32. Etwas wird klar

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P.O.V Melissa

"Müssts du nich auf deim Date sein?", hinterfragte Lance und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich drehte meinen Kopf, um ihn ansehen zu können. Seine Augen waren zwar vom Alkohol vernebelt, doch glänzten sie wie so oft.

"Das war schrecklich.", sagte ich nur und zog meine Augenbrauen etwas zusammen. Lance beobachtete meine Mimik und hob etwas seine Hand. Er strich über meine Stirn um die Falten meiner Augenbrauen zu glätten.

"Erzähl.", sagte Lance schließlich und stützte seinen Kopf auf eine Hand. Irgendwie kam es mir komisch vor Lance von meinem Date erzählen zu sollen. Doch er wirkte wirklich interessiert und aufmerksam.

"Naja, es war alles so gestellt. Wir sind in ein relativ hochwertiges Restaurant gegangen, welches ihn bestimmt ein kleines Vermögen gekostet hat. Linus hat auch nur langweilige Fragen gestellt und wir kamen in kein richtiges Gespräch rein. Ach ja, und ich hab so Meereszeug gegessen, welches mich übrigens schon wieder verlassen hat.", sagte ich und legte beim letzten Satz meine Hand auf meinen gereizten Magen. Lance lachte kurz und leise auf. Scheinbar war die Wirkung von Alkohol, wo man die ganze Zeit labbert oder lacht vorbei, denn langsam schien er müde zu werden.

"Klinckt nich so toll.", sagte Lance, wobei er mich weiter beobachtete. Anfangs hat es mich nicht gestört, doch mittlerweile machte mich sein Blick etwas nervös. Ein Dauerlächeln zierte immer noch sein Gesicht, welches etwas in mir in Bewegung setzte. Mein Bauch kribbelte und mein Hals schien auszutrocknen. Lance begann etwas mit einer meiner Haarsträhnen zu spielen, welche zwischen uns lag. Er wickelte sie sich um den Finger und ließ sie dann wieder los.

Mit einem Mal veränderte sich sein Gesichtsausdruck und er stand ruckartig auf. Lance wankte so schnell es ihm möglich war ins Bad, wo er sich gerade noch rechtzeitig übergab. Er hatte nichtmal mehr die Zeit gehabt die Tür zu schließen. Unsicher was ich tun sollte stand ich auf und lief ihm nach. Sein Kopf war erschöpft an die Wand neben dem Klo angelehnt. Selbst von weiter weg sah ich schon, wie seine leicht angewinkelten Beine zitterten und sich kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn bildeten.

"Oh man.", sagte ich nur verzweifelt, wobei ich näher an Lance herantrat. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft heute nicht mehr den Geruch von Erbrochenem riechen zu müssen. Tja, nichtmal der Wunsch wurde mir erfüllt.
Lance' Atem klang mühselig und schwer, während er sein Gesicht in seinen Händen vergraben hatte. "Soll ich dir irgendwas bringen?", fragte ich vorsichtig nach. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.

"Vielleicht n frischs Shirt.", murmelte Lance in seine Hände. Aber noch bevor ich das Bad verlassen hatte, zog er sich schon ungeschickt sein T-Shirt über den Kopf. "Oder ne lass mal. So is mir nich so heiß.", sagte er völlig erschöpft. Gerade als ich dachte, er hätte sich etwas beruhigt, beugte er sich über die Toilette und erbrach erneut. Ich blickte mich im Bad um und fand ein kleines Glas, in welches ich Wasser füllte.

"Beruhig dich erstmal.", sagte ich so sanft wie ich konnte und legte eine Hand auf seinen nackten Rücken. Lance schien wirklich zu glühen. Nachdem er spülte, schloss er den Klodeckel und legte seinen Kopf darauf ab. Sein gesamter Körper zitterte noch immer. "Hier, trink etwas.", sagte ich und reichte ihm das Glas mit Wasser. Er nahm es dankend an und trank einen zaghaften Schluck. Alles an ihm wirkte erschöpft und müde. Selbst seine Haare wirkten blasser. Ich könnte ihn jetzt definitiv nicht allein hier lassen. Ich müsste mindestens noch warten bis die Anderen wiederkommen. Doch tat es mir weh, Lance so leiden zu sehen.

P.O.V Lance

Die aufgehende Sonne schien direkt in mein Gesicht und holte mich so aus einem erholsamen Schlaf. Mein Kopf dröhnte und mein gesamter Hals- und Mundraum brannten merkwürdig. Gestern hatte ich wieder mal zu viel getrunken. Vielleicht sollte ich mir das abgewöhnen.

Aber irgendwas war anders. Auf meinem ausgestrecktem Arm lag etwas schweres und warmes. Außerdem spürte ich auch, dass ein Arm auf meinem Oberkörper lag. Durch den Alkohol war mein Gehirn immer noch getrübt, weshalb es bei mir länger dauerte, bis ich wusste was auf meinem Arm lag. Oder besser gesagt wer. Ich öffnete meine Augen einen winzigen Spalt breit und erkannte eine friedlich schlafende Melissa. Ihr Kopf lag wie schon erwähnt auf meinem Arm, einer ihrer Arme war um meinen Bauch geschlungen und auch eines ihrer Beine berührte meine. Ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass Alex sie geholt haben musste. Denn plötzlich war sie da gewesen und hat mir irgendwas erzählt... Was hatte sie mir erzählt? Ach ja genau, dass ihr Date beschissen war. Ihr Date war beschissen!! Das heißt, dieser dumme Nerd würde jetzt vielleicht endlich von ihr Abstand halten. Und was ist danach passiert? Daran konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich habe ich mich übergeben, so wie mein Hals brannte.

Langsam schlief mein Arm unter dem Gewicht von Melissa's Kopf ein, aber wegziehen wollte ich ihn nicht. Sie sollte nicht aufwachen, denn sie sah so verdammt süß aus wenn sie schlief. Am Liebsten hätte ich ein Foto gemacht um es mir immer wieder angucken zu können. Als hätte Melissa bemerkt wie es mit meinem Arm stand bewegte sie sich im Schlaf. Ihr Kopf landete auf meiner Schulter und ihre Hand wanderte an meinen Hals. Nun da ihr Gesicht näher war, waren auch ihre Lippen näher. Der altbekannte Drang ihre Lippen zu spüren machte sich in mir breit. Ihre Finger bewegten sich mit meiner Atmung leicht an meinem Hals und bereiteten mir so eine leichte Gänsehaut. Es war wie eine kleine Qual. Melissa kuschelte sich an mich und ihre Lippen wirkten auf mich so anziehend, aber sie schien das Alles nicht zu spüren. Sie stand anscheinend eher auf Nerds mit zu großem Geldbeutel. Ich könnte ihr das doch auch geben! Ich könnte ihr doch alles geben! Ich habe mehr Geld als er, sehe besser aus als er und seien wir mal ehrlich, habe auch einen besseren Humor als er. Außerdem wusste ich etwas von ihr, was sonst niemand weiß. Und verdammt noch mal ich würde alles dafür tun, damit sie damit aufhört. Ich würde...

Mit einem Mal wurde mir etwas klar. Etwas, was ich schon lange vermutet hatte. Etwas, was selbst Prudence und Sam schon gesagt hatten. Etwas, was ich so lange nicht wahr haben wollte. Doch etwas, was jetzt plötzlich so eindeutig war.

Ich habe mich in Melissa verliebt.

Endlich hat er jetzt mal etwas gecheckt. Wurde auch mal Zeit oder? Nur wie lange wird es noch bei Melissa dauern...

Strange Neighbour Where stories live. Discover now