40.

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Ich stand an der Wand und lauschte ihren Worten. Sitzen wollte ich nicht. War dafür gerade zu nervös um stillsitzen zu können. Sie erzählte mir von ihren Eltern, wie schlimm es war. Was sie durchmachen musste und wie viel Leid sie erfahren hat. Sie versuchte sich so kurz wie möglich zu halten, wegen der Zeit.

Drei Selbstmordversuche. Alle überlebt, dank Connor. Und ihr Vater ist schuld an ihrer Blindheit. Sie hat Säure ins Gesicht bekommen. Und nur, weil sie ihn immer ein Blick an sich hatte, den er  nicht ertragen konnte. Er tat es natürlich als Unfall ab. Und tatsächlich war sie schon früh erblindet. Mit vierzehn. Nach einem Jahrzehnt gewöhnt man sich wohl dran.
Connor war in ihrer Gegenwart etwas nervös, unsicher und sehr nachdenklich. Das Gegenteil von dem was ich kannte.
Ich wollte etwas beruhigend wirken und kniete mich zwischen seine Beine. Ich umarmte ihn und legte meinen Kopf gegen seinenBauch. Er war erst verwirrt. Dann fand er die Gestik toll und streichelte mir den Kopf.
Ich schaute dann hoch. Ein unschuldiger und liebevoller Blick, der ihm viel ruhe brachte. Natürlich bekam Sicilia dies mit. Sie hatte ein sehr gutes gehör.

"Sie ist bei dir ... versucht sie dich etwas zu beruhigen? Sie scheint deine Art bemerkt zu haben. Ich weiß bis heute nicht was ich falsch mache, dass du dich bei mir unwohl fühlst." Verdammt. Das wollte ich eigentlich nicht damit bezwecken. Ich wollte sofort wieder aufstehen und mich rechtfertigen, aber Connor hielt mich ab.

"Nein. Du machst nichts falsch. Ich habe einfach immer nur Angst, dass ich was falsches sage oder tu. Etwas, was dich verletzen, oder gar in Gefahr bringen könnte. Du bist ... Ich  meine ..."

"Instabil? Ja ... ein bisschen. Gefühle können schon gemein sein. Deswegen wäre es gut, wenn man mich gehen lassen würde. Es wäre für so viele, so viel einfacher."

"Sag das nicht! ... bitte ..." dann war mir das etwas peinlich, dass ich sie so anschrie.

"Ach liebes ... wenn du ..."

"Ich weiß wie es ist, ein nichts zu sein. Du musst mir nicht versuchen zu erzählen wie schwer das Leben ist! Ich bin aus einer Familie, wo das Leben nichts wert ist. Der Mensch nur ein Abfallprodukt." Sie schwieg. Aber nur kurz.

"Ich höre viel Leid. Du scheinst wirklich innerlich zu bluten." Das hat sie richtig erkannt. Mir muss niemand erklären, wie grausam das Leben sein kann. Das habe ich selbst erlebt. Zum Glück konnte msn mich retten.

Ich erzählte ihr von meinem Vater, was er versuchte. Die Männer, die mich anfassen durften und wie allein ich durch den Ruf meines Vaters war. So das sie sich auch ein Bild machen konnte. Leider war dann die Zeit vorbei. Der Pfleger ließ uns schon zehn Minuten überziehen, länger konnte er nicht, sonst gäbe es Ärger. Aber in den fünfundzwanzig Minuten haben wir viel voneinander erfahren.

"Es war wieder kurz, aber dennoch schön,  dass ihr da wart. Passt aufeinander auf. Und grüße meinen lieben Jack von mir." Dann verschwand ihr Lächeln.

"Connor ... schütze ihre Seele." Er nahm ihre Hand  die sie ihm entgegenstreckte. Er gab ihr einen kleinen Stirnenkuss. Ich konnte kurz eine Träne erkennen, die ihr über die Wange rollte. Es war so traurig. Es tat mir so umfassbar leid, dass selbst ich kurz vorm Weinen war. Ich war aber auch dankbar, dass es bei mir nicht so weit kam. Dass ich nie so gebrochen wurde. Vielleicht, weil mir irgendwann alles egal war. Dann ist es einfacher alles zu ertragen. Aber das musste ich nicht mehr. Ich hatte Connor und Jack.

Draußen hielt ich es nicht mehr aus. Ich brach doch in Tränen aus. Ich fiel Connor um den Hals. Ich war so durcheinander. Traurig und Glücklich zu gleich.

"Ich ... es tut mir so leid. Ich versteh es nicht ... Warum ist das passiert? Ich meine ... was können Menschen ..." Ich wusste ehrlich gesagt nicht was ich da alles faselte, aber er stoppte mich.

"Nein. Sag nichts. Wir sollten fahren. Und uns beide etwas beruhigen." Wie erstarrt blickte ich ihn an. Er zog mich zum Auto. Keine Fahrt, war so ruhig wie diese.

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Wir wollten eigentlich noch reden, aber schafften es nicht wirklich. Deswegen ging er ins Bett. Ich blieb noch eine Weile auf der Couch sitzen. Es war so viel, was in den letzten Stunden passierte, dass ich nicht wusste, wo mir der Kopf steht.
Ich überlegte dann kurz nach acht hoch zu gehen.

"Connor?" Sprach ich ihn leise an. Wenn er wirklich schläft, dann würde ihn eh nichts so schnell wecken. Aber tatsächlich tat er dies nicht. Er legte den Arm auf mein Kissen und schlug die Decke zu Seite. Er lud mich Wortlos ein, zu ihn ins Bett zu kommen. Das tat ich dann ohne viel zu überlegen.

"Ich liebe dich." Flüsterte er. Es war so selten, dass er es so locker von sich aus sagte. Ich drückte mich vor Freude an ihn. Kuschelte mich neben ihn ein. Obwohl wir nicht mehr geredet haben, war es plötzlich so entspannt und alles schien vergessen. Mein Kopf war merkwürdigerweise frei. Ich hatte nur seinen Duft in der Nase. Seine Worte im Kopf und seine Wärme auf meiner Haut. Mehr brauchte ich in diesem Moment nicht. Und obwohl ich noch nicht ganz müde war, schliefen wir so ein. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Wir genossen einfach uns. Die Zweisamkeit.

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Connor drückte mich fest an sich. Panik und ein Zittern durchdrang meinen Körper. Ich fühlte mich ausgelaugt. Mein Körper brannte. Mein Kopf brummte.

"Beruhige dich bitte endlich!" Es klang diesmal nicht wie sonst. Er schien auch vollkommen fertig, sogar leicht verängstigt. Es muss heftig gewesen sein. Meine Alpträume waren wohl schlimmer den jeh. Und selbst er konnte mich nicht davor bewahren.

"Es tut mir leid." Entschuldigte ich mich. Meine Stimme krächzte. Mein Hals tat weh und war wie zugeschnürrt.

"Bitte. Nicht." Er schien keine Kraft mehr zu haben. Flehte förmlich vor Angst. Aber wovor? Vielleicht war er einfach auch noch von gestern mitgenommen.
Als ich mich aber langsam beruhigte, sah ich hoch und bemerkte, dass er Blut an der Nase hatte. War ich das?

Perfect Love - Inneres Verlangen! (Unbearbeitet)Where stories live. Discover now