9. Kein Interesse

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P.O.V. Lance

Es war viel schwerer als erwartet, Wörter aus Melissa heraus zu bekommen. Sie antwortete immer nur sehr knapp, so dass ich mir wieder neue Fragen ausdenken musste. Auch wenn es heute etwas kühler war, zogen die meisten Leute T-Shirts und Shorts an. Melissa hingegen trug mal wieder einen Pullover und eine lange Jeans. Mir war es ein Rätsel, wie sie dies aushielt. Inzwischen war es schon etwas später geworden und wir liefen gerade in einer Fußgängerzone. Manche der Läden hatten schon zu, während andere wiederum noch hell erleuchtet waren.

"Erinnerst du dich noch an mich süßer?", fragte plötzlich eine Blondine in verführerischem Ton neben mir, wobei ihre künstlichen Fingernägel über meinen Oberarm fuhren. "Vielleicht könnten wir diese eine Nacht wiederholen.", fügte sie noch dran und blinzelte mit ihren verklumpten Wimpern. Ich drehte meinen Arm von ihr weg und sah sie emotionslos an.

"Ich mach sowas nur einmal und dann nie wieder. Hab ich dir garantiert vorher klar gemacht.", ich wusste zwar nicht wer diese Blondine war, aber ich ging davon aus, dass ich mal mit ihr geschlafen hatte.

"Aber das zwischen uns war etwas besonderes.", fugte sie hinzu und fuhr diesmal über meine Brust. Das Gefühl ihrer künstlichen Krallen auf meiner Haut war widerlich und ich trat abermals einen Schritt zurück.

"Kein Interesse.", sagte ich monoton und gefühllos zugleich. Irgendwie musste ich dieses Blondchen doch mal loswerden. Allmählich nervte sie nämlich wirklich.

"Nur ich und du, keiner wird es erfahren und ich verspreche dir, es wir mindestens so gut wie letztes Mal.", raunte sie an mein Ohr und stand mir somit Näher als mir lieb war. Ihr Atem streifte meine Wange und eine ihrer Hände lagen an meiner Anderen. Doch kurz bevor sie mich küssen konnte, wurde ich weggezogen.

"Wir müssen leider weiter.", sagte Melissa in einer scheinheiligen Stimmlage und zog mich weiter von ihr weg. Sie lächelte der Blondine noch gekünstelt zu, ehe wir ganz gingen. Erst jetzt bemerkte ich, wie Melissa mich wegzog. Sie hatte unsere Finger miteinander verschränkt, welche nun immer noch ineinander verhackt waren.

"Danke.", sagte ich, weil ich die Frau wohl ohne ihre Hilfe nicht losgeworden wäre. Melissas große Augen wanderten zu mir und sie lächelte mich von der Seite aus an. Dies war das erste Mal, dass ich sie lächeln gesehen habe und ich muss zugeben, dass es ihr richtig gut steht. Melissa sieht ohnehin schon ziemlich gut aus, doch wenn sie lächelt macht sie das um einiges attraktiver.

"Kein Problem. Die war ziemlich hartnäckig was?", scherzte Melissa. Irgendwie hatte ich das Gefühl gerade einem ganz anderem Menschen gegenüber zu stehen. Sie lächelte, scherzte und es lag immer noch ihre Hand in meiner. Plötzlich wurde mir das von gerade eben peinlich. Normalerweise fand ich es nicht schlimm, wenn Leute erfuhren, dass ich ein Player bin. Vor Melissa hingegen war es mir wie gesagt peinlich.

"Wahrscheinlich hat sie schon Alkohol intus und wird sich morgen eh nicht mehr daran erinnern.", sagte ich und war ehrlich gesagt froh darüber, dass Melissa ihre Hand in meiner ließ. War es komisch zu sagen, dass sie einfach perfekt in meine passte?

P.O.V. Melissa

Nachdem wir endlich aus dem Sichtfeld der Blondine entkommen sind fiel irgendwie ein kleiner Teil meiner Anspannung. Doch ein neuer großer Teil kam dazu. Ich weiß selber nicht was mich dazu gebracht hat, Lance' Hand zu nehmen. Nun hatten wir sie immer noch miteinander verschränkt, jedoch schien es Lance nichtmal aufzufallen. In mir stieg besagte Anspannung aber mit jeder Sekunde. Schließlich entfernte ich langsam meine Hand aus seiner, auch wenn sie so schön warm gewesen war und sein relativ fester Handdruck einem Sicherheit vermittelte. Ich wollte garnicht wissen, mit wie vielen Mädchen er schon Händchen gehalten hat, geschweige denn, mit wie vielen er schon im Bett gewesen war. Die Blondine von eben schien nämlich nicht unbedingt wie seine Ex. Eher wie Eine für eine Nacht.

"Wollen wir uns noch etwas zu Essen holen?", fragte Lance und fuhr sich durch die blonden gestylten Haare. Sein Blick wanderte über ein paar Läden und schließlich zu mir.

"Hast du schon wieder hunger?", gab ich mit einem klitzekleinen Lächeln von mir. Wow, ich bin ich stolz auf mich. Zweimal an einem Tag vor einem fast Fremden zu lächeln. Meisterleistung.

"Jap und du hast vorhin ja nichts gegessen.", sagte er grinsend und fuhr mit einer Hand über seinen Bauch um seinen Hunger zu verdeutlichen.

"Wo willst du denn was holen?", fragte ich weiter. Eigentlich hatte ich keinen so großen Hunger, aber ich sollte etwas essen damit ich nicht umkippte. Erneut fuhr sich Lance durch seine Haare. Erklärt mich jetzt bitte nicht für verrückt, aber irgendwie wollte ich auch mal durch seine Haare fahren.

"Hier in der Nähe gibt es so ein asiatisches Schnellrestaurant. Wir könnten uns da so eine 'Take away' Box holen und es auf dem Weg zum Auto essen.", schlug Lance vor und fuhr mit seinen Händen in seine Hosentaschen. Meine hatte ich schon längst wieder in meinen Pullovertaschen verschwinden lassen. Ich nickte und so setzten wir den Plan in die Tat um.

Allmählich wurde es dunkler und somit auch weniger Personen auf den Straßen. Dafür hatte ich das Gefühl, wurden es um so merkwürdigere Menschen. Komische Gruppen an Männern, welche in Ecken standen und Frauen beobachteten, während sie Bier tranken. Obdachlose, welche im Müll nach brauchbaren Sachen wühlten oder Frauen mit so wenig Stoff am Körper, dass sie bei dieser Wärme womöglich froren. Allein würde ich womöglich totale Angst bekommen, doch mit Lance an meiner Seite fühlte ich mich sicherer. Dieser aß übrigens gerade unbeeindruckt meine restlichen Nudeln, da ich meine Portion nicht geschafft hatte.

"Du scheinst echt immer Hunger zu haben.", stellte ich fest und sah kurz in seine Richtung. Lance sog eine Nudel in seinen Mund und grinste leicht.

"Korrekt.", sagte er und schaufelte noch ein paar der Nudeln in sich hinein. Bei ihm sah das wesentlich eleganter aus, als es bei mir sehr wahrscheinlich der Fall gewesen war. Aber hier und da verlor er auch mal eine Nudel. Schließlich schmiss Lance nun die zweite Box in den Müll und fuhr mich mit nach Hause.

Strange Neighbour Where stories live. Discover now