So haben wir dich nicht erzogen.

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Ich höre die Glockenuhr und drehe meinen Kopf. ,,Wie viel Uhr ist es?", frage ich. Dave zuckt mit seinen Schultern, was ihm auch wehtut und ich muss ein wenig lachen. ,,Vielleicht überlegst du jetzt zwei Mal, ob du mir auflauerst oder nicht." Ich stehe auf und nehme mein Handy. Es ist schon sieben. ,,Ich muss zu Gina." Ich hüpfe aus dem Krankenbett. Dave richtet sich auf.

,,Ich komme mit", verkündet er. Ich sehe Dave verarscht an. Er richtet sich aber wirklich auf und das mit schmerzverzerrtem Gesicht.

,,Dave bleib hier. Du musst dich ausruhen. Außerdem stelle ich dich nicht noch meiner Schwester vor." Ich wische meine Tränen weg. ,,Immerhin sind wir nicht zusammen, Stark." Er sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an.

,,Deshalb darf ich nicht mitkommen? Soll ich alleine hier herumhängen, bis ich endlich entlassen werde, Pink?" Ich nicke.

,,Ja. Außerdem solltest du schlafen. So schnell wirst du nicht entlassen."

-

Ich bin bei Gina. Sie ist noch schlechter gelaunt, als die letzten Tage zuvor. Die Krankenschwester hat mir erzählt, sie wollte nicht essen, verweigert jeden Kontakt. Sie sieht mich nicht an. Ich nehme ihre Hand und setze mich neben sie. 

,,Hey, was ist denn los?" Sie neigt ihren Kopf zu mir und schaut mich niedergeschlagen an. Mir zerreißt es das Herz sie so zu sehen.  ,,Du kannst reden. Sprich mit mir." Sie schüttelt ihren Kopf langsam. Ich atme weit aus. ,,Na gut. Wenn du nicht reden willst, lass es. Ich erzähle dir einfach ein wenig. Falls dich die Redelust packt, steig mit ein." Die packt sie aber nicht. Ich verzweifle heute an ihr. Morgen ist Wochenende. Da kann ich wenigstens früher kommen. Vielleicht dachte sie, wir brauchen sie nicht mehr? Ach ich weiß nicht mehr. ,,Es tut mir leid, dass ich so spät gekommen bin. Früher habe ich es nicht geschafft. Vielleicht können wir morgen nach Draußen gehen. Ich frage die Schwester mal. Wobei, wenn die nicht erlauben, gehen wir trotzdem. Wer kann uns schon etwas verbieten?" Ginas Mundwinkel wandern nach oben und ich grinse. Typisch, dass sie das froh macht. Ich streiche ihre blonden Haare zurück. Wann kommt sie hier endlich raus?

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Kaum bin ich aus der Klinik raus, entdecke ich schon eine bekannte Gestalt. Ich komme nicht umhin meine Augen zu rollen und genervt hinzugehen. ,,Bist du bescheuert?", frage ich und Dave dreht sich zu mir.

,,Seit wann so grob?" Ich schaue ihn an, als würde er mich verarschen wollen. Es kann doch nicht sein, dass er schon jetzt entlassen wurde. Seine Miene verrät allerdings nur wie witzig er das findet. 

,,Du kannst nicht einfach abhauen", sage ich, als wär ich die Regelmacherin... 

,,Ich habe mich selber entlassen. Im Grunde bin ich ein erwachsender Mann, Jessica. Ich kann sehr gut selber auf meinen Gesundheitszustand acht geben." Ich lache bitter. Kann das denn wahr sein?

,,Das kannst du nicht. Mir scheint es, du machst dir da überhaupt keine Gedanken. Du hattest einen Unfall." Dave lacht, findet alles so lustig, dabei hätte es so viel Schlimmer ausgehen können.

,,Ich lebe noch..."

,,Dave?!" Eine weibliche, klare Stimme ruft Daves Namen. Ich drehe mich um und sehe eine wunderschöne Frau auf ihn zugehen. Sie sieht sehr jung aus. 

,,Dave?" Von der anderen Seite eilt ein Mann her. Ich glaube, ich weiß jetzt wer die beiden sind. Daves Miene wirkt jetzt genervt und ich muss ein wenig lachen. Seine Mutter ist sofort bei ihm. 

,,Dave, wieso hast du mir nicht Bescheid gegeben? Ich musste von einem Kollegen erfahren, dass mein Sohn im Krankenhaus liegt."

,,Lag", korrigiert er sie. Sie sieht ihn mahnend an. 

,,Adriana Liebling, Dave sieht doch ganz fit aus." Er klopft ihm auf die Schulter und Dave zuckt sofort zusammen. 

,,Joshua!" Oh, noch ein Joshua. Na super. 

,,Pass doch auf, unser Junge hatte einen Unfall", ermahnt sie auch ihn. 

,,Er ist ein Mann. Diese paar Schrammen halten ihn doch nicht hier."

,,Joshua, ich warne dich. Wenn du noch ein Wort von dir gibst..."

,,Es reicht!", geht Dave zwischen. ,,Ich gehe jetzt nach Hause." Er nimmt meine Hand und will gehen. 

,,Warte!", sagt seine Mutter streng und er dreht sich wieder um. Ich habe ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer was ich machen soll. ,,Dave Stark. So haben wir dich nicht erzogen. Du sagst deinen Eltern höflich Guten Abend und stellst deine Begleitung vor. Wenn du gehen willst, fragst du danach und stellst es nicht vor vollendete Tatsachen. Besonders jetzt solltest du dich schuldig fühlen, denn wir haben uns Sorgen gemacht." Sie sieht ihren Mann an. ,,Na wenigstens ich. Jetzt gehen wir alle rein, setzen uns ins Cafe, das nur noch Sitzmöglichkeiten bereit hält und ich lerne deine reizende Begleitung kennen." Sie legt ihren Arm um mich, lächelt und schiebt mich wieder in die Klinik. Ich schaue Dave hilfesuchend an, der sieht allerdings einfach nur genervt seinen Vater an, der seine Schultern zuckt. Na toll. Ich bin nicht seine Freundin würde ich gerne schreien, aber das würde mir wohl auch nicht helfen. 

,,Es tut mir natürlich leid. Ich bin sofort auf meinen Sohn losgegangen, dabei hätte ich mich vorstellen sollen. Ich bin Adriana Stark, Daves Mutter und leider verheiratet mit dem emotionslosen, chaotischen, Mann, der sich Daves Vater nennt und trotzdem sind wir glücklich verheiratet. Ich habe mir nur schreckliche Sorgen um Dave gemacht. Natürlich kenne ich ihn. Das wäre ja nicht das erste Mal, dass er mit seinen Problemen nicht zu uns kommt. Männer. Sein Vater ist da aber anders. Er leidet wochenlang an einer Männergrippe, wenn er es leid ist, zu einem Geschäftstreffen zu gehen", plauder Daves Mutter direkt aus dem Nähkästchen. Das ist sympathisch. Dabei muss ich lächeln.

,,Ähm, Mrs. Stark, das ist alles kein Problem. Es ist ja auch schon spät." Sie winkt ab und setzt mich auf einen der Stühle, im Cafebereich. Sie setzt sich neben mich und kommt ganz nah. 

,,Nein nein, wir fahren dich nach Hause. Ich will dich auch nicht vollquatschen..."

,,Das machst du aber, Mutter", mischt sich wieder Dave ein, als er mit seinem Vater ankommt und sich ebenfalls an den Tisch setzt. Er sitzt mir schräg gegenüber und seine Miene verrät einfach nichts.

,,Dave, misch dich nicht ein, wenn Frauen miteinander reden", rügt ihn seine Mutter.

,,Wenn diese Frauen miteinander reden würden, gäbe es keinerlei Probleme. Das hier ist allerdings ein einseitiges zutexten. Sie will das nicht hören." Was ist denn jetzt mit ihm los? Wieso redet er so mit seiner Mutter?

,,Dave", sage ich jetzt fast schon mahnend, aber er will mich gar nicht hören. 

,,Dein Benehmen lässt sehr zu wünschen übrig, mein Sohn. Immerhin rede ich nicht mit dir, sondern mit..." Sie sieht mich an und ich räuspere mich überrascht. 

,,Äh, Jessica, äh Jess... Pink! Ja Pink." Gott, wie peinlich. Vielleicht ziehe ich mir noch eine Clownsperücke über meinen Kopf und hüpfe fröhlich herum? Seine Mutter lächelt und ich schüttle beschämend über mich selber leicht meinen Kopf. Dabei beschimpfe ich mich leise. Ich habe es verdient. Dave lacht, aber nicht über mich wie sich herausstellt.

,,Du entführst ein vollkommen fremdes Mädchen und fragst sie nicht nach ihrem Namen." Danke für die Beschreibung, Idiot. 

,,Was ist los mit dir?", frage ich sauer. Es reicht doch langsam. Irgendwann muss man sowas beenden und jetzt ist die Zeit da, wo ich es beende. Dazu stehe ich auf und habe endlich Daves Aufmerksamkeit. ,,Vielleicht klärt ihr eure Differenzen lieber unter euch. Was in dich gefahren ist, Dave, deine Mutter so anzugreifen verstehe ich aus diesem Punkt betrachtet nicht. Ich kann sehr gut für mich alleine sprechen. Es ist jetzt reichlich spät. Morgen muss ich früh raus, deshalb..." Ich drehe mich zu Adriana, die mich anlächelt. ,,Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend." Daves Vater lächle ich ebenfalls an, der nickt. Dave will ich gar nicht anschauen. Seinen wütenden Blick brauche ich jetzt sicherlich nicht. 

,,Aber Jessica Liebes, wir können dich fahren. Du musst nicht laufen", erinnert mich Adriana, aber ich schüttle meinen Kopf. 

,,Ich wohne ganz in der Nähe. Das macht nichts." Bevor noch jemand etwas sagen kann, winke ich schnell und gehe. Halleluja, was war das denn?

I'm Yours.Where stories live. Discover now