LXXIX | Moonrose Manor

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Düsternis umgibt das Anwesen, welches, je näher ich komme, immer einschüchternder zu sein scheint. Die Jahre, in denen Moonrose Manor nicht gepflegt wurde, haben ihm zugesetzt. Efeu und Unkraut haben das Kommando über den Garten und das Schmiedeeiserne Tor übernommen. Die Hecke, die früher einmal den Vorgarten vom hinteren Teil getrennt haben muss, hat sich mittlerweile ihren eigenen Weg erschlossen und wuchert teilweise an der Fassade des verlassenen Gebäudes hinauf. Die Farbe blättert ab und in ein paar Fensterrahmen fehlen die Scheiben.

Die Architektur ist eine seltsame Mischung aus der Viktorianischen Epoche und der Georgianischen, wirkt aber auf mich einfach beeindruckend. Durch die gesprungenen Fenster wehen weiße Vorhänge hinaus. Ich habe das Gefühl, irgendwas daran zieht mich magisch an, als würde es tonlos meinen Namen rufen.

Ich lasse mich von Caelvas Rücken gleiten und sehe an dem Tor hinauf, welches sich vor uns erhebt. Es versperrt uns den Weg, der zum Anwesen führt. Die Steinplatten sind gesprungen und zwischen den Rissen, kriecht Unkraut hervor.

Irgendjemand hat um das Tor eine Eisenkette geschlungen, die mit einem großen Vorhängeschloss gesichert ist. Kurz rüttle ich daran, obwohl ich eigentlich schon weiß, dass es nicht nachgeben wird. Aber wozu habe ich denn meinen Dolch dabei? Ob es wohl eine Straftat ist, wenn ich hier sozusagen Einbreche? Es gehört ja praktisch mir, also dürfte ich damit ja relativ alles machen dürfen, oder etwa nicht?

Kurzerhand ziehe ich die Kurzwaffe aus meinem Gürtel und stochere mit der Spitze im Schloss herum, bis es ein knacken gibt und es aufspringt. Die Kette löst sich danach einfach und triumphierend danke ich Valentin, stumm für dieses Geschenk. Dann war es mir also doch noch nützlich auf dieser Reise.

Das Tor schwingt mit einem unheimlichen quietschen auf, das mir alle Haare zu Berge stehen lässt. Dabei habe ich es nur ganz leicht abgestuppst. Als hätten unsichtbare Hände es für mich geöffnet. Das ist wie der Beginn von einem guten Horrorfilm... Vorsichtig greife ich nach den Zügeln Caelvas und mache den ersten Schritt über die Grenze des Anwesens. Mister O'Byrne hatte recht mit dem Pferd. Es gehorcht mir aufs Wort.

Der Wind pfeift durch die zerbrochenen Scheiben, so dass es klingt, als wäre irgendjemand im Haus und Musik spielen würde. Vorsichtig steige ich über einen besonders großen Ast hinweg, der mitten auf dem Weg liegt, und bei einem Gewitter von dem großen Baum angerissen sein muss, der am Rand des Gartens steht. Gleich neben einem verdorrten Rosenbusch. Es ist nur eine Pflanze und trotzdem habe ich das Gefühl, es bedeutet viel mehr.

Blütenblätter, die schon seit Monaten dort liegen müssen, bleiben an meinen Stiefeln kleben, als ich einige Schritte auf die Grasfläche mache um Caelva an der Veranda festzubinden. Mister Bauclerk würde sich wahrscheinlich sofort eine Harke, Heckenschere und was weiß ich noch alles schnappen, und sich daran machen, den Garten zu befreien. Denn laut ihm hat jedes Haus „Das Recht auf ein gepflegtes inneres und äußeres."

Nur ein leises Schnauben kommt von dem Tier, als ich die Zügel an dem Geländer festmache, sodass er nicht abhauen kann. Allerdings scheint es ihn nicht zu stören, denn Caelva fängt einfach an zu grasen. Wären doch nur alle meine Reisebegleiter so einfach wie er.

Es wirkt fast so, als würde das Haus mich bei meinen Bewegungen beobachten, aus seinen kaputten Fenstern heraus. Es starrt mich an, als ich wieder auf den Weg trete und Stufe für Stufe hinauf auf die Veranda steige. Das morsche Holz knarzt besorgniserregend und beugt sich unter meinem Gewicht durch. Ich gebe mir Mühe auf besonders feste Stellen zu treten, dort wo die Planken auf die Verschraubung treffen. Aber so richtig gelingen will es mir nicht. Ich meine einmal sogar das Splittern des Holzes unter mir hören zu können, aber das war sicher nur Einbildung.

Die Fenster neben der Eingangstür sind scheinbar die einzigen, die noch intakt sind. Was von Vorteil ist, denn so ist ein Einbruch schon mal nicht mehr ganz so einfach. Und alleine anhand des goldenen Türklopfers, in der Form eines Phönix, der sich selbst in den Schwanz beißt, gehe ich davon aus, dass im Manor noch mehr Schätze warten. Außerdem scheint dieses Stück ein äußerst raffinierter Witz über das Moonrose Feuer zu sein.

Time Travelling | Broken SoulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt