6. Blickkontakt

7.5K 242 28
                                    

P.O.V. Melissa

Noch total müde stieg ich aus einem dieser gelben Schulbusse aus und stellte meine Musik etwas lauter. Die Sonne prasselte auf mich herab und ließ mich in meinem Pulli und in meiner langen Jeans brutzeln. Demotiviert schlenderte ich über die Straße direkt auf das Eingangstor der Schule zu. Ein kleines Gähnen entwich mir, als ich fast in der Schule war. Warum musste dieser Mist auch immer so früh beginnen? Es würde doch allen Schülern, als auch Lehrern besser gehen, wenn die Schule erst später anfangen würde.

"Hey.", sagte eine relativ tiefe Stimme vor mir und ließ mich aus meinen Gedanken auftauchen. Noch bevor ich aber bemerken konnte, dass diese Person direkt vor mir stand, prallte ich auch schon gegen diese. Ich taumelte kurz etwas zurück und rieb meine Nase. Egal wer das gewesen war, er geht anscheinend ziemlich oft trainieren. Ein Blick nach oben verriet mir, dass es Lance war, welchen ich gerade fast umgetrampelt habe. "Ist alles ok?", fragte Lance mit einer besorgten Stimmlage und fasste an meinen Arm. Sofort zuckte ich zurück und mied den Blickkontakt.

"Ja.", sagte ich und hielt eine Hand an genau die Stelle, an welcher gerade noch Lance' Hand gelegen hatte. Verlegen blickte ich überall hin, nur nicht zu ihm.

"Warum siehst du mich eigentlich nie an?", fragte Lance und überraschte mich damit doch ein wenig. War es denn so auffällig, wenn ich die ganze Zeit den Blickkontakt mied?

Ganz langsam, fast schon ängstlich richtete ich meinen Blick auf. Erst sah ich seine breiten Schultern, dann sein Kinn welches einen leichten Bartschatten trug und als letztes seine dunkelblauen Augen. Diese funkelten etwas auf und Lance begann zu lächeln. Sein Blick wurde im Allgemeinen weicher und kurzzeitig dachte ich schon, ich hätte mich in seinen Augen verloren.

"Siehst du, ist doch garnicht so schlimm.", flüsterte Lance und erhielt den Blickkontakt aufrecht. "Eigentlich wollte ich dich nur fragen, ob du dich heute mit zu uns setzten willst.", fügte er noch mit einem Fingerzeig hinter seinem Rücken hinzu, wo mal wieder alle saßen und lachten. Leicht verlegen schüttelte ich den Kopf und wandte meine Blick nun doch wieder von ihm ab. Genug Blickkontakt für heute.

"Ich muss jetzt weiter.", sagte ich leicht beschämt und ging an ihm vorbei in die Schule. Warum ich beschämt war? Weil ich mich wirklich in seinen Augen verloren hatte. Aber sie waren nun mal irgendwie besonders. So tiefblau.

"Warum willst du denn nichts mit uns zu tun haben?", hackte Lance weiter nach und stand plötzlich wieder vor mir. Mir war garnicht aufgefallen, dass er mir gefolgt war. Doch jetzt versperrte er mir den Weg.

"Es hat nichts mit euch zu tun.", sagte ich kleinlaut und strich mir durch die Haare. Lance hingegen schien diese Antwort nicht auszureichen, denn er hackte noch weiter nach.

"Was ist es dann?", eigentlich hätte ich erwartet, dass seine Stimme genervt oder vorwurfsvoll klingen würde. Sie war jedoch ruhig und geduldig. Kurz überlegte ich, was ich nun antworten sollte. Das erste Mal seit Langem erschien mir die Wahrheit als passend.

"Weil ich einfach nur meine Ruhe haben möchte. Es ist zwar echt nett und so, wie ihr mich in eure Gruppe aufnehmen wollt, aber das Einzige was ich will ist Ruhe. Und um allgemeinen kann ich größere Menschengruppen nicht ausstehen.", gestand ich und abermals landete mein Blick auf meinen Füßen. Manchmal könnte ich mich für meine Unsicherheit und Schüchternheit wirklich selbst schlagen. Eine kurze Pause erfüllt von Ruhe erfolgte, bis Lance wieder zum Satz ansetzte.

"Und, wenn wir einfach mal etwas zu zweit unternehmen würden? Das wäre dann keine große Menschengruppe und ich würde dir auch garantiert nicht auf die Nerven gehen.", sagte er und überraschte mich schon wieder mit seinen Worten. Lance wollte Zeit mit mir verbringen. Zu zweit. Alleine. Sonst niemand.

"Ähh...", brachte ich nur heraus und kratzte mich am Unterarm. Wenn es ein was gab was ich mehr hasste als Menschenmassen, dann war es mit einem Mensch welchen ich kaum kenne etwas zu zweit zu machen. Doch jetzt kam wieder diese Seite in mir hoch, welche Menschen einfach nicht absagen konnte. Langsam glitten meine Augen wieder zu seinen. Lance sah mich erwartungsvoll lächelnd an und wartete. "Warum denn nicht.", sagte ich mit einem etwas gequältem Unterton. Jedoch schien ich diesen mit einem gespielt glücklichen Ton übertönt zu haben den Lance, Gesicht erhellte sich leicht.

"Cool, wie wärs mit Freitag nach der Schule? Ich könnte dir ein bisschen die Stadt zeigen, wenn du willst.", schlug Lance vor und steckte seine Hände in seine Hosentaschen. Ich nickte nur als Antwort und hoffte, er würde mich nun endlich in Ruhe lassen. "Super.", sagte Lance noch schnell, ehe er wie erhofft verschwand.

Dieses Kapitel ist zwar etwas kürzer, aber irgendwie wollte ich es heute noch herausbringen.
Wie würdet ihr das finden, wenn ich wie letztes Kapitel in jedem Kapitel so ca. die Hälfte aus Melissas und die Andere aus Lance' Sicht schreibe?
LG

Strange Neighbour Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora