LXXXVII | Schneestürme

33 4 121
                                    

„Was war das denn jetzt?" Zum ersten Mal seit gefühlten Stunden erhebt Elijah seine Stimme wieder zu seiner normalen Sprechlautstärke. „Ein typischer Victorie-Anfall", kommentiert Steve locker, während er in der Chipstüte herum stochert. „Hat sie heute schon zwei Mal gehabt. Ist das ein neuer Rekord?" Grinsend drückt er sich noch einen Chip in den Mund. „Ich denke schon." „Sollte ihr nicht jemand nachgehen?" Fragt Cherry, die ihre Hand an ihre Lippen geführt hat, und auf ihren Nägeln herum kaut.
„Sie wird schon wieder. Spätestens übermorgen." Kichert Steve, verändert seine Position auf dem Sessel und sieht einige Sekunden noch auf die Tür, durch die Victorie gerade verschwunden ist.

Cherry, mit ihrem viel zu großem Herz, wirkt immer noch nicht ganz überzeugt. Unglücklich sieht sie zwischen uns her. „Ich werde ihr nachgehen. Niemand sollte so allein sein." „Victorie ist ein Vampir, wenn sie keine Lust auf dich hat, könnte sie dir ohne weiteres den Nacken brechen." Erklärt Elijah, klingt dabei schon fast etwas gelangweilt. Für ihn ist das ganze Alltag und mit Sicherheit kennt er Victories Gezicke auch schon etwas besser als wir. „Steve, wenn Cherry geht, solltest du mit ihr gehen. Ich traue der ganzen Sache nicht, Vici mit der Babyhexe allein zu lassen." „Warum muss ich denn da durch?" Steve wirft seinem besten Freund einen Blick zu, der fast so wirkt, als hätte Elijah ihm gerade eröffnet, dass er im nächsten Weltkrieg kämpfen müssen wird.

Leider kann ich Elijah nicht sehen, da er immer noch hinter mir sitzt und kann dadurch nicht Zeuge werden, von dem Todesblick den mein Partner auf Steve abfeuert. Aber er muss ziemlich heftig gewesen sein, denn der Hexer knüllt seine Tüte zusammen, schwingt sich hoch und winkt Cherry zu sich. „Dann komm. Gehen wir nach der Verrückten sehen." „Ich denke, sie kann dich hören, Steve." Wendet Cherry noch ein, bevor sie hinter Steve durch meine Zimmertür geht und sie hinter sich zuschlägt.

Ich schüttle den Kopf. „Hast du eine Ahnung, wieso sie so ausgetickt ist?" „Ich hab dir schon heute Morgen gesagt, dass sie momentan etwas emotional ist." Murmelt Elijah, während damit beginnt, meinen Rücken zu verbinden, damit die Salbe ordentlich einziehen kann. „London setzt ihr etwas zu."

„Nicht nur etwas." Ich hefte meinen Blick auf den Dolch, der in ein Tuch gewickelt auf der Kommode liegt. Victorie hat ihn gereinigt, aber auf dem weißen Stoff sind deutlich noch blutige Fingerabdrücke zu erkennen.

„Sie stammt von einem Ort, etwas außerhalb von London. Hier wurde sie als Hexe angeklagt." Fährt er leise fort, klemmt das Ende des Verbandes fest, richtet sich auf und setzt sich auf den Rand meiner Matratze. Ich folge seiner Bewegung und setze mich ebenfalls auf. Die unzähligen Verbände, die um meinen Körper gewickelt sind, engen mich ein. Vor allem die, an meinen Händen. „Das muss schrecklich für sie gewesen sein..."

Elijah nickt stumm, was mich dazu bringt, nach seiner Hand zu greifen. Selbst mit dem weißen Verband, der einige Male um meine Handfläche gewickelt ist, ist seine Hand noch immer sehr viel größer als meine. Meine Finger sehen aus, wie die einer Puppe...

„Erinnerst du dich an Fuz?" Will ich mit gesenkter Stimme wissen. Was ich ihm jetzt erzähle, muss Victorie, ein paar Türen weiter, nicht unbedingt mitbekommen. Aus den Augenwinkeln schielt er mich an. „Ja, wieso?"

Ich hole tief Luft. „Er war doch auch im Haus. Und er war da, weil Morgana ihn geschickt hat, sie hat ihn für ihre Zwecke missbraucht, indem sie in seinen Kopf eingedrungen ist und ihm eine Nachricht übermittelt hat, die er mir überbringen sollte, das arme Ding war völlig aus dem Häuschen. Morgana will mich sehen, morgen, auf Taetnire. Fuz hat gesagt, es wäre eine große Gefahr, vor der sie mich beschützen wollen würde." „Das hast du alles, trotz seiner wirren Art zu sprechen, verstanden?" Schmunzelt Elijah. Ich verdrehe die Augen und nicke. „Ja. Was sagst du dazu?"

Eine Weile schweigt er, sieht auf unsere Hände, die ineinander verschränkt auf dem Bettlaken liegen, bis er aufsieht. „Morgana wollte dir noch nie etwas böses, oder etwa doch? Sie hat dich die ganze Zeit nur gewarnt und sie war die erste, die von der Dunkelheit in den Uhren gesprochen hat." „Also vertraust du ihr?" Hake ich nach. „Nur weil sie gegen diese Dunkelheit ist, meint das nicht, dass sie auf unserer Seite steht." „Das stimmt", bestätigt mein Partner, übt leichten Druck auf meine Finger aus. „Aber ich denke, in dieser Sache stehen wir alle auf derselben Seite."

Time Travelling | Broken SoulsWhere stories live. Discover now