LXVI | Ein Drachenei für zwei Tage

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Der Reißverschluss von Cherrys Koffer knackt besorgniserregend, als sie ihn gewaltsam zuzieht und mir bedeutet mich etwas weiter auf links zu drehen. Ich liege flach wie eine Flunder auf ihrem schwarzen Designerkoffer und versuche den Inhalt so gut es geht flach zu drücken, damit wir ihn überhaupt zu bekommen. Heute hat Madame Rosario Cherry nämlich wortlos, ein ziemlich dickes Paket in den Arm gedrückt und ist weiter gegangen. Ich habe geschätzt, es handelt sich um Cherrys Uniform und wir haben beschlossen, das Paket erst einmal mitzunehmen.

Erschöpft lässt meine beste Freundin sich auf den Boden plumpsen und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Oh, heiliger Hexenkessel, Steve muss mir unbedingt einen Schrumpfzauber beibringen."

Ich schüttle grinsend den Kopf und erhebe mich von dem schwarzen Ungetüm. Seit neustem benutzt Cherry immer eigenartige Hexenwörter um zu fluchen. Hexenkessel ist nur eins aus einer langen Reihe. Ich bin kurz froh, dass sie noch niemanden in der Schule verflucht hat. Auch wenn sie sich einmal gewünscht hat, eine Taube mit Durchfall, solle ihren Weg auf das Auto unseres Geschichtslehrers finden. Aber solange sie dafür keinen Spruch kennt, dürfte Mister Fikners vorerst sicher sein, vor wild gewordenen Vögeln.

Etwas Staub wirbelt von meiner Jeans auf, als ich sie abklopfe und meinen eigenen Rollkoffer näher ziehe. „Es würde um einiges einfacher sein, wenn du nicht fünf Hosen für knapp drei Tage einpacken würdest."

Cherry zuckt nur mit den Schultern und deutet auf den Koffer, als wäre er mit fünf Schlössern gesichert worden. „Es kann immer etwas passieren. Stell dir vor, wir gehen abends weg und ich habe kein passendes Outfit! Außerdem ist er jetzt sowieso schon zu."

Ich muss lachen, so bescheuert ist die Aussage meiner besten Freundin. Schon die ganze Woche lang kündigt Cherry an, dass wenn wir erst in London sind, wir unbedingt in diesen und jenen Club müssen. Spencer hatte schon die Befürchtung geäußert, dass wir es gar nicht auf die Insel schaffen, sondern das ganze Wochenende in irgendwelchen Clubs rumhängen werden. Womit er, wenn ich mir so Cherrys Pläne anhöre, nicht ganz so falsch liegen könnte.

„Wo bleiben unsere beiden Lieblingsspinner eigentlich?" „Sie kommen bestimmt gleich." Seufzend lasse ich mich auf das Sofa im Wohnzimmer fallen und schlinge meinen Fuß um meinen Koffer.

Steve und Elijah haben dreißig Minuten Verspätung. Elijah hat geschrieben, sie stünden im Stau. Welche Route haben sie genommen, dass sie in dieser gottverdammten Kleinstadt einen Stau finden? Es ist schon ein Wunder, wenn uns mal ein anderes Auto entgegen kommt, wenn wir morgens zur Schule fahren. Dass die beiden nun einen Stau gefunden haben wollen, erscheint mir sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass Elijah Steve davon abhalten musste, alle möglichen magischen Gegenstände einzupacken. Hoffentlich nimmt er sein Drachenei nicht mit. Ein Drama, weil Steve es in London verlegt hat und nicht wiederfindet, können wir uns wirklich sparen.

Lautes Gepolter kündigt die Ankunft meines kleinen Bruders und Cousine an. Ich stöhne leise. Die beiden habe ich ja vollkommen vergessen. Eigentlich war diese Woche ganz ruhig verlaufen. Isabell hatte mich zwar weiterhin geschult, aber um das Training mit Victorie bin ich herumgekommen. Entweder hat sie es vergessen oder es erschien ihr doch nicht mehr so wichtig, dass ich mich verteidigen kann. So oder so bin ich froh über ihre Entscheidung. Ich habe schon einen Muskelkater von Isabells Haltungstraining bekommen. Aber während es mit der Bruderschaft ganz ruhig zuging, war hier Zuhause und in der Schule die Hölle los. In meinen Geschichtsstunden hat Mister Fikners es irgendwie auf mich abgesehen gehabt, als würde er auf eine bestimmte Reaktion warten. Hier sind Danny und Caroline komplett durchgeknallt. Während Caro der festen Überzeugung ist, dass ich zu einer Disney Prinzessin werde, äußerte Danny die verschiedensten Vermutungen. Mal ging es darum, wie Elijah mich umbringen würde, ein anderes Mal darum, wie Steven plant uns alle ans Universum zu opfern. Entweder ist er wirklich krank vor Sorge und schätzt meine Freunde komplett falsch ein oder er ist jetzt endgültig durchgeknallt. Was ich für wahrscheinlicher halte.

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