Ich habe ihn weggeschickt.

9.1K 401 15
                                    

Dave dreht sich zur Straße, ein schwarzer Wagen...

Es will abbremsen...

Dave sieht ihn, kann nicht mehr zur Seite...

Er fliegt über die Motorhaube und als das Auto bremst, landet Dave hart auf den Boden.

Ich habe alles gesehen, weiß nicht Wie Was passiert. Auf jeden Fall zögere ich keine Sekunde, stürme zur Straße hinaus - auf Dave zu. Die Fahrerin steigt geschockt aus, als ich schon bei Dave bin.

,,Dave! Mach deine Augen auf!", rufe ich total sinnlos und versuche Dave zu mir zu drehen. Er ist schwer und ich muss mich anstrengen, aber ich kann ihn nicht einfach so liegen lassen. Ich hebe seinen Kopf an und halte ihn mit meiner Hand am Nacken. ,,Rufen Sie einen Krankenwagen!", schreie ich die Frau an, die einfach nur guckt und sich entschuldigt. Sie nickt aufgeregt und zückt ihr Handy. Gott, wie kann man nur so wenig begreifen? ,,Dave, bleib bei mir." Mir kullert eine Träne die Wange hinunter. Ich fühle seinen Puls. Er ist reglos und Blut rinnt seine Schläfe hinunter. Er atmet noch, aber er ist total blass und hat Schürfwunden am Gesicht. Ich streiche seine Haare nach hinten und küsse seine Stirn. Mach deine Augen auf. Hätte ich etwas dümmeres sagen können? Wohl eher nicht. ,,Du musst dich auch immer in den Mittelpunkt stellen", werde ich wütend. Ob auf ihn oder auf mich, kann ich nicht sagen. Die Anderen kommen auch und helfen mir... Dave... der Frau.
Als der Krankenwagen da ist, nehmen sie ihn sofort mit. Die Polizei vernimmt die Frau, die sich tausendmal entschuldigt.

Erst will ich mitfahren... dann stoppe ich mich noch. Die Sanitäter fragen mich eine Menge und fahren dann ins Krankenhaus. Mila, Maria und Elena wollen mir frei geben, aber ich will nicht gehen. Was soll ich denn bei Dave im Krankenhaus? Ich habe ihn weggeschickt und jetzt soll ich zu ihm? Ich habe mich vergewissert, dass es ihm gut geht. Mehr muss ich nicht wissen.

-

Wer will sich hier belügen? Natürlich gehe ich zu ihm. Ich schaue auf die ausgehängten Zettel und finde Daves Namen schnell. Komisch, dass ich mich hier wie zu Hause fühle. Naja, eine Zwangsbehausung. Ich gehe in sein Zimmer und sehe ihn da liegen. Die Krankenschwester schließt ihn an den Tropf und lächelt mich an, als ich hereinkomme.

,,Machen Sie sich keine Sorgen. Er wird wieder. Seine Verletzungen sind nicht so schlimm, eine gebrochene Rippe, Schürfwunden, und eine genähte Platzwunde am Kopf. Das heilt schnell." Überrascht über ihre Worte, nicke ich einfach dämlich. Was soll ich auch machen? Ihr um den Hals fallen, immerhin bewahrt sie mich vor unnötigen Sorgen, die ich mir trotzdem mache.

,,Dürfen Sie mir sowas sagen?" Sie zuckt mit ihren Schultern. Gerne würde ich ihren Namen wissen. Dann wär sie für mich nicht nur eine Krankenschwester von Vielen.

,,Sicher nicht, aber Sie gehen doch nicht petzen?", entgegnet sie amüsiert und ich kann nicht anders als sie anzulächeln.

,,Niemals", verspreche ich und bekomme auch von ihr einen herzlichen Blick, bevor sie den Raum verlässt. Kurz sehe ich den im Bett liegenden Dave an und setze mich daneben. ,,Du bist ein Idiot, Stark. Das hast du doch mit Absicht gemacht, damit ich herkomme. Hiermit ist das Essen endgültig gestrichen, nur damit du das mal weißt", merke ich leise an.

,,Darüber sprechen wir noch", haucht Dave. Er schaut erst um sich herum und will sich aufsetzen, was er auch macht mit schmerzendem Gesicht. Ich schüttle nur meinen Kopf und helfe ihm schnell. ,,Dave, pass doch auf!", fahre ich ihn fast schon sauer an.

,,Ich kann das. Immerhin bin ich nicht zum Baby mutiert." Wütend über seine Worte, schlage ich ihn, auch wenn das weniger förderlich für ihn ist. Es kommt über mich. Genauso wie das was danach kommt. Es fühlt sich wie damals an, als meiner Schwestern der Unfall passiert war.

,,Aua?", meckert er lahm, dann schlage ich ihn noch einmal und nochmal. Tränen lösen sich wie von selbst. ,,Hey", stoppt Dave mich sanft. Er nimmt meine Arme und zieht mich aufs Bett, nimmt mich in den Arm und streicht mein Haar. Nun liege ich hier. Mit Dave - der mich an sich gezogen hat - der eigentlich verletzt ist.

,,Du kannst mir das nicht antun", flüstere ich heiser. Er küsst meine Stirn und zieht mich noch näher heran.

,,Es tut mir leid", haucht Dave und ich kann nicht glauben, dass ich wieder in Daves Armen liege. Was ist das? Was ist das mit uns?

,,Tut dir etwas weh?"

,,Nein", antwortet er schläfrig und zufrieden. Ich lächle.

,,Bist du müde?" Ich schaue zu ihm hoch.

,,Nein." Er sieht zu mir runter. ,,Wirst du mir jetzt einen Haufen von Fragen stellen?" Ich nicke und er lacht, um dann sein Gesicht zu verziehen.

,,Ich freue mich schon. Darf ich dir auch Welche stellen?", fragt er im Gegenzug. Da schüttle ich aber meinen Kopf.

,,Nein. Dann machst du das hier kaputt."

,,Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nicht locker lasse? Mein Gedächtnis hat nicht gelitten." Ich atme weit aus.

,,Dann darf ich aber entscheiden was ich dir erzähle."

,,Machst du das nicht sowieso?", zieht Dave mich auf und ich muss notgedrungen lächeln.

,,Ich fühle mich besser, wenn ich weiß, du bist einverstanden", gestehe ich und höre nun auch ihn etwas lachen.

,,Okay." Meine Hand liegt auf seiner Brust und ein Finger beschreibt Kreise darauf.

,,Meine Schwester...", fange ich vorsichtig an, da ich mir selber nicht sicher bin, ob ich das Richtige mache. Im Prinzip weiß er es doch, nur kann er die Teile nicht richtig ordnen. ,,...ist aufgewacht." Ich atme tief ein und aus. Dave lässt mich reden. Dafür bin ich ihm unendlich Dankbar. ,,Sie wurde vor zwei Jahren vom Auto erfasst, lag im Koma, ne Weile im künstlichen Koma. Vor ein paar Wochen, Monaten wurde sie aufgeweckt. Nun gehe ich jeden Tag hin, rede mit ihr. Ich spüre, dass ihr Mut jeden Tag sinkt. Sie macht unglaubliche Fortschritte, das ist ihr aber nichts wert. Das schlimme ist einfach, dass ich sie verstehe." Ein paar Tränen lösen sich und ich schniefe viel zu oft. ,,Sie wacht auf und alles um sie herum ist anders. Sie ist doch erst neunzehn. In ihrem Alter gehen die meisten Feiern, haben Dates, ihre erste richtige Beziehung und sie sitzt da fest. Sie muss alles neu lernen. In den letzten Wochen hat sie so viel geschafft. Sie kann selbstständig atmen, ein wenig reden, ihren Kopf bewegen, sitzen, ihr Gehirn funktioniert super. Nur was ist das im Vergleich zu vorher? Trotzdem muss sie so tun, als wäre alles oke. Sie muss vielleicht noch Jahre im Rollstuhl sitzen, wenn nicht ihr ganzes Leben und ich kann nichts machen." Ich weine und Dave dreht sich so, dass er mich ganz in den Arm nehmen kann. ,,Du tust dir weh", versuche ich halbherzig ihn davon abzuhalten. Er lässt aber nicht mit sich reden und zieht mich an sich.

,,Es ist nicht deine Schuld, Jess, hörst du? Du kannst in dieser Situation nichts machen, außer für sie da sein und das bist du jeden Tag. Mehr kannst du nicht machen." Ich schüttle meinen Kopf, kralle mich an seinen Kittel.

,,Ich stampfe da Tag für Tag rein und demonstriere ihr, was sie alles nicht mehr kann", widerspreche ich heulend. Es tut so gut, alles einmal rauszulassen. Er lächelt und küsst mein Haar.

,,Nein. Du stampfst Tag für Tag in ihr Zimmer und zeigst ihr, wie sehr ihre Familie hinter ihr steht." Ich atme zittrig ein und sehe ihn mit verheulten Augen an. Mit etwas zittrigen Fingern fahre ich die Konturen seines Gesichtes nach, berühre seine Wunden, stelle mir vor, dass ich diese Wunden nur mit einer Berührung verschwinden lassen könnte. Das nur, damit es ihm besser geht. Damit er nicht leiden muss. Ich sehe doch wie ihm seine Verletzungen zu schaffen machen. ,,Danke", flüstere ich. Dave küsst meinen Finger.

,,Ich höre dir immer zu, Jess."

I'm Yours.Where stories live. Discover now