XCIV | Der Schoß der Heimat

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„Wow, diese Stille hier ist unangenehmer, als ein hungriger Zahnarztbesuch." Kommentiert Victorie trocken, als der Museumsfahrstuhl uns hinunter, in die Hallen der Bruderschaft bringt. Ich stoße bloß ein ungläubiges Geräusch hervor, verschränke die Arme vor der Brust und starre das vergoldete Gitter des Lifts an. Natürlich ist hier eine angespannte Stimmung, immerhin weigert sich Elijah offensichtlich auch nur noch ein Wort mit mir zu wechseln. Mir soll es recht sein.

Der werte Herr DeVilers hat sich nämlich tatsächlich aus dem Staub gemacht und das komplett. Er ist komplett von Taetnire verschwunden, erst in London haben wir ihn auffinden können, wo er sich im Hotel, zusammen mit Damian, in die Bar zurück gezogen hat und seinen Alkoholkonsum, dem von Valentin anpassen zu wollen schien. Und der trinkt selbst Alkohol in seinem Tee.

Jetzt steht der ziemlich miesgelaunte, und leicht angetrunkene, Hybrid, hinter mir und Victorie und stiert einen Punkt an der Decke an. Selbst die Fahrt hier her, die zum Glück Victorie übernommen hat, war unangenehm. Ich saß hinten und habe mit Spencer geschrieben, um ihn auf den neusten Stand zu bringen, während Elijah vorne Victories Versuche, ein Gespräch zu beginnen, ignoriert hat.

Cherry und Steve haben sich schon verabschiedet, nachdem wir aus dem Portal gekommen waren. Cherry wollte sich unbedingt mit Spencer treffen, um mit ihm die ganze Valentin Sache zu besprechen, und heraus zu bekommen, ob ich darauf beharren kann, einen Vaterschaftstest machen zu wollen, und Steve ist auf direktem Weg nach Hause gegangen, um Psychometrie und die Ursachen nachzuschlagen und natürlich alles wieder auf sein Drachenei vorzubereiten. Das würde er morgen abholen kommen, denn heute war das bei weitem genug Aufregung für ihn. Seine Worte.

„Woran das wohl liegt." Grummele ich in mich hinein. Auf jeden Fall nicht daran, dass mein Partner mich die gesamte Zeit anlügt und mir nicht mal erzählt hat, das Valentin mein Vater ist. Daran liegt es auf keinen Fall.

Es ist merkwürdig, dass auf einmal Victorie mir am sympathischsten in dieser Runde ist, doch mittlerweile ist sie ziemlich weit hoch auf der Sympathieskala geklettert.

Die Türen des Fahrstuhls öffnen sich, entlassen uns drei Passagiere in die Dunkelheit des Ganges, der zu der Haupthalle der Bruderschaft führt. Elijah zieht, kaum sind wir aus dem Aufzug hinaus, an uns vorbei, verschmilzt schon bald mit der Finsternis. Ich bin mir zu Einhundert Prozent sicher, dass Victorie lieber ihm folgen würde, als hier bei mir zu sein, doch trotzdem weicht sie nicht von meiner Seite und geht neben mir her, in den Gang. „Jetzt noch einmal, ohne dass du von der Babyhexe ständig wieder unterbrochen wirst." Beginnt sie eine leise Unterhaltung. „Was ist zwischen Elijah und dir passiert?"

Ich seufze, vergrabe die Hände in meinen Taschen und beginne unruhig damit, mit dem geschrumpften Koffer zu spielen. „Nichts explizites, ich bin es nur leid, dass er mich ständig anlügt und etwas vor mir verheimlicht."

„Ständig?" Victorie hebt eine Augenbraue, was sie schon einige Male heute gemacht hat. Ich befeuchte meine Lippen und nicke. „Ja. Seine Eltern, mein Vater, die Löschung meiner Erinnerungen... Es ist so viel und ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll."

„Auf jeden Fall nicht so, ich habe keinen Bock, mich ständig mit dem grummeligsten Hybriden aller Zeiten abgeben zu müssen." Murmelt Victorie, während wir auf die Metalltür am Ende des Ganges zu gehen, durch die Elijah schon verschwunden ist.
Ich kann nicht anders, als die Augen zu verdrehen. „Schon klar, aber hättest du Lust, dich die ganze Zeit von Isabell anlügen zu lassen?"

Victorie gibt mir keine Antwort, holt nur tief Luft und stemmt mit der Schulter die Tür auf. „Weißt du eigentlich, dass du die anstrengendste Moonrose bist, der ich jemals begegnet bin? Und ich kenne deine Tante Audrey." „Danke, aber nein, hast du noch nicht erwähnt. Konnte es mir schon denken." Erwidere ich, als wir schon durch die Tür, den Eingangsaal betreten. „Hast du eigentlich immer noch vor, mir Kämpfen beizubringen?" Frage ich nach, helfe gleichzeitig der Vampirin, die hohe Eisentür zu schließen. Auch wenn ich quasi nur die Hand auf das Metall lege und Victorie die Tür alleine zu drückt, so schnell arbeitet sie.
„Beibringen? Bei dir ist es eher daran arbeiten, dass du nicht wie ein Katzenbaby ins nächste Messer tappst."

Time Travelling | Broken SoulsWhere stories live. Discover now