XCVI | Die Lügen des Allianzbeauftragten

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Ein wenig fühle ich mich sogar persönlich angegriffen davon, wo ich doch heute sowieso etwas aufgekratzt bin, und eigentlich Lust auf eine Auseinandersetzung habe. Andererseits will ich einfach nur nach Hause und möglichst schnell weg von Elijah. Außerdem muss ich wirklich dringend kontrollieren, ob alles mit Danny okay ist und Spencer wegen dem Vaterschaftstest fragen. Ich muss doch eigentlich das Recht darauf haben, einen machen zu dürfen und wenn er mein Vater ist, dann ist immer noch die Frage, ob er auch Dannys Vater ist. Oder ist Dad wirklich sein Vater und Valentin ist bloß meiner? Es ist einfach alles viel zu verwirrend, alles an sich viel zu viel auf einmal, das ich verarbeiten muss. Ich frage mich, wann ich wohl meinen ersten Burnout haben werde. Ich weiß, dass meine alte Lehrerin mal einen hatte, wegen weit weniger Stress, als ich ihn momentan habe. Wer muss schon von heute auf morgen damit klar kommen, dass die gesamte Identität, die man zu haben glaubte, aus einer Lüge entstand. Und aus einem Zauber, der mir meine Erinnerungen genommen hat.

Unwillkürlich huschen bei diesem Gedanken meine Augen hinüber zu Valentin, der auf seinem Platz sitzt und über dessen Kopf die mächtige Schnitzerei eines Leoparden thront. Er hat sich vorgebeugt und sich auf seinen Ellenbogen aufgestützt, während er mit den Fingern seiner linken Hand, durch seine braunen Haare fährt. Braune Haare...

Hat damit nicht alles angefangen? Mit der Tatsache, dass ich realisiert habe, dass ich Brünett bin. Nicht rothaarig wie Mom und nicht blond wie Dad. Brünett. Wie Valentin. Und braune Augen. Wie Valentin. Die gleichen, vollen Augenbrauen. Wie Valentin. Danny besitzt die gleiche, drahtige Statur. Wie Valentin.

In diesem Moment sieht der Selbige auf und mich direkt an. Mir ist noch nie aufgefallen, wie müde Valentins Gesichtszüge sind. Oder waren sie noch nie derartig müde? Als er bemerkt, dass ich ihn angesehen habe, beginnt er zu lächeln, das, aufgrund seiner abgespannten Züge, eher gezwungen wirkt. Vielleicht ist es das ja auch. Vielleicht möchte er mir nur das Gefühl von Zuversicht vermitteln, obwohl er gerade alles andere als das empfindet. Je länger ich mit diesem Gedanken spiele, desto wahrscheinlicher erscheint es mir.

Ich zwinge mich dazu, sein Lächeln zu erwidern, komme aber nicht umhin zu fragen, ob er es weiß. Weiß er überhaupt, dass er Kinder hat? Oder denkt er wirklich, wir sind Mikes Kinder? Und wenn er es weiß, weiß er, dass ich das auch weiß? Ich habe, wenn ich ehrlich mit mir selbst bin, keine Ahnung, ob ich Morgana wegen dieser Offenbarung dankbar sein soll, oder sie verfluchen sollte...

„Es wird alles okay."
Es sind nur vier Worte, die Valentin stumm mit den Lippen formt, doch trotzdem jagen sie mir einen Schauer über den Rücken. Alles okay... Diese Worte verlieren die Bedeutung, wenn man sie zu oft sagt. Elijah fragt mich ständig ob alles okay ist, Cherry auch und immer bejahe ich. Weil ich Ihnen keine Sorgen bereiten möchte, obwohl meistens das Gegenteil der Fall ist. Und ich denke, es wird mich kaputt machen. Eines schönen Tages. Morgana hatte recht. Meine Entscheidungen werde ich bereuen. Und damit hat sie wohl nicht nur die Entscheidung, welche Taten ich begehe gemeint, sondern auch jede meiner Äußerungen.

Ich nicke Valentin zu, während ich zum ersten Mal realisiere, wie dunkel die Augen meines, womöglich Vaters, eigentlich sind. Wie, als hätte jemand dunkle Kreise in das Weiß seiner Augen gemalt. Er weiß es... Er muss es wissen. Ansonsten hätte er das nicht sagen müssen. Auch wenn er mir immer seine Zuneigung und Unterstützung zugesprochen hat, so ist das etwas anderes. Das Lächeln noch länger zu halten jedoch will mir nicht gelingen, auch wenn ich es ihm gerne geben würde.

„Muss ich also wirklich", unterbricht Baltasa die stumme Unterhaltung zwischen dem Partner meiner Mutter und mir, während er auf seine Unterlagen sieht, „auf O'Byrnes Brief zurück greifen, Katharina?"

„Wenn du unbedingt willst." Zucke ich mit den Schultern. Ich kann ihm ja schlecht etwas verbieten. Außerdem hat er den Brief sowieso schon gelesen, also würde es mir nichts mehr bringen.

Time Travelling | Broken SoulsWhere stories live. Discover now