10. Ein Junge steckt dahinter

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P.O.V. Melissa

"So, da sind wir.", sagte Lance und stellte den Motor seines Autos ab. Wir standen in der Einfahrt seines Hauses und es war schon stockdunkel. Ich schnallte mich ab und starrte kurz gedankenverloren auf die Windschutzscheibe. Erst das Knallen von Lance' Tür brachte mich wieder zurück in die Gegenwart. Ich stieg nun also ebenfalls aus und direkt danach schloss Lance sein Auto ab.

"Naja... dann... schönen Abend noch.", sagte ich und wandte mich zum gehen. Sehr weit kam ich jedoch nicht, denn plötzlich stand Lance wiedermal vor mir. Dieses Mal konnte ich aber noch rechtzeitig stoppen bevor ich wieder gegen ihn knallte.

"Das war ein schöner Nachmittag.", sagte Lance, wobei man das Lächeln schon heraushörte ohne überhaupt hinzusehen. Also wie in meinem Fall, denn ich sah auf unsere Füße.

"Fand ich auch.", sagte ich und blickte etwas weiter nach oben. Lance sah mich bereits an und so trafen sich unsere Blicke. Wie schon vermutet war er am lächeln wobei ich erstmals erkannte, dass er kleine Grübchen besaß. Kurz öffnete Lance seinen Mund um etwas zu sagen, doch schloss ihn ohne einen Ton wieder. Zu gerne hätte ich gewusst, was er sagen wollte. Auf einmal wurde mir der Blickkontakt wieder unangenehm und ich sah in Richtung meines Hauses. "Ich geh dann mal.", sagte ich etwas leiser mit einem kleinen Fingerzeig in besagte Richtung. Dieses Mal stellte sich Lance nicht in den Weg, sodass ich wirklich gehen konnte.

"Bienchen, wo warst du denn so lang?", fragte mein Vater misstrauisch und schloss für mich die Haustür. Ich hatte ganz vergessen meinen Eltern bescheid zu sagen.

"Ähm... ich war... mit Freunden draußen.", log ich und zog dabei schnell meine Schuhe aus. Meine Eltern wollten immer, dass ich Freunde finde und etwas mit diesen unternehme. Da sollte diese Lüge sie doch erfreuen. Die Miene meines Vaters blieb jedoch so.

"Was für Freunde?", hackte er weiter nach und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn mir jetzt keine Lüge einfiel, würde ich auffliegen.

"Zwei Mädchen aus meiner Jahrgangsstufe.", sagte ich und lächelte hoffnungsvoll. Sofort lächelte auch mein Dad und löste seine verschränkten Arme.

"Puh ich dachte schon, da steckt ein Junge dahinter.", sagte mein Dad und sorgte somit für einen Kloss in meinem Hals. So falsch lag mein Vater da ja nicht, nur wusste er es halt nicht.

"Ich geh in mein Zimmer. Gute Nacht. ", sagte ich immer noch lächelnd, während ich meinem Dad einen kleinen Kuss auf die Wange drückte. Ich hasste es meine Eltern anzulügen. Tat ich wirklich. Aber sehen wir das einfach mal als Notlüge.

In meinem Zimmer angekommen schnappte ich mir mein Buch und wollte es endlich zu Ende lesen. Wie schon einen Tag zuvor schnappte ich mir auch noch ein Kissen und setzte mich damit heraus auf meinen kleinen Balkon. Mein Blick glitt kurz zu Lance' Fenster, doch war dort alles dunkel.

P.O.V. Lance

"Leute ich bin wieder da!", schrie ich in das leer wirkende Haus und schmiss meinen Schlüssel in die kleine Holzschale neben der Tür. Es kam keine Antwort zurück, weshalb ich mich umso mehr erschrak, als plötzlich Enzo vor mir stand. "Meine Fresse erschreck mich doch nicht so.", sagte ich schockiert und hielt mir eine Hand an mein Herz.

"Die Andren sin nich da.", nuschelte Lorenzo mit vollem Mund. Er kaute ein paar mal, bis er erneut von einem Stück Pizza in seiner Hand abbiss.

"Und wo sind die Anderen?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Zum Glück hatte ich schon etwas gegessen, sonst würde mir jetzt das Wasser im Mund zusammen laufen.

"Doppeldate.", sagte Enzo gleichgültig und schlurfte wieder zurück in unser Wohnzimmer. "Hab ja eigentlich gehofft, du wärst zu Hause und wir könnten noch zu so ner Party. Jetzt Bock?", fragte er mich mit hoffnungsvollem Blick. Ich hingegen schüttelte meinen Kopf worauf er genervt aufstöhnte. "Langweiler.", stieß Lorenzo noch unter seinen Atem, ehe ich nach oben in mein Zimmer ging.

Ich schmiss mich auf mein Bett und zog dabei schnell mein Handy nach draußen. Die einzigen Neuigkeiten waren, irgendwelche Nachrichten in irgendwelchen Whats-App Gruppen. Also steckte ich mein Handy wieder ein und entschied duschen zu gehen. Das heiße Wasser und der Geruch meines Duschgels ließen meinen Kopf freiwerden. Oder auch doch nicht ganz so frei, denn ein was fragte ich mich immer noch: Warum hatte sich Melissas Hand in meiner so schön angefühlt und warum passte sie so perfekt in meine? Ich habe schon oft mit Mädchen Händchen gehalten. Zum Beispiel wenn ich sie aus dem Club gezogen habe. Aber das von heute war irgendwie anders gewesen.

"Alter ich geh jetzt nochmal raus. Willst du mit?", fragte Enzo, welcher mich mit seinem Türgetrommel aus den Gedanken riss.

"Nein mann, wie oft denn noch!", sagte ich etwas verärgert und stellte das Wasser ab. Ich war eh fertig mit duschen. Schnell schnappte ich mir ein großes Handtuch und band es mir im die Hüfte.

"Dann bist du jetzt allein.", rief er noch, ehe ich kurz darauf die Haustür ins Schloss fallen hörte. Obwohl er es nicht sah, zuckte ich mit den Schultern, ehe ich meine Haare etwas anföhnte.

Als dies getan war schlenderte ich zurück in mein Zimmer, schaltete meine Musikboxen ein und machte das neue Album von den Arctic Monkeys an. Ich suchte mir eine frische Boxershorts aus meinem Schrank, zog sie an und schmiss mich erneut auf mein Bett. Mit meinem MacBook suchte ich auf Netflix nach meiner Lieblingsserie und startete eine neue Folge. Doch ziemlich schnell bemerkte ich, wie stickig es durch die Wärme und vor allem durch den Duschgeruch es in meinem Zimmer geworden ist. Also ging ich ans Fenster um dies zu öffnen, jedoch hielt ich in meiner Bewegung inne, nachdem ich das Fenster geöffnet hatte.

Auf einem kleinen Balkon saß Melissa und laß konzentriert in ihrem Buch. Ich stützte meine Arme auf dem Fensterbrett ab und beobachtete sie kurz. Sie strahlte irgendwie eine gewisse Ruhe aus. Kurz überlegte ich, mich einfach wieder auf mein Bett zu legen und die Serie weiter zu gucken, doch ich tat etwas anderes. Ich piff einmal kräftig wodurch Melissa zusammenzuckte. Sie drehte ihren Kopf zu mir und ihre Augen weiteten sich. Ich sah an mir selbst herunter und bemerkte, dass ich nur oberkörperfrei dastand. Mich störte es wenig, als ich wieder grinsend zu ihr sah. Ich zwinkerte ihr kurz zu, ehe ich mein Fenster wieder schloss und die Vorhänge zuzog.

Strange Neighbour Where stories live. Discover now