3. Komm doch zu uns

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P.O.V. Lance

"Habt ihr gestern diesen legendären Catch gesehen? Ich muss heute beim Training unbedingt mal ausprobieren, wie der das gemacht hat.", sagte Alex grinsend und stopfte sich Chips in den Mund. Es knusperte kurz, ehe Alex wieder seine Hand in die Tüte steckte und sich eine Hand voll in den Mund schob.

"Alter, wir haben noch nichtmal eine Stunde Unterricht gehabt, und schon bist du am fressen.", stellte ich lachend fest und gönnte mir auch eine paar von den Chips.

Mein Blick glitt, während Alex und Enzo weiter über das gestrige Spiel sprachen, zu meiner einzigen Schwester. Sie saß auf dem Schoß ihres Lovers und schmiegte sich förmlich an seinen Rücken. Mailo hatte seine Arme fest um sie gelegt. Immer wieder flüsterte dieser Arsch ihr etwas ins Ohr worauf sie lachte, ihn küsste oder rot anlief. Ich persönlich hasste es, die Beiden zusammen zu sehen. Sie war doch noch meine kleine Schwester. Und nun, saß sie bei so nem komischen Typen auf dem Schoß und knutscht mit ihm herum.

Jedoch wurde ich von etwas, oder besser gesagt jemandem abgelenkt. Gerade betrat nämlich unsere neue Nachbarin den Parkplatz. Trotz der Spätsommerwärme hatte sie, wie gestern, einen langärmlichen Pulli an, wobei die Kapuze fast ihr gesamtes Gesicht verdeckte. Doch unter ihren dunklen Haaren blitzen weiße Kopfhörer heraus. Total gedankenverloren schlich sie über den überfüllten Parkplatz. Sie starrte stur auf den Boden und schien sich nicht mal annähernd für ihre Umgebung zu interessieren.

"Melissa! Komm doch mit zu uns.", rief ich ihr zu. Doch Melissas einzige Reaktionen waren das tiefer Ziehen ihrer Kapuze und das Beschleunigen ihrer Schritte.

"Irgendwie ist die komisch.", sagte Enzo verdutzt. Sein Blick folge ihr genauso, wie auch von allen Anderen. "Die hat gestern auch die ganze Zeit auf ihren Teller gestarrt."

"Stimmt. Irgendwas stimmt mit der nicht.", sagte nun Alex und wand seinen Blick wieder zu uns. Wir schwiegen kurzzeitig alle, bis Enzo wieder das Wort ergriff.

"Vielleicht hat sie ja Magersucht.", gab er grübelnd von sich. Sofort musste ich ausschnauben. Das war so ziemlich die dümmste Vermutung, welche ich je gehört hatte.

"Klar... dann hätte sie ja gestern wohl kaum was gegessen. Außerdem, sieht sie nicht aus wie ein Gerippe.", klärte ich meinen Gedanken aus, da mich alle verdattert ansahen. Manche nickten leicht und grübelten weiter.

"Vielleicht will sie einfach nichts mir uns zu tun haben. Ihre Ruhe haben und so.", sagte Mailo, welcher sein Kinn auf dem Kopf meiner Schwester abgelegt hatte. Doch genau diese drehte sich jetzt zu ihm um.

"Dann werde ich sie halt dazu bringen, dass sie will.", sagte Prudence entschlossen, sprang auf und lief geradewegs Richtung Eingang.

"Prinzessin!", rief ihr Mailo noch nach, doch es brachte nichts. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, versucht sie alles Mögliche um dies auch durchzusetzen. "Ähm naja... ich geh dann auch mal.", setzte der Arsch noch hinzu, ehe er ebenfalls in der Schule verschwand.

"Was findet sie nur an diesem Typ?", schnaubte Enzo, welcher anscheinend gerade genau das Gleiche gedacht haben musste. Trotzig sah er Mailo hinterher.

"Er isch doc voll in Ordnun.", sagte Alex mit vollem Mund, schluckte kurz und setzte noch etwas hinterher. "Ich versteh nicht, was ihr gegen ihn habt.", ehrlich gesagt, wusste ich es auch nicht. Aber ich hasste Mailo. Ich hasste ihn wirklich.

P.O.V. Melissa

Planlos lief ich durch die große Schule. Es gab hier eindeutig mehr Gänge und Zimmer, als auf meiner Dorfschule. Anscheinend musste ich ins Zimmer 201. Doch ich hatte keine Ahnung, wo genau sich das befinden sollte. Ich vermutete einfach, dass es in der 2. Etage war, doch selbst diese war viel zu groß. Mindestens zehn Minuten suchte ich nun schon, bis mich jemand von hinten antippte.

"Hallo, ich bin Tina und die Schulsprecherin hier. Ich kann dir gerne helfen dein Zimmer zu finden. Aber zuerst muss ich noch ein paar Sachen mit dir regeln.", plapperte das Mädchen sofort los, als ich mich zu ihr umdrehte. Sie lächelte mich kurz an, steckte sich eine ihrer roten schulterlangen Haare zurück hinter die Ohren und kramte nach irgend welchen Zetteln in ihrer Tasche. "Zuerst hier dein Spintschlüssel.", sie drückte mir einen kleinen Schlüssel in Hand, ehe sie hektisch weiter kramte. Als Nächstes bekam ich noch ein paar Schulformulare und andere komische, aber anscheinend sehr wichtige Zettel.

"Und ja, als letztes wäre da noch die Frage, ob du an irgendwelche Nachmittagsaktivitäten teilnehmen möchtest.", fragte sie und lächelte mich an. Wie konnte ein Mensch nur so viel und so schnell sprechen?

"Nein danke.", sagte ich und lächelte ebenfalls, doch etwas gezwungener. Schon wieder suchte sie aus ihrer Tasche einen Zettel und begann vorzulesen, ohne meine Antwort richtig wahrgenommen zu haben.

"Es gibt die Volleyballmannschaft, die Handballmannschaft, die Fußballmannschaft, das Schwimmteam und das Footballteam. Naja, Football scheint wohl eher nichts für dich zu sein. Aber wir haben auch noch andere Angebote. Den Schach- oder Debattierclub, das Schulorchester, die Theatergruppe, den Fotografierclub...", sie zählte noch einige Andere Sachen auf, doch mein Gehirn hat schon bei dem Wort Foto ausgesetzte. Ich liebte es über alles zu fotografieren. Einfach mit der Kamera ein bisschen nach draußen zu gehen und meine Ruhe genießen. Vielleicht könnte ich dort auch noch ein paar coole Sachen dazulernen.

"Das mit dem fotografieren klingt nicht übel.", sagte ich und spielte nervös an dem Gurt meines Rucksackes herum. Tina lächelte kurz und schrieb dann irgendetwas auf ein Blatt.

"Super, das war alles. Ach ja, die Foto-AG ist immer Montag Nachmittag. Also heute. Wenn du willst, kannst du gleich heute nach dem Unterricht gehen. Aber nur, wenn du willst. Kannst dich bei Fragen übrigens gerne an mich wenden. Muss jetzt los.", sagte Tina, ehe sie eben so schnell verschwand, wie sie aufgetaucht war. Doch bevor ich mich auch nur  kurz sammeln konnte, tauchte plötzlich ein Mädchen vor mir auf.

"Hallo.", sagte sie enthusiastisch und starrte mich an. Jetzt viel mir auch auf, wer sie war. Sie war Prudence, meine Nachbarin. Sie war etwas kleiner als ich und hatte große braune Augen. Noch dazu hatte sie wirklich schöne dünne Beine, aber trotzdem beneidenswerte Kurven.

"Hey.", antwortete ich knapp, wobei ich mir nervös eine Haarsträhne hinter das Ohr steckte. Ich hasste es irgendwie unter Menschen zu sein. Und für diesen Tag, hatte ich eindeutig schon genug Kontakt mit Personen.

"Warum wolltest du vorhin nicht zu uns?", fragte sie lächelnd. Was der wahre Grund war? Ich will hier einfach mit niemandem etwas zu tun haben und meine Einsamkeit genießen. Aber natürlich sagte ich dies nicht so.

"Ähm... ich musste noch ein paar Sachen klären.", redete ich mich heraus und blickte verlegen auf meine Füße. Doch Prudence schien das nicht als Problem zu sehen.

"Naja, dann komm doch in der Mittagspause zu uns. Als Neue wirst du kaum einen Tisch finden, also setzt dich dann einfach mit zu uns.", sagte Prudence erfreut. Na toll, da komm ich wohl nicht mehr heraus was?

Strange Neighbour Where stories live. Discover now