X | Von Unfotogenität und Zeitreisen

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„Kat! Kathy! Hier bin ich!" Aufgeregt springt Cherry von ihrem Stuhl auf und winkt. „Ich bin dann mal weg Danny." Schnell klopfe ich ihm nochmal auf die Schulter, bevor ich mich durch die Cafeteria zu Cherry durchdrängle. Der Tisch steht ganz am Ende des Raumes, ich muss mich an vielen Schülern vorbei drängeln. „Hey Cherry", Schnell umarme ich sie bevor ich mich erleichtert auf den Stuhl fallen lasse. „Ich hab dir was mitgebracht."

Cherry klatscht begeistert in die Hände. Mit flinken Fingern öffne ich den Verschluss meiner Tasche und fische den kleinen Samtbeutel heraus. Cherry langt prompt danach und kriegt es in ihre beringten Finger. Nimmt sie die eigentlich irgendwann mal ab? Mit zusammengezogenen Augenbrauen fummelt Cherry die Bänder auf und guckt in den Sack. „Nicht dein ernst?" Entgeistert hebt sie den Blick. Ich nicke. „Doch Cherry. Die war plötzlich da. Als wäre sie geschlafwandelt." „Schlechter Vergleich für eine Taschenuhr." Murmelt Cherry und greift hinein. „Schön dann hat sie eben ein Eigenleben entwickelt." Verschwörerisch beuge ich mich über den Tisch. Die Taschenuhr liegt in Cherrys Hand. Die schwere Goldkette klimpert als sie an Cherrys Ringe Schlägt. „Der Hammer..." Wispert sie, „Weißt du wie die Funktioniert?" „Ich wusste es zumindest mal." Nuschle ich und betrachte die Uhr eingehender.

Auf dem Rand der äußeren Hülle sind kleine Herzchen, die sich zur Mitte hin zu verschlungenen Mustern ändern.

„Das ist Unglaublich." Cherry greift nach meiner Hand. „Du weißt gar nicht, wo du da rein gerätst!"

Ich nicke langsam. „Hast du vielleicht recht", ich werfe einen schnellen Blick auf meine Armbanduhr. Noch eine gute halbe Stunde. „Kommst du mit? Ich will gucken ob sie noch funktioniert." Cherry zögert einen Moment und sieht mich abschätzend an. „Versprich, das du dich nicht in Gefahr begibst."

Ich runzle meine Stirn. „Was hältst du von mir? Ich bin nicht einer dieser Adrenalin-Junkies." Cherry verdreht die Augen. „Ich denke ja nur, dass du das hier unterschätzt", nervös befeuchtet sie ihre Lippen, „Ich meine- The Fuck! Du kannst anscheinend in der Zeit reisen!"

Ich fokussiere einen Punkt hinter ihrem Kopf. Sie hat recht. Ich sollte die Uhr nicht testen. Schon gar nicht, weil ich es meinem Vater versprochen habe. Als meine Mom verschwunden ist, musste ich ihm die Uhr geben und er hat sie entsorgt... Das dachte ich zumindest.

„Bitte lächeln", der Blitz einer Kamera erhellt für einen Moment das Gold der Uhr. Erschrocken fahre ich herum. Ein Junge steht mit einer Kamera vor der Nase an unsrem Tisch. Schwarzes Haar hängt ihm unordentlich verstrubbelt in der Stirn. „Hey Spenc." Meint Cherry kauend- sie hat sich ein Kaugummi in den Mund gesteckt. „Na ihr zwei." Spencer lässt seine Kamera sinken. „Ich fotografiere für die neue Ausgabe der Schülerzeitung. Darf ich ein Bild von euch machen?"

Cherry zieht mit ihrer Hand eine Linie durch die Luft. „Auf gar keinen Fall! Ich bin unfotogen!" Spencer lässt Lautstark die Luft aus seiner Lunge. „Machst du Witze? Als wir uns kennengelernt haben, hab ich dein Instagram gecheckt: Da sind nur Selfies von dir."

Cherry macht eine wegwerfende Handbewegung. „Die sind allesamt gefakt, Schätzchen." „Ach Quatsch, Kaia! Du bist unglaublich fotogen", Spencer hebt wieder seine Kamera. „Die Kamera liebt dich!"

Cherry wirft ihren Kopf in den Nacken. „Dann mach dein blödes Foto, Spencer." Sie setzt ihr bestes Fake lächeln auf. Spencers Kamera fokussiert und blitzt kurz darauf. Dann lässt er die Kamera sinken und wirft einen Blick auf das Bild. „Perfekt!"

Spencer hebt den Blick und sieht mich über den Rahmen seiner Brille an. „Hi. Ich bin Spencer." „Ich bin-" „Katherine", lächelt er. „Ich weiß. Wir haben zusammen Geschichte."

Die Röte schießt mir ins Gesicht. Gott, wie peinlich. Spencers blaue Augen wandern zu der Taschenuhr, in Cherrys Hand. „Oh wow! Voll Vintage!" Ruft er aus. ,,Ja nicht, Spenc?" Lacht Cherry und hält ihm die Uhr hin. Vorsichtig nimmt er sie zwischen seine Finger. „Die ist ja echt der Hammer." Murmelt Spencer. „Wenn du meinst", knirsche ich Missbilligend mit den Zähnen. Spencer zieht sich mit dem Fuß einen Stuhl heran und lässt sich zu uns sinken. Beiläufig stellt er seine Kamera zwischen unseren Taschen ab. „Geht die auf?" Will er wissen und fährt mit seinen Fingerspitzen den Rand der Uhr nach. Ich würde ihm am liebsten die Uhr aus der Hand reißen. Mit einem leisen flopp springt sie auf. „Oh, Guck mal!" Aufgeregt deutet Spencer in das Innere der Uhr. „Die Zeiger drehen sich plötzlich!"

Time Travelling | Broken SoulsWhere stories live. Discover now