27. Filme und Football

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P.O.V Melissa

Seine Gesichtszüge wirkten wieder so perfekt in der untergehenden Sonne. Kein Wunder, dass ihm die Mädchen alle hinterher laufen. Noch dazu hatte Lance scheinbar ein goldenes Herz, denn wer würde es sonst mit ansehen wie ein dummes Mädchen sich die Arme aufschlitzt und dann nur noch heult? Und vor Allem, dann auch noch so zu tun als wäre nichts gewesen. Das war nämlich ein Punkt denn ich bei meinen Eltern gehasst habe. Seitdem sie davon erfahren hatten, sahen sie mich immer mit so einem mitleidigem Blick an. Aber ich wollte in so einem Moment niemanden sehen der mir noch mehr vermittelt wie erbärmlich ich doch bin. Man braucht in solchen Momenten jemanden der einen aufheitert.

"Wir sind da.", sagte Lance und musterte mich dezent lächelnd. Schnell wand ich meinen Blick ab, denn ich starrte ihn immer noch an. Eigentlich wollte ich es garnicht, doch als ich so in Gedanken war bemerkte ich nicht, wie meine Augen auf ihm ruhen blieben. "Ist alles ok?", fragte er vorsichtig und drehte sich im Sitz weiter zu mir.

"Jaja, alles ok.", sagte ich und nahm allen Mut zusammen um ihm wieder in die Augen zu sehen. Unsere Blicke trafen sich. Seine tiefblauen Augen schienen alles und gleichzeitig auch nichts über ihn preiszugeben. Mein Körper war wie gelähmt. Ich konnte mich keinen Zentimeter mehr bewegen. Selbst meine Atmung wurde flacher.

"Wir sollten rein gehen.", sagte Lance mit einer belegten Stimme, sodass er sich erstmal räuspern musste. Direkt danach öffnete er seine Tür und stieg aus. Ich tat es ihm gleich und folgte ihm ins Haus. Die Anderen waren bereits da und hockten entweder in der Küche oder auf dem Sofa.

"Ich hab den Film der große Gatsby rausgesucht. Ist das für dich ok?", fragte mich Prudence und kam gerade mit mehreren Schüsseln Nachos aus der Küche. Sie stellte die Schüsseln auf den kleinen Tisch vor dem riesigen Sofa, wo schon ein paar Soßen dafür standen.

"Ja klar.", sagte ich und setzte mich in eine Ecke des Sofas. Ich zog meine Beine an und stütze meinen Kopf auf die Knie. Egal wie komisch es wahrscheinlich aussah, es war verdammt gemütlich. Lance nahm neben mir platz und griff nach einer Schüssel. Doch bevor er sich überhaupt einen der Nachos nahm, hielt er sie mir hin.

"Willst du auch welche?", fragte er, wobei er mich von der Seite aus beobachtete. Ich schüttelte kurz den Kopf, zu ängstlich ihm wieder in die Augen zu sehen.

"Trotzdem danke.", erwiderte ich darauf. Es war wirklich nett von Lance auch an mich zu denken, doch ich hatte keinen Hunger. Der Film startete und sofort hatte ich das Gefühl, nichtmehr in einer Gruppe von Leuten zu sitzen. Filme zu schauen war eines meiner größten Hobbys.

P.O.V Lance

Genervt und gestresst kam ich von der Schule nach Hause. Donnerstag war wirklich mein längster Schultag. Von früh morgens bis in den späten Nachmittag.  Immerhin gab es heute etwas auf das ich mich freuen konnte. Heute Abend lief ein Spiel der Seattle Seahawks im Fernsehen, welches ich natürlich nicht verpassen wollte. Sie spielten gegen die Atlanta Falcons, eine andere sehr gute Mannschaft, also würde das Spiel sehr wahrscheinlich verdammt spannend werden.

"Schaust du heute Abend mit?", fragte ich Mailo, welcher mit meiner Schwester gerade auf dem Sofa saß. Das war das Einzige, bei dem sich Mailo und ich verstanden. Football.

"Klar, so ein Spiel lass ich mir doch nicht entgehen.", antwortete er, worauf wir miteinander einschlugen. Prudence hingegen sah uns misstrauisch an.

"Seid ihr jetzt best Friends oder wie?", hinterfragte sie mit erhobenen Augenbrauen. Naja, ihre Zweifel waren ja nicht ganz unbegründet. Sonst konnte ich Mailo ja auch nicht ausstehen, aber wie gesagt wenn es um Football ging, verstanden wir uns blendend. "Außerdem wollte ich heute schon ein bisschen eher schlafen. Ich bin nämlich hundemüde.", fügte Prudence noch hinzu und schien ihren Freund mit großen, feuchten Augen davon zu überzeugen, dass er sich das Spiel nicht ansah.

"Dann komm ich halt später nach.", sagte Mailo und bei Prudence's Blick musste ich mir echt das Lachen verkneifen. Selbst sie musste wohl gemerkt haben, dass sie gegen Football nicht ankam. Beleidigt rutschte sie etwas von ihrem Freund weg und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ich konnte noch irgend etwas wie 'Scheiß Football' von ihr vernehmen, bevor mein Handy einen Ton von sich gab. Zwar schien vor mir jetzt der Streit des Jahrhunderts auszubrechen, doch mich interessierte nur die Nachricht.

Melissa: Kannst du mal kommen?

Ich steckte mein Handy sofort wieder ein, während mit tausend Gedanken im Kopf herum schwirrten. Was ist, wenn sie wieder blutend am Boden liegt? Was ist, wenn sie gerade kurz davor ist, wieder sowas zu tun?

Ehe mich das alles noch verrückt machen konnte, ging ich in mit schnellen Schritten zu dem Nachbarhaus und klingelte. Dieses Mal war die Haustür verschlossen und ihre Mum öffnete mir die Tür.

"Hallo.", sagte sie leicht verwirrt, lächelte aber freundlich. Sie trug eine Kochschürze und hatte in der einen Hand ein Telefon.

"Könnte ich zu ihrer Tochter?", kam ich gleich auf den Punkt und erwiderte ihr Lächeln, einfach um meine leichte Panik zu verdecken. Ihre Mum machte mir Platz, sodass ich nach oben konnte und hielt sich das Telefon wieder ans Ohr. So schnell ich konnte lief ich die Treppe nach oben, nachdem sie im Wohnzimmer verschwunden war. Nach einem kurzen Klopfen öffnete ich die Tür von Melissa's Zimmer. Zum Glück sah ich nirgendwo Blut, doch Melissa saß weinend auf ihrem Bett. Ihr tränenüberströmtes Gesicht blickte zu mir und ich versuchte sie irgendwie anzulächeln. In Wirklichkeit aber schmerzte es sie so zu sehen.

"Du bist ja wirklich gekommen.", sagte sie überrascht. Etwas überfordert was ich jetzt machen sollte, setzte ich mich neben sie auf ihr Bett. Die Matratze gab etwas unter meinem Gewicht nach.

"Ich hab doch versprochen, dass ich für dich da bin wenn jemanden brauchst.", sagte ich und strich ihr sanft über eine nasse Wange, um ihre Tränen zu trocknen. Stattdessen aber fing Melissa wieder an zu weinen. Ein starker Schluchzer entfuhr ihr und brach mir damit fast mein Herz.

"Bitte... halte mich einfach so... so wie das letzte Mal.", hauchte sie unter Tränen und schmiegte sich ganz vorsichtig an mich. Ich legte meine Arme um sie und strich wieder sanft über ihren Rücken. Mein Herz begann wieder etwas zu rasen und schien mir aus meiner Brust springen zu wollen. Melissa flüsterte noch irgendwas so leise an meine Brust, dass ich es nicht verstand. Unsicher, ob ich es wirklich machen sollte, drückte ich ihr einen kleine zarten Kuss auf den Scheitel, ehe ich mein Kinn genau auf diese Stelle legte, zum Fenster hinaussah und wartete, bis sich Melissa beruhigt hatte.

Strange Neighbour Where stories live. Discover now