ist Blond und trägt einen Hosenanzug. Der Raum ist hell, groß und offen. Der Wohlfühlfaktor ist sehr hoch. Ihre Fragen sind es nicht. 

,,Wobei soll ich Sie unterstützen?" Ich soll also konkret werden. Das hätte ich mir auch selber denken müssen. Habe ich wirklich gedacht, das würde einfach werden? Jetzt will ich am liebsten aus der Tür rennen und nie wieder kommen. Das Gefühl, sie würde mich angucken und alles wissen, ist viel zu stark. 

,,Mit meinem Leben?" Es klingt sehr nach einer Frage und insgeheim frage ich mich selber, was ich hier mache? Diese Frau verunsichert mich sehr und damit kann ich nicht umgehen. Sie sieht mich jetzt einfach nur an. Anscheinend ist es nicht das was sie hören will. Ich räuspere mich und versuche sicher zu klingen. ,,In der letzten Zeit ist einiges in meinem Leben passiert, mit dem ich nicht umgehen kann. Lange habe ich meine Mitmenschen dadurch verletzt. Das weiß ich und deswegen bin ich hier. Ich will einen Weg finden, damit umgehen zu können." Sie nickt wieder und schreibt sich etwas auf. Unauffällig linse ich rüber, aber ihre Schrift ist so verschnörkelt, dass ich selbst mit einer Brille nichts hätte entziffern können. Ihre Augen sind wieder auf mich gerichtet und ich bleibe starr. 

,,Diesen Weg kann ich Ihnen nicht abnehmen, Miss Pink." Ich nicke. 

,,Ich weiß." 

,,Wir können gemeinsam versuchen ihr Leben wieder in die richtige Bahn zu lenken, da Sie wahrscheinlich einfach nur falsch abgebogen sind." Ich nicke wieder eifrig. Ja, deswegen bin ich hier! ,,Haben Sie Geschwister?" Mein Höhenflug begeht Selbstmord. Was? Hat das irgendeine Bedeutung zu dem was ich gerade gesagt habe? Meine Verwirrung ist mir deutlich anzusehen, aber sie sagt nichts dazu. 

,,Äh, eine Schwester", beantworte ich ihre Frage einfach. Sie wird doch wissen was sie tut nehme ich an. Sie wartet noch immer. Was soll ich denn noch sagen? Ich atme weit aus und schaue den Raum an. ,,Sie ist jünger als ich, etwa zwei Jahre. Ihr Name ist Gina." Noch was? 

,,Wie stehen Sie zu ihrer Schwester?", ist ihre nächste komische Frage. 

,,Sie ist meine jüngere Schwester. Ich würde alles für sie tun, das ist doch selbstverständlich." Was soll ich denn über Gina erzählen? Was tut das zur Sache? 

,,Sie auch für Sie?" Ich nicke. 

,,Natürlich." Da muss ich nicht drüber nachdenken. 

,,Was ist mit Ihren Eltern? Erzählen Sie was über sie." Ich zucke mit den Schultern. 

,,Meine Mama heißt Mareike. Sie ist lieb, herzlich, offen, zu allen freundlich, bescheiden und hat uns zu starken selbstbewussten Frauen erzogen, so lang es ging. Mein Papa steht im Hintergrund. Maximilian. Die beiden leben für die Familie und das haben sie uns auch immer zu spüren gegeben. Nie gab es wirklichen Streit, den wir mitbekommen hätten. Ich habe eine super Familie, wenn sie darauf hinaus wollen." Jetzt lächelt sie. 

,,Ich will Sie nur etwas kennen lernen, Miss Pink. Sie auf Probleme oder Fehler hinzuweisen ist nicht meine Absicht und das wird es auch nicht sein. Das ist nicht meine Aufgabe. Bei mir finden Sie, was an ihrem Leben gerade nicht zu Ihrem Ich passt. Irgendetwas hat Sie aus der Bahn geworfen und das versuchen wir herauszufinden und zu beheben." Ich nicke wieder. Wenn ich bei dieser Frau weiterhin bejahen muss, dann ist der Fehler wohl in meinen Nackenmuskeln. 

I'm Yours.Where stories live. Discover now