LXXII | Das Falkenriff

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„Das ist unsere Fähre?" Schockiert starrt Cherry zwischen mir, Silas und dem Etwas vor uns hin und her. Dieses Ding geht wirklich nur mit viel Vorstellungskraft als Boot durch. Eher ist es ein Haufen Rost der zusammengehalten wird von ein paar Schrauben. „Das kann nicht dein Ernst sein."

Ich hole tief Luft und sehe rüber zu Elijah, dessen Haare vom Hafenwind zerzaust werden und der gerade ein angeregtes Gespräch mit dem Eigentümer des Schiffchens führt. Der ist ein älterer, untersetzter Herr, mit Fischerkleidung und knallgelben Gummistiefeln. Außerdem scheint er sich vehement gegen Elijahs Geldangebote zu weigern.

Ich streiche mir eine wild herum flatternde Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus meinem Nackenknoten gelöst hat. Der Hafenwind, hier an der Süd-West Küste Großbritanniens ist rau. So rau, dass selbst Victorie das Gesicht verzieht. Steve hat uns mithilfe eines Portales hergebracht, uns allerdings nicht gewarnt, was für ein enormer Wetterwechsel uns bevorstehen würde. Der Hexer selbst steht mit missbilligender Miene am Rande des Piers und starrt in das trübe Wasser unter sich.

Silas, dem sein unsterbliches leben wohl doch ganz lieb zu sein scheint und der sich, sicherheitshalber, fern von Victorie hält, zuckt mit den Schultern. „Doch. Ihr könnt nicht auf die Insel teleportieren, also müsst ihr Schiff fahren. Damit kommt ihr unbemerkt rüber."

Cherry wirft dem Vampir einen Entnervten Blick zu. „Aber wir müssen doch gar nicht unbemerkt bleiben. Kathy hat einen offiziellen Termin!"

Silas, der wohl nie aus seiner Haut heraus kommt, zuckt nur gleichgültig mit den Schultern. „Ihr habt um meine Hilfe gebeten. Erwartest du von einem Schmuggler, dass er dich per Yacht einfahren lässt?" „Ich hätte da nichts gegen!" Murrt Cherry eingeschnappt, fühlt sich sichtlich unwohl in ihrem Aufwändigen Kleid hier am Hafen. Zugegeben, sie sieht wirklich affig aus, wie sie in dieser edlen Uniform hier am dreckigen Hafen steht, während um sie herum schwitzende Arbeiter vorbei laufen. Die müssen denken, wir sind komplette Freaks.

Auch ich bin ziemlich unsicher, was meine Erscheinung in diesem Umfeld angeht. Nur Victorie scheint sich wegen ihres Aussehens keine Sorgen zu machen. Ihre Uniform ist auch um so einiges handlicher, als Cherrys oder meine. Sie besteht lediglich aus einer Lederjacke, die hochgeschlossen und an den Schultern kunstvoll verziert ist, einer Ledernen Hose, die einfach so in Stiefel übergeht, und Lederhandschuhen. Die trägt sie jetzt nicht, sie hängen nutzlos an ihrem Waffengurt, der sich eng um ihre Taille schmiegt. Es beunruhigt mich zutiefst, dass ihr Waffengürtel über und über Bestückt ist. Aber ich rede mir ein, dass es nur ihre Art ist.

Elijah kommt, sichtlich unzufrieden, zu uns herüber. Er hat die Hände in den Taschen vergraben und Stiert wütend vor sich hin. „Dieser Ganove hat mir doch tatsächlich 150 Pfund abgeluchst."
Ich reiße ungläubig die Augen auf. „150? So viel?"
Elijah nickt und fixiert mit dem Blick Silas. „Ich habe gedacht, du hättest gute Kontakte?" „Hab ich doch." Spottet Silas, sich immer noch keiner Schuld bewusst. „Joseph ist der beste was unbemerktes Übersetzen angeht."

Erneut regt sich Cherry über Elijahs alten Freund auf. „Ich sagte doch, wir müssen nicht unbemerkt bleiben! Beim heiligen Hexenprozess, wieso hört nie jemand auf mich?"

Victorie holt, mal wieder, übertrieben laut Luft. Warum weiß ich dieses Mal wirklich nicht, aber ich schiebe es einfach auf Silas pure Anwesenheit. Steve, der sich endlich vom Anblick des trüben Wassers lösen konnte, kommt nun auch vom Pier zu uns hinüber. „Hier gibt es gar keine Fische!" Empört er sich und schiebt wie ein kleines Kind die Unterlippe vor. Hat er ernsthaft erwartet das Fische so dumm sind und sich direkt vorm Hafen tummeln?

„Du siehst gleich noch ganz andere Fische, Steve." Brummt Elijah, fährt sich einmal durch die blonden Haare und sieht über seine Schulter zu Joseph hinüber, der sich gerade daran macht, das Schiff- wenn es sich überhaupt so bezeichnen darf- zum Ablegen vorzubereiten. Beruhigend greife ich nach Elijahs Hand und sehe in die Runde meiner Freunde, und Silas. „Das wird schon werden. Wir kommen sicher drüben an und", ich stocke, als mir etwas klar wird. „Silas, Joseph weiß doch, wie man die Barriere passiert, oder?" „Pff, Natürlich! Er ist kein Anfänger." Winkt der junge Mann ab. Ich bin davon zwar nicht ganz so überzeugt, aber ich halte den Mund. Wieder treibt mir der scharfe Wind Haare ins Gesicht, die ich ungeduldig zurück an ihren Platz streiche. „Sollten wir los?"

Time Travelling | Broken SoulsWhere stories live. Discover now