47. Traurige Gedanken

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P.O.V Melissa

"Was läuft eigentlich zwischen dir und Lance?", fragte Tina interessiert und biss in ihr Brötchen. Auch der Blick von Linus wandte sich zu mir, doch sein Körper war verspannt.

"Wir sind gut miteinander befreundet.", sagte ich und stocherte in meinem Obstsalat herum. Um ehrlich zu sein wusste ich es nicht. Klar, wir wusste von den Gefühlen des jeweils anderen, aber wirklich mehr war da nicht. Wenn die Anderen dabei waren, verhielten wir uns vollkommen normal. Also sprach ich mit ihm so, wie ich auch mit Alex oder Lorenzo sprach. Diese Momente, wenn wir zu zweit  waren, zeigten aber doch, dass wir nicht nur befreundet waren. Denn 'nur Freunde' kuscheln nicht zusammen oder ähnliches. Das größte Indiz war jedoch, dass Lance bereits zwei Mal versucht hatte mich zu küssen. Und um ehrlich zu sein, wollte ich es auch. Aber irgend ein Teil meines Körpers nicht. Deswegen zuckte ich bis jetzt auch immer wieder zurück.

"Aha... die Blicke die ihr euch aber manchmal zuwerft sprechen dagegen.", sagte Tina und wartete meine Reaktion grinsend ab. Linus atmete genervt aus und sah zu Tina.

"Ist doch egal. Melissa hat gesagt sie sind nur Freunde, also glaub ihr das einfach.", sagt er ziemlich angepisst und verschränkte die Arme auf dem Tisch. Scheinbar war er eifersüchtig. So oft wie Linus mich nach einem Date gefragt hatte, war es eigentlich so gut wie eindeutig, dass er auf mich stand. Aber was sollte ich machen? Das Date mit ihm war schrecklich und so wirklich mein Typ war er auch nicht. Naja ok, Lance war eigentlich such überhaupt nicht mein Typ. Normalerweise fand ich solche beliebten, arroganten und eingebildeten Jungs ziemlich abstoßend. Bei Lance hingegen hatte ich oft genug gespürt, dass er nicht so war. Vielleicht wirkt er für alle anderen an dieser Schule so, aber innerlich war er ganz anders.
"Ich hau mal ab.", sagte Linus, schulterte seinen Rucksack und verschwand ohne auch nur ein weiteres Wort von sich zu geben.

"Ich geh auch mal.", sagte ich und packte meinen kaum angerührten Obstsalat in die Tasche. Mit einem kurzen Handwink verabschiedete ich mich von Tina, welche sowas wie 'Lasst mich ruhig alle allein' in einem sarkastischen Ton von sich gab. Ich ignorierte dies aber und steuerte aus der Cafeteria raus.
Kurz bevor ich die Tür öffnete, hielt mir Lance diese plötzlich auf. Sein Gesicht war angespannt, doch er schien es mit einem Lächeln überdecken zu wollen.

"Wo kommst du denn her?", fragte ich überrascht und sah lächelnd zu ihm auf, als er neben mir weiter den Gang entlang lief.

"Wollte auch gerade gehen.", sagte Lance knapp und rückte kurz an dem Gurt seines Rucksackes herum. Es war weder eine Spur von einem Lächeln, noch wirkliche Gesprächigkeit vorhanden. Er lief einfach neben mir weiter und schien sich den Kopf über etwas zu zerbrechen.

"Jetzt sag schon. Was ist los?", fragte ich, ehe ich einfach so stehen blieb. Lance bemerkte es erst nach ein paar Schritten und wandte sich dementsprechend überrascht um. Sein Kiefer mahlte, als er sich durch die Haare raufte.

P.O.V Lance

Ich sah zu ihr, während ich angestrengt überlegte. Der Todestag meiner Mutter kam immer näher. Auch wenn man sich irgendwann mit so einer Situation wie dem Tod einer geliebten Person abfindet, kann man nie richtig abschließen. Ich meine, ich hatte keine Mutter. Es fehlte einfach etwas in meinem Leben und das merkt man an solchen Tagen einfach besonders. Meine Großeltern kamen meistens zu Besuch um uns 'Beistand zu leisten'. Meiner Familie schien es was zu bringen. Meine Geschwister unternahmen meist etwas mit meinen Großeltern, doch ich machte da so gut wie nie mit. Ich zog mich lieber in mein Zimmer oder auf den Friedhof zurück. Sonst kam ich fast nie zu dem Grab meiner Mum, aber an diesem Tag schien ich es ihr einfach schuldig zu sein. Manchmal begleitete mich Lorenzo, welcher wohl am schwersten mit dem Tod unserer Mutter zu kämpfen hatte, aber das ist eine andere Geschichte.

"Hallo?", fragte Melissa und schnipste kurz vor meinem Gesicht herum. Ich hatte nicht mal annähernd bemerkt, dass sie die paar Schritte wieder auf mich zugekommen war. "Du starrst gerade Löcher in die Luft. Was ist denn los?", fragte sie erneut, doch dieses Mal klang es ein wenig besorgter.

"Ich denk nur etwas nach.", sagte ich, wollte ihr aber nicht direkt in die Augen schauen. Zu groß die Angst, sie würde meine Lüge erkennen. Eigentlich hatte ich die Zeit genau abgepasst um Melissa an der Tür zu begegnen und sie nach Hause fahren zu können. In ihrer Nähe ging es mir etwas besser und so auch jetzt. Das konnte ich in diesem Moment wirklich gut gebrauchen, doch ihr besorgter Blick bereitete mir ein komisches Gefühl im Magen.

"Ich bin da, falls du jemanden zum Reden brauchst.", stellte sie fest, wobei sie mich traurig anlächelte. Ihre grauen Augen schienen größer als sonst, als sie zu mir aufsah. Auch wenn es ziemlich unpassend war, musste ich auf ihre Lippen starren. Verdammt würde ich die gerne an meinen spüren. An meiner Wange waren ihre Lippen schon unglaublich weich, wie würde es sein sie mit meinen Lippen zu spüren?

"Ich weiß. Danke.", sagte ich und wand meinen Blick schnell wieder von ihren Lippen ab. Der Drang sie zu küssen könnte wieder zu groß werden und dann würde ich wieder versuchen sie zu küssen. Ein Korb von ihrer Seite aus würde ich jetzt nicht ertragen wollen. "Komm, ich fahr dich jetzt nach Hause.", sagte ich, während ich meinen Blick komplett von Melissa abwandte.

Irgendwann würde ich sie küssen. Auch wenn ich jetzt noch nicht wusste wann. Ich wollte es unbedingt.

Strange Neighbour Where stories live. Discover now