46. Schon wieder ein Danke

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P.O.V Lance

"Komm, wir gehen mal an die frische Luft.", sagte ich und verstärkte den einen Arm um sie. Ich war doch wirklich nur ganz kurz weg und schon passiert das. Warum musste ich denn auch auf die Toilette?! Ich hätte es einfach noch länger aushalten sollen. Irgendjemand hat Melissa wohl allein gesehen und ihr mal kurz etwas ins Getränk gespritzt.

"Ich hab das Gefühl, mein Gehirn schaltet grad ab.", sagte Melissa, doch ihre Stimme klang anders. Hilflos, verwirrt und abwesend. In diesem Zustand wäre sie ein perfektes Opfer für einen Perversling. Ich hätte sie wirklich nicht allein lassen dürfen.

"Ich ruf mal schnell Prudence an. Sie soll uns fahren.", sagte ich als wir endlich draußen waren und kramte mein Handy aus der Hosentasche. Ich wählte die Nummer meiner Schwester und wartete darauf, dass sie abnahm. Insgesamt musste ich es dreimal versuchen, bis sie endlich ranging.

"Was ist denn?!", sie klang eindeutig genervt.

"Du musst uns Nachhause fahren.", sagte ich und hoffte einfach, Prudence würde so schnell wie möglich herauskommen. Aber so schien es nicht, denn sie holte wieder Luft um weiter zu sprechen.

"Warum denn? Hat Enzo zu viel gesoffen?", ihre Stimme war zwar immer noch genervt, aber gleichzeitig auch etwas belustigt.

"Du hast so eine schöne Stimme.", hauchte Melissa und legte einen Finger an meinen Adamsapfel. Damit strich sie leicht über besagte Stelle und verursachte somit eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper.

"Nein, ich glaube jemand hat Melissa was ins Getränk geschüttet.", sagte ich in den Lautsprecher und versuchte Melissa's Berührungen so gut es geht auszublenden.

"Ich komme.", waren die letzten Worte welche ich aus meinem Handy vernahm, ehe meine Schwester schon auflegte.

"Mir ist kalt.", sagte Melissa leise und starrte auf ihre hohen Schuhe. Ich sah zu ihr und vor allem an ihr herunter. Ein großer Teil ihrer Beine war frei und somit konnte ich mir gut vorstellen, dass der kalte Nachtwind sie ziemlich kühlte. Ich zog sie vorsichtig an mich und legte meine Hände auf ihrem Rücken ab. Zwar war mir selbst nicht unbedingt warm hier draußen, doch eindeutig wärmer als sie es war.

"Wir bringen dich gleich nach Hause Süße.", flüsterte ich an ihr Ohr. Sie drückte sich noch etwas enger an mich, wobei ich mein Kinn auf ihrem Scheitel ablegte und nach Prudence Ausschau hielt. Mit einer Hand fuhr ich langsam ihren Rücken immer wieder rauf und runter, damit sie sich sicherer fühlte.

"Das bin ich doch schon.", hauchte sie kaum hörbar in mein Hemd und verschränkte die Arme hinter meinem Rücken. Mein Herz erwärmte sich durch ihre Worte, während nun auch mein Gehirn aussetzte. Doch bei mir waren es keine K.O.-Tropfen oder sonstiges.

P.O.V Melissa

Langsam nahm ich wieder ein paar Dinge um mich herum wahr. Es war bereits hell und ich lag. Es war eindeutig etwas weiches. Das Kleid spürte ich auch nicht mehr auf meinem Körper. Verdammt war ich nackt?!

Schnell riss ich meine Augen auf, was ich jedoch sofort bereute. Die Sonne blendete direkt in mein Gesicht und löste somit einen Schmerz in meinem Kopf aus. Aber ich war nicht nackt. Ich trug einen zu großen Pulli und eine ziemlich gut passende weiche kurze Hose. Die Hose war scheinbar von Prudence oder Flora und der Pullover musste von Lance sein, denn er roch stark nach seinem Parfüm. Erst jetzt sah ich mich im Raum um. Ich war mal wieder in Lance' Zimmer, doch von ihm war keine Spur. Stattdessen fand ich ein Croissant mit einem Glas Wasser auf dem Nachttisch. Egal wie sehr ich es versuchte, konnte ich mich nicht mehr an alles erinnern. Ich hatte für mich und Lance jeweils ein Getränk bestellt. Aber bereits nach dem ersten Schluck wurde mir etwas schwummrig. Doch nach dem zweiten Schluck hörten meine Erinnerungen schon auf.

Erst während des Essens kamen mir mehrere unangenehme Gedanken. Wer hat mich umgezogen? Was hatte ich alles gesagt oder getan? Was wäre passiert, wenn ich allein im Club gewesen wäre, hätte mich dann jemand vergewaltigt oder ausgeraubt? Ein Klopfen an der Tür ließ mich jedoch nicht weiter darüber nachdenken. Ok doch, über die erste Frage dachte ich jetzt besonders nach. Denn es war Lance, welcher im Türrahmen stand und leicht besorgt zu mir sah.

"Hey.", sagte er und setzte sich langsam neben mich auf sein Bett. Dafür das es gestern wahrscheinlich noch eine wilde Party für sie alle war, sah er überhaupt nicht mitgenommen aus. Im Gegenteil, er war perfekt gestylt. "Wie gehts dir?"

"Geht so.", sagte ich und überlegte selbst, wie es mir eigentlich ging. Klar ging es mir jetzt nicht prickelnd, doch es war nicht so schlimm, wie wenn man einen Kater hat. Erneut sah ich meine Klamotten an. "Hast du mich... naja... umgezogen?", fragte ich und spielte verunsichert an den Ärmeln des Pullovers, wobei ich förmlich spürte wie mir Hitze ins Gesicht schoss.

"Ja, ist das ein Problem für dich?", fragte Lance  und musterte mich aufmerksam. Immerhin spürte ich noch immer meine Unterwäsche am Körper was bedeutete, er hatte mich immerhin nicht nackt gesehen. "Kurz bevor du völlig weggetreten warst, sagtest du immer dir sei kalt. Du hast merkwürdigerweise angefangen dein Kleid auszuziehen als wir hier ankamen. Also gab ich dir schnell ein Pulli von mir und Prudence dir eine Hose.", erklärte Lance, ließ seinen Blick weiterhin auf mir. Es war mir so unangenehm, dass er mich in Unterwäsche gesehen haben muss. Doch in genau diesem Moment kam mir noch ein anderer Gedanke.

"Hat Prudence meine Arme gesehen?", fragte ich leicht schockiert. Es sollten nicht noch mehr darüber bescheid wissen als meine Eltern und Lance. Zu meiner Erleichterung schüttelte er seinen Kopf.

"Ich hab sie geschickt dir eine Hose zu holen, als ich dir geholfen hab auch die Ärmel deines Kleides abzustreifen.", fügte er hinzu. Nach diesem Satz trat eine lange Stille ein. Mehrere Minuten saßen wir einfach nur da und sagten beide nichts.

"Du hast mir schon wieder geholfen. Das wievielte mal? Das Dritte? Wie soll ich das denn bitte mal zurückzahlen?", sprach ich eher zu mir selbst und lächelte verlegen. Wenn Lance nicht gewesen wär, wäre mein Leben in Seattle wahrscheinlich jetzt schon hinüber.

"Es war mein Fehler. Ich hätte dich nicht allein stehen lassen dürfen.", sagte Lance und raufte sich durch die Haare. Schuldbewusst wand er seinen Blick ab und nun war er derjenige, welcher auf den Boden starrte.

"Es war ganz sicher nicht deine Schuld. Ich hätte aufpassen müssen, dass mir niemand was ins Glas tut.", sagte ich und legte ganz sanft eine Hand auf sein Knie. Sein Kopf zuckte zu mir, wobei seine Augen mein gesamtes Gesicht musterten. Solche Blicke waren mir früher immer total unangenehm gewesen. Das gilt jetzt immer noch, nur bei Lance störte es mich nicht mehr wirklich.

"Es war mein Fehler.", sagte Lance so, als wäre damit jetzt alles geklärt. Aber es war nicht seine Schuld! Ich wusste auch nicht, warum er meine Dummheit auf sich nehmen wollte. Ich spürte etwas warmes auf meiner Hand, welche auf seinem Knie ruhte. Lance verschränkte ganz langsam und vorsichtig meine Finger mit seinen und ließ sie weiterhin auf seinem Knie liegen. Sein Blick wurde weicher, weshalb ich nicht anders konnte als mich in seinen wunderschönen blauen Augen zu verlieren. Sie wirkten bereits jetzt so vertraut und liebevoll.

"Trotzdem.", sagte ich und sah herunter auf unsere Hände. "Danke.", fügte ich noch hinzu, wobei sich ein trauriges Lächeln auf meinem Gesicht breit machte. Was Lance jedoch nicht wusste: Dieses Danke galt nicht nur dem, was er bewusst getan hatte. Sondern auch dem, wie er mir unbewusst half. Zum Beispiel in dem Lance nur lächelte machte es meinen Tag immer ein bisschen besser.

Strange Neighbour Where stories live. Discover now