LXXXIII | Spiegelscherben

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Mit der Zunge befeuchte ich nervös meine Unterlippe und lasse die Hände, die eben noch an meinem Gürtel lagen, sinken. „Tut mir leid." „Ich finde nicht, dass du dich entschuldigen musst." Mischt sich nun auch Cherry ein, und sieht trotzig zwischen Elijah und Vici hin und her. „O'Byrne hat doch recht. Kathys Geschichte, Kathys Recht es auch ohne uns zu erforschen. Punkt." Die Rothaarige macht einige Schritte auf mich zu und streckt ihre Hand nach mir aus. „Ich bin auf deiner Seite, Schwester."
Lächelnd nehme ich ihre Hand und erwidere den leichten Druck. „Danke, Cherry."

Aufmunternd nickt sie und lässt sich an meine Seite ziehen, sodass wir nun zu dritt, zusammen mit Elijah, der immer noch rechts neben mir steht, Victorie und Steve gegenüber stehen.

„Wir stehen alle auf derselben Seite, Leute", versucht Steve die Situation ein wenig zu deeskalieren, denn auch er scheint Victories verengte Augen bemerkt zu haben. „Wir alle hassen Baltasa, oder nicht?"
Cherry hebt, wohl um einen Witz zu machen, die Hand. „Ich kenne ihn nicht mal."

„Nimm deine Hand runter, Hexe." Zischt Victorie da plötzlich. Normalerweise würde ich es als eine ihrer üblichen Gemeinheiten abstempeln, aber irgendetwas in ihrem Ton lässt mich stocken. Sie klingt nicht zickig oder mürrisch wie sonst, sondern ernsthaft beunruhigt. „Hörst du das auch, Elijah?"

Etwas besorgt sehe ich zu meinem Partner auf, dessen Blick glasig geworden ist, als würde er sich gerade intensiv auf einen seiner anderen Sinne konzentrieren. „Ja. Wie viele denkst du, sind es?"

Victorie sieht aus, als würde sie etwas gegeneinander abwägen. „Vier, es könnten aber auch mehr sein." „Wovon redet ihr bitte?" Ausnahmsweise scheint Steve genauso ahnungslos zu sein, wie Cherry und ich. Verwirrt sieht er zwischen den beiden Vampiren hin und her. Elijah hebt die Hand, als Zeichen, dass wir still sein sollen. „Gerade sind mindestens Vier Reiter auf das Gelände des Anwesens gekommen." Erklärt er leise, kneift dann die Augen zusammen und hört noch einmal genauer hin. „Ich hab sie irgendwie verloren. Hörst du sie noch?"
Victorie schüttelt bedauernd den Kopf, ihre angespannte Haltung löst sich kein bisschen. „Nein, sie sind weg von meinem Radar."

Mein Partner seufzt. „Es könnte ja auch sein, dass es die Nachbarn waren, die nur mal nach dem Rechten sehen woll-", er bricht ab, spitzt die Ohren und plötzlich: „RUNTER!"

Ich zucke zusammen, als seine Hand sich gegen meinen Hinterkopf drückt und mich unsanft auf den harten Boden befördert. Meine Stirn schlägt gegen die Dielen und für einige Sekunden wird mir kurz schwarz vor Augen. Neben mir höre ich Cherry aufschlagen, und auch die anderen werfen sich flach auf den Boden. Es dauert nur Sekunden, bis wir alle, eng aneinander, auf dem staubigen Teppich liegen und dann passiert es auch schon. Die Scheibe eines Fensters zerspringt, als etwas durch sie hindurch schießt und sich dort in die Wand bohrt, wo bis eben noch Elijah stand. Alarmiert ziehe ich die Luft ein und presse mich so flach gegen den Boden wie es geht.

„Was war das?" Höre ich Cherry in mein Ohr wispern. Ich habe keine Antwort, schließe die Augen, gerade rechtzeitig, bevor das nächste Surren ertönt und erneut ein Fenster zerspringt.

„Armbrust." Höre ich Victorie schließen und ein zustimmendes Brummen von meinem Partner. „Denkst du die dunkle Garde?"

„Könnte sein."

„Könntet ihr uns bitte mal aufklären?" Faucht Steve, der sich etwas auf die Unterarme hochgestemmt hat und den Bolzen fixiert, der in der Wand steckt. Der zweite ist etwas weiter entfernt im Boden stecken geblieben.
„Später." Zischt Elijah, packt mich am Nacken und drückt mich wieder runter. Ein Pfeil fliegt über uns hinweg und jetzt ist das komplette Fenster ruiniert. Anders gesagt: Sie haben leichtere Schussbahn.

„Wir müssen hier raus." Victorie klingt dringend. Sie zieht eines ihrer Beine an den Körper und greift in ihren Stiefel. „Pass auf die Babyhexe auf, Moonrose, Elijah und ich kümmern uns um die Typen und Steve gibt uns Rückendeckung." „Seit wann machst du hier den Schlachtplan?" Knurrt Elijah, unübersehbar ist er ziemlich genervt. „Seit die beiden Mädchen keine Kampferfahrungen haben, Steve kein guter Stratege ist und du, offensichtlich, persönlich von dieser Situation angegriffen bist. Seitdem mache ich den verdammten Plan, oder willst du jetzt diskutieren?" Victorie ist nun deutlich gereizt, streckt ihr Bein wieder aus und reicht Cherry eine lange, Messerartige Nadel. Ihre Haarnadel, fällt mir ein. „Das kannst du ganz gut gebrauchen, Babyhexe."

Time Travelling | Broken SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt