XCVIII | Im Angesicht der Flinte

16 4 17
                                    

„Du und Elijah", beginnt Isabell und klopft mit ihren perfekt lackierten Fingernägeln auf das Lenkrad ihres roten Cabrios. „Ihr habt jetzt endgültig, Naja, Streit?"

Es ist kalt in Malson Falls, so wie jede Nacht und ehrlich gesagt tut es gut, wieder hier zu sein. Das wechselnde Klima der Kleinstadt hat mir gefehlt. Es ist noch relativ früh, trotzdem ist das Zentrum der Stadt leerer als sonst. Ich habe meinen Arm auf der Tür des Wagens abgelegt und lasse den Fahrtwind durch meine Finger gleiten. Derselbe zerzaust auch, auf eine perfekte Art und Weise, Isabells Haare, während sie ihren Blick auf die Straße gerichtet hält.
Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung."

„Du musst doch wissen, ob ihr... Naja..." „Keine Ahnung." Betone ich nochmal, mit etwas mehr Nachdruck. Mein Blick wandert von ihr, zu den Narben an meinen Händen. Es ist komisch "Narben" zu etwas zu sagen, was kaum mehr als einen Tag alt ist.
„Okay", Erwidert Isabell simpel und ich bin ihr unfassbar dankbar dafür. Eine Weile ist es still zwischen uns und ich fahre mit den Fingerspitzen über die feinen Linien auf meiner Haut.

„Und? Wie läuft es sonst so?" Fragt Isabell schließlich, im Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen.
„Was meinst du?" Hake ich nach.
Meine ältere Cousine zuckt mit den Schultern, löst eine Hand von dem Lenkrad und wischt sich die Haare aus dem Gesicht. „Naja, mit den anderen Jungs, zwischen dir und Elijah läuft ja nichts, wie du immer betonst... Oder mit den Mädchen natürlich!" Fügt sie noch schnell an.

Ich muss es etwas schmunzeln über Isabells Versuch, alles einzubeziehen. „Jungs, Isabell, ich stehe nicht auf Frauen." „Ich wollte ja nur sichergehen, dass du weißt, dass es vollkommen okay ist, wenn es nicht der Fall wäre."

„Isabell", ich muss leise kichern, „Ich weiß das. Du musst mir das nicht sagen."

„Ich meine ja nur", lacht Isabell jetzt auch und bedenkt mich, aus ihrem Augenwinkel, mit einem nachdenklichen Blick. „Kaia und du hängen halt viel zusammen rum, da hätte es doch sein können." „Cherry und ich sind beste Freunde", stelle ich klar, „sie ist sowas wie meine Victorie, nur in weniger zickig."

Ein leichtes Grinsen schleicht sich auf Isabells Lippen und mir fällt auf, dass nicht nur Isabells Haut perfekt zu sein scheint, sondern jeder einzelne ihrer Gesichtsausdrücke auch. Als hätte sie sie Jahre lang geübt. „Klar."

„Klar." Erwidere ich kichernd. Das Lachen verklingt so schnell, wie es aufgekommen ist. Meine Cousine seufzt schwer und streift sich eine lange Haarsträhne hinter das Ohr, sodass ihre auffälligen, goldenen Ohrringe zum Vorscheinen kommen. Es handelt sich um Einzelfertigungen, perfekt auf sie angepasst. Wie jedes ihrer Schmuckstücke. Kleine Katzenköpfe mit Rubinen als Augen halten lange Goldkettchen in den Mäulern, welche mit Diamanten versehen sind.

Das Auto bleibt vor einer roten Ampel stehen, der letzten, bevor wir bei Fayes Haus ankommen. Isabell wendet sich komplett mir zu und sieht mich ernst, aus ihren hellen Augen hinaus an. „Vertraust du ihm, Kathy?"

Mir ist sofort klar, dass sie nicht mehr über Elijah spricht, doch ich weiß nicht, auf wen sie hinaus will. „Wem?"

Meine Cousine beißt sich von innen auf ihre Wange. Es dauert einen Moment, bevor sie antwortet. „O'Byrne." Sie lässt mir keine Chance zu antworten, sondern streckt ihre Hand nach mir aus. „Ich vertraue auf dich, Katherine."

Mir ist schon wieder nach heulen zumute. Ich möchte weinen, möchte mich nur noch in Tante Fayes Arme retten, mich an ihr festhalten und den Tränen freien Lauf lassen. Ich ertrage es nicht, dass sich alle auf mich verlassen, dass alle auf meine Entscheidung vertrauen. Was ist, wenn ich die falsche Entscheidung treffe. Trotz der Mut machenden Worte O'Byrnes, die noch immer in meinem Kopf wiederklingen, fühle ich mich dieser Verantwortung nicht gewachsen.

Time Travelling | Broken SoulsWhere stories live. Discover now