42. So wie früher

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P.O.V Melissa

"Heute kannst du deine Ausrede gleich vergessen. Du kommst mit.", sagte Prudence und zog mich schon an meinem Handgelenk Richtung Cafeteria. Was sollte ich denn jetzt machen? Seit mehr als einer Woche nun schon war ich ihnen aus dem Weg gegangen. Doch Prudence schien langsam der Geduldsfaden gerissen zu sein.

"Du, ich muss wirklich noch wo hin.", versuchte ich es, geriet damit aber nur auf taube Ohren. Prudence zog mich stur weiter in diese Richtung. Auch wenn sie kleiner war als ich, hatte sie eindeutig mehr Kraft. Wehren wollte ich mich aber auch nicht, das würde wahrscheinlich ziemlich merkwürdig rüberkommen.

Als wir am Tisch ankamen, starrten mich alle merkwürdig an. Außer Lance, welcher sich mit verschränkten Armen und verspanntem Körper in der Cafeteria umsah. Scheinbar spielte er das Spiel des Ignorierens mit. Auch wenn es mich nicht überraschen sollte, tat es weh. Es tat weh ihn wieder so neutral mir gegenüber zu sehen wie am Anfang, als wir uns das erste Mal getroffen hatten. Doch das war total dämlich denn es war genau das, was ich erreichen wollte. So würde es mir nämlich viel leichter fallen ihn zu ignorieren.

"Ach, auch mal wieder da.", sagte Alex, aber nicht vorwurfsvoll. Er lächelte, als wäre er froh mich hier zu sehen. Auch die Anderen wirkten wieder normal, nur Lance nicht. Er sah immer noch stur auf einen Punkt.

"Ich musste sie auch hierher ziehen.", sagte Prudence und begann ihr halbangefangenes Mittagessen weiter zu essen. Ich hingegen wollte jetzt nichts essen. Mein Hals war wie zugeschnürt.

"Willst du etwas von meinem Essen abhaben?", fragte Flora und sah mich fragend an. Jetzt erst bemerkte ich, dass wirklich alle an diesem Tisch aßen. Außer ich. Kurz schüttelte ich meinen Kopf. Mein Magen brannte, doch ich hatte alles andere als Hunger. Mir war eher schlecht und ich hatte wirklich Angst, dass das was ich esse sofort wieder hochkommen würde.

Ich spürte einen Blick auf meinem Seitenprofil und drehte mich in diese Richtung um. Lance hatte seine Augen auf mich geheftet, wobei er die Augenbrauen leicht zusammenzog. Sein Blick kannte ich nicht wirklich deuten, doch er war wie ein Stich in meine Brust. Sein sonst so perfektes Gesicht war zwar angespannt, doch vor allem die dunklen Ringe unter seinen Augen fielen mir auf.

"Ich muss jetzt wirklich gehen.", sagte ich, nachdem ich meinen Blick endlich von Lance abließ. Ich schnappte mir meine Tasche, stand auf und verließ die Runde ohne ein weiteres Wort.

P.O.V Lance

Als ich sie gehen sah, schloss mein Gehirn eine Kurzschlussreaktion. Ohne das ich es wollte, stand ich ebenfalls auf und lief ihr nach. Mein Rucksack war mir in diesem Fall egal, meine Geschwister würden ihn schon mitbringen.
Obwohl Melissa mehr als einen Kopf kleiner war als ich, war sie relativ schnell. Eigentlich hätte sie mich noch nichtmal bemerken können. Doch mir erschien die Chance größer, dass ich sie aufholen könnte wenn sie nicht weiß, dass ich hinter ihr bin.

Schließlich gelang es mir sie einzuholen. Ich stellte mich vor Melissa, was sie nicht zu bemerken schien, denn sie rannte mit voller Wucht in mich rein. Total verdattert und mit feuchten Augen sah sie zu mir auf. Oh verdammt, Melissa hatte Tränen in den Augen.

"Bitte lass mich einfach in Ruhe.", sagte sie leise und wischte sich über die Wange, nachdem sie den Blick abgewandt hatte. Die langen dunklen Haare fielen Melissa wie ein Vorhang vor ihr Gesicht. Sie wollte gerade an mir vorbei gehen, als ich sie am Handgelenk festhielt.

"Warum ignorierst du mich?", fragte ich langsam wirklich verzweifelt. Ich wollte aus ihrem Mund hören, was ich angestellt hatte. Klar vermutete ich, dass es an meiner dämlichen Frage lag, aber zu hundert Prozent konnte ich mir nicht sicher sein. Melissa entfernte ganz langsam und vorsichtig meine Hand von ihrem Gelenk und blieb noch kurz schweigend stehen.

"Ich... ich ignoriere dich nicht.", brachte Melissa nur sehr stockend hervor. Das glaubte ich ihr seit Beginn nicht. Hielt sie mich denn wirklich für so blöd?

"Natürlich tust du das.", sagte ich, wobei ich eigentlich Blickkontakt mit ihr aufbauen wollte. Sie ließ es nicht zu und erinnerte mich so ein bisschen an die Melissa von vor zwei Monaten. Seitdem hatte sie sich wenigstens gegenüber mir ein klein wenig geöffnet. Jetzt aber war sie wieder Blickkontaktscheu und redete so gut wie nicht. "Ist das denn zu viel verlangt nur den Grund zu erfahren?", hackte ich ungläubig nach.

Melissa brachte kein Wort heraus. Sie starrte stur auf den Boden und es schienen sich wieder Tränen in ihren Augen zu sammeln. Na super, jetzt war ich auch noch der Grund dafür, dass sie gleich weinen würde.

"Weißt du eigentlich wie schrecklich es ist von dir ignoriert zu werden? Für mich ist es grauenvoll. Es tut mir weh, wenn du mir aus dem Weg gehst und immer wieder abhaust wenn ich mit dir ein Gespräch aufbauen will. Ich finde, ich hätte es wenigstens verdient den Grund zu erfahren.", sagte ich sanft und wollte ihr dabei eigentlich eine ihrer Haarpartien zurücklegen, ließ es aber lieber sein. Melissa blickte immer noch nicht zu mir auf, doch sie tat etwas anderes. Sie ging einfach. Ohne eine no h so kleine Anmerkung darauf.

Mir kam nur noch eine Idee in den Sinn, wie ich sie vielleicht zum Sprechen bringen konnte. Eine einzige Idee, welche ich wahrscheinlich schon direkt hätte bringen sollen. Doch irgendwie traute ich mich nicht. Die Wörter flogen schon seit circa zwei Wochen in meinem Kopf herum, jetzt musste ich mich nur noch trauen sie auszusprechen.

"Melissa, ich bin schon seit mehreren Wochen in dich verliebt."

Tut mir leid wegen des miesen Schnittes hier, aber ich versuche heute noch ein Kapitel herauszubringen. Das könnte zwar ziemlich spät werden, weil ich jetzt noch zu einer Veranstaltung muss, doch es würde sich lohnen hier später mal reinzuschneien, falls ihr wissen wollt wie es weiter geht.

Strange Neighbour Where stories live. Discover now