Ich nehme es natürlich gerne an.

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,,Kannst du mir ein paar Folien geben?", fragt mich Maria, als ich wieder träume. Ich spute mich und reiße gleiche Teile von der Folie ab, die Maria für die Haare der Kundin braucht. Sie färben ihre blonde Mähne in die schöne Farbe die sich Pink nennt. Das Mädchen macht sich ihre schönen Haare kaputt, aber mir soll es doch egal sein. 

,,Mach schon Feierabend, du Träumerin", lacht Mila. Ich nehme es natürlich gerne an. Dann komme ich genau richtig zum Treffen mit Rick. Er hält seine Arme weit auf, damit ich reinspringen kann. Er taumelt zurück und ich lache. 

,,Du hast wohl vergessen wie schwer ich bin", schmunzle ich. Rick lacht. 

,,Ach was. Du hast mich nur überrascht." Wir gehen den Park entlang, von dem ich keine guten Eindrücke und Erinnerungen mehr habe. Das muss ich Rick aber nicht um die Nase binden. Am Tag macht es keinen bedrohlichen Eindruck. Mich haben die letzten Tage und Wochen einfach zu sehr mitgenommen. Ich sage lange nichts und Rick wertet es als negatives Zeichen. ,,Was ist los?" Ich schüttle meinen Kopf. 

,,Ach es ist nichts. Ich habe nur über dich nachgedacht." Ich grinse ihn an und er legt seinen Arm um meine Schultern. 

,,Netter Versuch, Kleines. Ist etwas mit Gina?" 

,,Nun, wenn du damit meinst, dass sie nicht gehen und sich wie ein normaler Mensch bewegen kann? Ja, es ist etwas mit ihr." Ich lache ein wenig. ,,Aber es sieht gut aus. Sie lächelt jetzt viel mehr." Er zieht mich zu sich heran und rauft mir die Haare. 

,,Das hört sich doch gut an", meint er überschwänglich und zieht mich weiter mit sich. Wir gehen in einen Drogeriemarkt rein. Einfach mal um zu gucken. Dort stoßen wir auf die Schminkabteilung. Ich muss lachen, als sich Rick einen roten Lippenstift auf seine Lippen aufträgt. Natürlich nur mit einem Tester Stift. Wir sind doch gehobene Leute. 

,,Du bist doch bescheuert", lache ich. Damit komme ich aber nicht durch. Das hätte ich mir auch denken können. Ich bekomme den gleichen auf meine Lippen geschmiert. An mir sieht es nicht einmal so schlimm aus, wie bei ihm. 

,,Da fehlt doch noch etwas. Was sagen Sie, Miss Pink?" Ich schaue an die Decke und tue so, als ob ich wirklich nachdenken würde. 

,,Wie wäre es mit ein wenig Tusche?" Rick nickt überschwänglich und nimmt sich einen Tester. Es ist so lustig, weil er sich erst gefühlte tausend Mal ins Auge sticht, bevor er seine Wimpern trifft. Ich biete ihm meine Hilfe an, aber er will nichts davon wissen. 

,,Lassen Sie mich meine Arbeit machen, Kollegin", bleibt er stur. Ich halte geschlagen meine Hände hoch. 

,,Es tut mir sehr leid." Rick nickt ernst und ich muss mir mein Lachen verkneifen. So gehen wir aus dem Laden, aber nicht ohne vorher Nagellack zu kaufen. Ich habe mich noch nie so an der Kasse angestellt. Es war mir unangenehmer als Rick. Er hat es so ernst genommen, als wäre es einfach eine Rolle, die er spielen muss. So ist er immer. Ihm ist eigentlich scheiß egal was die Leute denken, solange sie ihm nicht wichtig sind. 

,,So, jetzt färben wir mal deine Nägel, Jess", ruft er laut, geht voraus und setzt sich mit dem Nagellack auf eine Parkbank. Niemand geht vorbei ohne einen Blick auf uns zu erhaschen. Ich kann einfach nicht mehr als nur lachen. Es ist doch total bescheuert. Rick nimmt einen Finger nach dem anderen und pinselt meine Nägel voll. Er macht es so ordentlich und gewissenhaft. Ich sollte ihm Elena vorstellen. Ihr neuer Praktikant. 

Kaum ist er fertig, will er den Nagellack verschwinden lassen. Ich schaue ihn verärgert an. ,,Na Hallo? Du bist auch gleich dran", informiere ich ihn. Er lacht. 

,,Findest du nicht, dass ich schon genug Frau bin?" Ich muss mit ihm lachen, wie den ganzen Nachmittag schon. 

,,Oh nein. Wenn du das schon angezettelt hast, dann aber richtig. Wir wollen doch nicht, dass hier jeder denkt, du würdest dich nicht um deine Hände kümmern." Das kann Rick doch nicht abschlagen. So kommt er mir auch nicht davon. 

,,Ja, genau das denken alle. Nicht wieso ich im Gesicht geschminkt bin." Ich schüttle lachend meinen Kopf. 

,,Natürlich nicht. Das ist normal für einen Mann deines Alters." 

,,Aha!" Jetzt lache ich laut auf und werde von Rick in die Mangel genommen. ,,Also bin ich alt! Na warte, du wirst schneller schlapp machen als ich." 

,,Nein!" Er kitzelt mich durch und ich kann nicht mehr aufhören zu lachen und zu zappeln. Jetzt weiß ich wieder, wieso ich so gerne Zeit mit Rick verbringe. Er bringt mich immer zum Lachen. Egal wie aussichtslos mir die Situation erscheint. 

,,Jess?" Rick lässt mich los und ich richte mich ein wenig lachend auf. Wer? Ich sehe Rick an, der einen Mann ansieht. ,,Jess!" Er winkt mir zu. Ach, Joshua. Oh...

,,Hey!", begrüßt er mich und zieht mich in seine Arme. Dazu muss ich erst aufstehen. Rick macht es mir nach. Joshua lässt mich los und gibt Rick die Hand. 

,,Joshua", begrüßt er ihn. Rick nickt. 

,,Rick." Irgendwie ist mir das unangenehm. Immerhin ist Joshua nicht mein Freund, dem ich Rick jetzt vorstellen müsste. Außerdem habe ich Joshua mit keiner Silbe erwähnt und das wird sicherlich noch ausdiskutiert werden, aber ich hatte es nicht für wichtig empfunden. Ich denke ja nicht an ihn, sodass ich es bewusst verschwiegen hätte.

,,Ähm ja, Joshua das ist mein bester Freund Rick. Rick das ist... Ja, also wir gehen auf eine Schule", stelle ich die beiden einander vor und bin direkt überfordert. Was soll ich zu Joshua sagen? Ein Freund? Das ist er nicht. 

,,Und wir haben uns getroffen, als sie sich ihre Haare machen lassen hat." Ach ja, das hatte ich verdrängt. Ich nicke. ,,Ja." 

,,Mir scheint es, jetzt treffen wir uns, wo du offensichtlich deinen Look verändert willst?", stellt Joshua fest und ich verstehe nicht, schaue ihn verwirrt an. Rick lacht. ,,Äh, versteh mich nicht falsch. Du siehst wie immer hammermäßig aus, aber die Farbe würde ich überdenken." Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Mein Gesicht.

,,Achja!" Ich fasse meine Lippen an und wische ein wenig auf meine Hand. Zu dumm. ,,Das hatte ich ganz verdrängt. Das hatten wir aus reinem Spaß gerade aufs Gesicht geschmiert. Also nein, ich habe mein Look nicht verändert." Er atmet erleichtert aus. 

,,Na was ein Glück!" Ich sehe ihn verarscht an und Rick lacht sich tot. Na danke! Joshua sieht Rick an und lacht mit. Wow, jetzt verschwören sich alle gegen mich. 

,,Du bist noch schlimmer geschminkt als ich, also hör auf zu lachen!", schimpfe ich. Rick redet lachend weiter. 

,,Aber ich bin einfach nur eine Witzfigur. Bei dir denkt man doch, du meinst das vollkommen ernst." Ich sehe beide böse an. 

,,Blödmänner." In dem Moment, wo beide lachen und ich sauer und trotzdem lachend meine Hände in meine Hüften stemme, kommt ein Mann vorbeigelaufen. Ich würde ihn zwischen tausenden erkennen. Er joggt schneller, als die Jogger neben ihm und schaut einmal hoch. Dave scheint in dem Moment hochgeschaut zu haben, als ich gelacht habe und da treffen sich unsere Blicke. Mein Lachen verschwindet und Dave ist genauso schnell weg, wie er gekommen war. Ich sehe ihn noch, da schenkt er mir keine Aufmerksamkeit mehr. Meine Worte scheinen ihn verschreckt zu haben. So sehr, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will. Mir soll es recht sein. 

Dann habe ich meine Ruhe. 

Dann hat er seine Ruhe. 

Dann haben wir alle unsere Ruhe.

Punkt.

I'm Yours.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt