XXX | Ein anderer Weg

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„Deine kleinen Freunde verfolgen uns, Katherine." Missgünstig stiert mein Partner in seinen Rückspiegel. „Das würden sie nicht tun." Lüge ich ungeniert. Das ist eine so dreiste Lüge, dass ich mich sofort schlecht fühle. Erstens haben wir abgesprochen, dass die beiden uns folgen sollen, zweitens sehe ich Spencers unverkennbaren grünen Truck ja selbst hinter uns. Elijah wirft mir einen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu. Er glaubt mir nicht. Gut so, sonst wäre er ziemlich blöd. Wir fahren schon seit zehn Minuten durch diese kleine Stadt. Ich weiß nicht, wie oder wo lang Elijah fährt, ich erkenne nur ab und zu eine Straße wieder, durch die Mister Bauclerk manchmal fährt, wenn wir zur Schule müssen.

Das Wetter scheint sich Elijahs Stimmung angepasst zu haben. Der Himmel ist mit dunklen Gewitterwolken verhangen, die nur noch darauf warten, losgießen zu können. Ein scharfer Wind peitscht über die Stadt, reißt Blätter von Bäumen und wirbelt alte Papiere durch die Straßen. Elijah fährt genauso schlecht wie gestern. Er achtet weder auf Verkehrsschilder, noch auf rote Ampeln oder Gegenverkehr. Womit er sich das ein oder andere verärgerte Hupen einfängt. Als wir los fahren wollten, hat er sich doch tatsächlich angemaßt, zu fragen, ob ich denn angeschnallt wäre. Als ob ich so lebensmüde wäre, und mich nicht anschnallen würde, wenn er fährt! So weit ist es noch nicht!

Um vom Thema Deine-Freunde-verfolgen-uns abzulenken, drehe ich mich in Elijahs Richtung und starre ihn nachdenklich an. „Darf ich dich was fragen, Elijah?" Er wendet den Blick nicht von der Straße ab, als er mir antwortet. „Alles was du willst, kleiner Fuchs."

Genervt verdrehe ich die Augen. „Hör auf mich so zu nennen."

Amüsiert trommelt Elijah mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. „Das wird nicht passieren."

Ich werfe ihm einen Vorwurfsvollen Blick zu. „Du bist nervig." „Und du Dünnhäutig." Nach diesem kurzen Schlagabtausch scheint das Eis zwischen uns wieder geschmolzen zu sein. Ich stoße ein leises lachen hervor, Elijah Schmunzelt. Da sind wir wieder. So wie wir wirklich sind. „Wenn du gegen die Bruderschaft arbeitest, warum bist du dann immer noch Mitglied?" Frage ich langsam. Elijah verzieht kein Gesicht, doch ich sehe, wie seine Finger sich um das Leder des Steuers verkrampfen. „Weißt du", erklärt er sachlich, „die Bruderschaft ist nicht so wie ein Buchclub. Du kannst nicht einfach so austreten wann du willst, weil dir etwas nicht gefällt. Es ist eine lebenslange Verpflichtung. Ebenso wie der Partnerbund." Fügt er nach einigem Zögern hinzu.

Der Partnerbund. Mir fällt meine Vision von gestern wieder ein. Er hat es mir versprochen. Als ich noch ganz klein war, hatte er mir versprochen das wir den Partnerschwur leisten, wenn ich wieder da bin. Kurz bevor Steve mir meine Erinnerungen nahm. Ich weiß nicht, warum er das tat, aber es muss ziemlich wichtig gewesen sein. Aber was ist, wenn ich das gar nicht mehr will? Wenn ich diesen Schwur nicht leisten will? Was wird dann passieren?

Ich schlucke diese Zweifel hinunter, wende den Blick ab und starre durchs Fenster nach draußen. Es hat angefangen leicht zu nieseln, und erste Pfützen bilden sich auf den Gehwegen. „Gibt es keinen anderen Weg? Es muss doch irgendwie möglich sein, auszutreten."

Das Auto verringert seine Geschwindigkeit und hält, ausnahmsweise, an einer roten Ampel. Elijah dreht sich zu mir und sieht mich eindringlich an. „Es gibt immer einen anderen Weg, Katherine. Das ist wichtig, und das musst du verstehen. Es wird immer einen anderen Weg geben. Irgendwo, in einer alten Bibliothek, die schon meterdick mit Staub überzogen ist, steht wahrscheinlich ein Buch, das schon älter ist als ich, und schon aus dem Leim geht, in dem in einer alten Sprachen, die heute niemand mehr spricht, geschrieben steht, wie man diesen Bund brechen kann. Aber wir haben nicht die Zeit dieses Buch zu suchen und es zu entschlüsseln. Denn heute ist alles was wir haben."

Sekunden lang kann ich nichts anderes machen, als in Elijahs ernste Augen zu sehen. Es gibt immer einen anderen Weg... Aber stimmt das auch? Wenn es einen anderen Weg gäbe, dann wäre meine Mutter noch hier. Sie hätte nicht vor der Bruderschaft flüchten müssen. Meine Hände fahren unruhig über meine Beine, auf der Suche nach halt. Immer noch starre ich in Elijahs wässrig blaue Augen. Er wendet den Blick nicht ab, es scheint als hätte er vor, mir in meine Seele zu gucken. Ich zweifle nicht daran, dass er es könnte.

Time Travelling | Broken SoulsWhere stories live. Discover now