#198 [Mrs. Park]

537 40 24
                                    

"Wie auch immer.. Erzählt uns doch mal, wie ihr euch kennengelernt habt." wechselt Mrs. Jeon jetzt das Thema.

---

Mittlerweile ist es so stickig in der Wohnung, dass Jin alle Fenster und die Balkontür geöffnet hat. Jeder ist ein bisschen angetrunken, aber noch bei Verstand.

Tatsächlich weiß ich nicht, was vorgefallen ist, aber Jin hat mir erklärt, dass er seit eines bestimmtes 'Vorfalls' genau kontrolliert, was wo und wieviel getrunken wird. Er wollte mir aber nicht sagen, wobei es sich um den 'Vorfall' handelt.

Jedenfalls ist Mrs. Min ziemlich schnell auf den Balkon geflüchtet, als dieser geöffnet wurde. Es interessiert auch irgendwie niemanden, dass sie dort die ganze Zeit allein steht. Mit der Ausrede, dass ich ein wenig frische Luft schnappen gehe, geselle ich mich zu ihr auf den Balkon.

Vom Balkon aus kann man in einen kleinen Park auf einer Straßeninsel sehen. Anscheinends hat Mrs. Min dort die ganze Zeit hingestarrt.

"Warum sind Sie überhaupt auf die Feier gekommen, wenn Sie Ihren Sohn immer nur anmotzen und sich dann zurückziehen?" frage ich ruhig, aber interessiert.

"Ich wüsste nicht, was Sie das angeht." gibt sie leicht säuerlich, aber energielos und murmelnd zurück.

"Ich bin selbst Mutter von zwei Söhnen. Ich weiß, wie anstrengend es sein kann, Jungs großzuziehen. Sie wollen mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass Sie wirklich so arrogant und herzlos sind, wie Sie sich geben?"

Mit etwas Verzögerung seufzt die braunhaarige Frau und lässt den Kopf sinken.

"Ich habe schon lange alles verloren, was ich liebe. Meine Familie, meinen Mann, meine Söhne. Alles.. Und das nur, weil ich so eine zickige Art habe. Warum sollte jemand versuchen, mich zu verstehen?" fragt sie leicht verzweifelt und versteckt ihren Kopf in ihren Armen, die auf dem Gelände liegen.

"Ich versuche, Sie zu verstehen, weil ich weiß, dass es einen Grund für Ihr Verhalten gibt. Wollen Sie mir nicht einfach davon erzählen?"

Mrs. Min sieht mich kurz an und richtet sich dann wieder auf.

"Aber nur, weil ich eh schon angetrunken bin." spuckt sie aus und schaut wieder zum Park.

Ich lache kurz und nicke dann.

"Okay!"

"Ich.." fängt die Frau schüchtern an.

"Ich war schon immer sehr schwach und schüchtern, aber das weiß niemand so richtig.. Vielleicht mein Mann, aber sonst niemand. Allerdings habe ich mit meiner zurückhaltenden Art alles und jeden verloren. Nicht, weil ich 'zu nett' oder 'zu zurückhaltend' war, sondern weil ich die Chancen verpasst habe und sich die Leute dann jemanden besseres gesucht haben, wissen Sie? Und seitdem habe ich mir meine heerschsüchtige Art angewöhnt. Vor allem meine Familie musste darunter leiden. Ich kann einfach keine Liebe zeigen. Mein Mann bleibt momentan auch nur bei mir, weil er Angst davor hat, dass ich ihn zerfetze, wenn er geht."

Sie lacht leicht und schaut zu ihrem Mann, ehe sie zurückschaut.

"Und Yoongi war immer in seinem Rap vertieft.. Ich habe es nicht verstanden. Also, wie jemand so eine starke Leidenschaft entwickeln kann. Ich konnte es einfach nicht verstehen und deswegen habe ich angefangen, Rap zu hassen. Da ich auch Angst hatte, dass er die Schule deswegen vernachlässigen würde, habe ich wirklich versucht, ihm das zu verbieten. Ich habe ihn sogar mit seinem Bruder verglichen, da dieser unter meiner Kontrolle ein super Anwalt geworden ist und mittlerweile in Amerika lebt, aber-... Alles blieb ohne Erfolg."

Sie seufzt kurz schmerzhaft auf und erzählt dann weiter.

"Vielleicht habe ich einen falschen Eindruck auf ihn gemacht, aber ich konnte nie zeigen, dass ich mich in Wahrheit nur um ihn gesorgt habe. Meine Worte, meine Verbote und alles weitere kam immer so böse rüber, dass er es falsch aufgenommen hat und vielleicht bin ich ja daran Schuld, dass er für einen Hungerlohn schuften muss. Als er mir sagte, dass er ausziehen will,.. wissen Sie, wie schmerzhaft das war? Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Ich wollte ihn bei mir behalten, damit ich wenigsten ein bisschen das Gefühl habe, dass wir wirklich eine Familie sind. Dass ich eine Familie habe.... Aber er ist einfach ausgezogen und hat mich zurückgelassen.. Mit all meiner Reue..."

Sie schaut nun auf ihre Hände, die sie zu Fäusten geballt hat und welche auf dem Gelände des Balkons liegen.

"Ich habe alles kaputt gemacht! Und ich bin gekommen, weil ich meinen Jungen vermisst habe. Ich wollte ihn ein letztes Mal sehen.. Ein letztes Mal, bevor er mich, wie sein Bruder es auch getan hatte, für immer aus seinem Leben streicht.. Mein Mann kommt scheinbar ganz gut mit ihm zurecht. Er wird mit meinem Sohn in Kontakt bleiben und wahrscheinlich scheidet er sich bald von mir. Dann bleibe ich ganz allein in meiner tristen Wohnung zurück, so, wie ich es scheinbar auch verdient habe. Ich mein, sehen Sie sich ihn an. Er sieht die anderen Frauen doch förmlich so an, als würde er sie gerne näher kennenlernen wollen.. Ich habe eben einfach alles kaputt gemacht."

Ich bin geschockt über die Sachen, die ich erfahren habe.

Selbst eine selbstsüchtig wirkende Person kann solche Gefühle in sich verstecken..

Ich möchte gerade tröstend meine Hand auf ihren Rücken legen, als sie verächtlich Luft ausstößt.

"Haben Sie wirklich gedacht, dass ich jetzt so etwas sagen würde?"

Sie schaut mich mit herabwürdigendem Blick an und grinst.

"Dann sind Sie wirklich dämlich."

"Ihr Mann liebt Sie." fange ich an.

"Ihr Mann liebt Sie offensichtlich und deswegen ist er noch bei Ihnen. Er weiß, dass Sie noch diese weiche Seite in sich tragen und er bleibt nur deswegen bei Ihnen. Wenn er sich scheiden lassen wollen würde, dann wäre er auch schon längst ausgezogen. Er bleibt aber, weil er Sie liebt und weiß, dass Sie noch diese Person sind, in die er sich verliebt hat. Sie bilden sich das nur ein, dass er Mrs. Jeon und Mrs. Kim in solch einem Wege näher kennenlernen will. Tatsächlich habe ich bisher den Eindruck, dass er einfach neue Freunde sucht. Nicht nur für sich, sondern auch für Sie. Wahrscheinlich, damit Sie wieder mal entspannen können und Spaß haben können. Und ich bin mir sicher, dass wenn Yoongi ihrem Mann vergeben hat, dass er auch Ihnen vergeben wird. Was mit Ihrem anderen Sohn passiert ist, ist traurig, aber gerade deswegen müssen Sie sich nun aus ihrer harten Schale trauen und es Yoongi beichten. Irgendwann wird er Ihnen bestimmt vergeben können. Sie hatten bisher Unglück, aber Sie können das Unglück wenden, wenn Sie sich trauen würden, ihre Maske wieder abzulegen."

Ich lächel Mrs. Min an und in diesem Moment laufen ihr Tränen über die Wangen. Sie fängt plötzlich an, zu weinen und hält sich heftig schluchzend am Gelände fest.

Wahrscheinlich hat noch nie jemand ihre weiche Seite erkannt oder versucht, diese zu erkennen. Wenn er sie doch gesehen hat, dann hat er spätestens aufgegeben, als sie mit dem 'hast du es wirklich geglaubt?' anfing.

Jetzt, wo ich ihr allerdings näher getreten bin, habe ich die Schale durchbrochen.

Ich gehe tröstend auf sie zu, weshalb sie sich zitternd an mich drückt und sich an meiner Schulter ausweint.

---

Noch am selben Abend hole ich Yoongi zu ihr auf den Balkon, damit sie sich aussprechen können. Zur Unterstützung bin ich dabei, aber wie ich erwartet habe, ist das alles für den Anfang zu viel für Yoongi. Er blockt ab und flüchtet überfordert, woraufhin ich Mrs. Min jedoch versichere, dass er nur Zeit braucht.

Da es auch schon abends ist, verabschieden wir uns alle nacheinander. Die Jungs haben keine Kapazität, um uns bei sich übernachten zu lassen, weshalb zumindest ich, mein Mann und Jihyun uns zwei Hotelzimmer gemietet haben. Wie es bei den anderen aussieht, weiß ich natürlich nicht, bis ich realisiere, dass Mrs. Jeon sich ebenfalls ein Zimmer in unseren Hotel gemietet hat.

Durch sie erfahren wir auch, dass die anderen Eltern sich anscheinend auch ein Hotelzimmer gemietet haben; jedoch in anderen Hotels. Letztendlich verabschieden wir uns und betreten unsere Zimmer.

Ich denke, nach diesem Treffen haben wir gelernt, dass die Freunde unserer Söhne alle vollkommen okay sind und das auch die Eltern alle zumindest eine nette Seite haben.

Allerdings würde ich Namjoons und Jins Eltern auch irgendwann gerne mal kennenlernen, denn die hatten heute ja leider keine Zeit.

Text me my friend *YoonMin*Where stories live. Discover now