86. Die letzten Tage

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P.O.V Melissa

Stumm packte ich ein paar Bilder in einen großen Umzugskarton. Es war irgendwie merkwürdig. Vor circa einem halben Jahr erst sind wir hierher gezogen und jetzt zogen wir schon wieder um. Allein dieses halbe Jahr hatte mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Natürlich lag es nicht an diesem Ort, aber an den Menschen, die hier leben. Ganz besonders natürlich ein spezieller Mensch, welcher eigentlich heute noch vorbeikommen und mir beim Packen helfen wollte.

Manche der Bilder sah ich mir nochmal genauer an, ehe ich sie in den Karton legte. Die meisten waren noch aus Tennessee, ein paar aber auch schon von hier. Besonders stolz war ich auf das Bild, auf welchem man einen Fuchs sah. Es stammte noch aus meiner Zeit vor Seattle. Der Fuchs war mir zufällig vor die Linse geraten und es entstand ein perfekter Schnappschuss.

„Was soll ich einpacken?", fragte eine tiefe Stimme, wahrscheinlich von meiner Tür aus. Ich erschrak mich total, weil ich Lance noch garnicht erwartet hatte. Klar wollte er helfen kommen, doch eigentlich hatte ich mit ihm erst viel später gerechnet.

„Meine Güte, hast du mich erschreckt.", sagte ich wahrheitsgetreu und faste mir an mein Herz. Lance' Mundwinkel bogen sich nach oben, als ich mich zu ihm drehte. Kurz sah er sich in meinem Zimmer um, was nun schon deutlich leerer wirkte.

„Also... wo kann ich helfen?", hackte er weiter nach und lief dabei auf mich zu. Seine Hände legte Lance auf meine Hüfte und sah etwas traurig auf mich herab. Auch wenn er es versuchte zu überspielen, ich merkte dass er aufgrund meines Umzugs traurig war. Ich war es natürlich auch, nur ich versuchte es nicht zu verstecken.

„Du könntest die Bücher in den Karton tun.", sagte ich und nickte in die Richtung meines Bücherregals. Gerade als Lance seinen Kopf in dieselbe Richtung drehen wollte, hielt ich sanft sein Kinn fest und legte meine Lippen auf seine. Schmunzelnd erwiderte er den Kuss, wobei mein Herz immer schneller schlug. Ich würde das so verdammt vermissen. Ich würde alles an ihm so verdammt vermissen. Seinen Geruch, seinen Humor, seine Arme und natürlich seine Lippen.

„Ich sollte jetzt wohl besser die Bücher einpacken.", sagte Lance völlig außer Atem, nachdem dieser Kuss immer inniger geworden war. Eine seiner Hände lag momentan an meiner Wange und strich sanft über meinen Wangenknochen. „Ansonsten würde dass hier ausarten.", fügte er noch flüsternd hinzu, wobei Lance mir kurz zuzwinkerte.

„Dann fang an.", sprach ich und zwickte ihm leicht in die Seite. Da Lance nur auf mein Gesicht sah, hatte er meinen Arm zuvor nicht bemerkt und erschrak sich somit wie ich ein paar Minuten zuvor.

P.O.V Lance

„Wir werden dich alle echt vermissen.", sagte meine Schwester deprimiert, während sie in ihrem Essen herumstocherte. Sie hat quasi ein Abschiedsessen für Melissa hergerichtet. Morgen würde sie schon fliegen und da sie eh bei mir übernachten würde, bestand Prudence quasi darauf. Auch Alex und Mailo waren dabei. Nur Lorenzo war nicht da. In letzter Zeit war er im Generellen anders gewesen. Irgendwie freundlicher...

„Ich werde euch auch vermissen.", sagte Melissa und sah mitleidig zu Prudence. Auch wenn wir Melissa am Anfang vielleicht auf die Nerven gegangen sind, waren meine Geschwister ihr wahrscheinlich inzwischen ans Herz gewachsen.

„Aber es ist ja kein Abschied für immer. In ein paar Wochen bist du ja wieder in der Stadt.", versuchte ich das positive aus dieser Situation zu schöpfen. Währenddessen legte ich eine Hand auf Melissa's Oberschenkel und strich leicht darüber. Vielleicht klingt es doof, aber ich wollte die letzten Stunden genießen, in der sie noch hier war. Einfach ihre Nähe spüren oder ihr Lachen hören.

„Ja das stimmt.", sagte meine Schwester nun schon etwas aufgemunterter. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner, welche Melissa gehören musste. Sie sah mich kurz an, ehe sie unsere Finger miteinander verschränkte.

„Ich hätte ja auch niemals erwartet, dass du dich mal verliebst.", sagte Alex und sah mit einem undefinierbaren Blick zu mir. Da hatte er nicht unrechte. Ich hätte es selbst nicht gedacht, doch genauso wenig hätte ich es bei ihm oder Sam erwartet. Gerade als ich etwas erwidern wollte, kam mir Melissa schon dazwischen.

„Ähm... ich glaube, ich sollte jetzt schlafen. Das Essen war wirklich lecker, aber ich muss morgen doch relativ früh raus.", sagte sie und stand bereits auf. Eigentlich wollte Melissa unsere Hände lösen, doch ich verstärkte den Druck und stand ebenfalls auf. Schließlich wollte ich ja jeden noch verbleibenden Moment ausschöpfen.

Nachdem Melissa sich also ausgiebig von allen verabschiedet hatte, gingen wir zusammen hoch. Wir zogen uns um, gingen Zähne putzen, sprachen noch etwas und ehe ich mich versah, war sie eingeschlafen. Die Zeit verging viel zu schnell, doch ich wollte jetzt nicht einschlafen. Wer weiß, wann ich sie das nächste Mal so halten würde. Mit ihrem Kopf in meiner Halsbeuge und ihren Armen um meinen Oberkörper, mit welchen sie mich so festhielt, als würde mich jemand stehlen wollen.

Ich senkte meine Nase in ihre Haare und atmete ganz tief ein. Ich weiß nicht ganz, nach was sie immer riechen. Aber egal was es ist, es riecht perfekt. Ich küsste ganz sanft ihre Wange, worauf sie im Schlaf sowas wie ein süßes Knurren von sich gab. Das hatte ich bis jetzt noch nie von ihr gehört und ich musste mich zusammenreißen, nicht zu lachen. Nicht weil es lustig war, sondern einfach so niedlich. Ich wollte sie einfach nicht gehen lassen. Jeden Tag den ich sie nicht sehen konnte, war einer zu viel.

Endlich mal wieder ein Kapitel🎉
Ich hoffe ihr habt es „genossen" Melissa und Lance zusammen zu erleben, denn im nächsten Kapitel wird es für die beiden heißen: abschied nehmen.

Strange Neighbour Where stories live. Discover now