IX | Der Marmorfriedhof

73 7 3
                                    

„Hast du schon einen Geist gesehen?" Fragt Cherry, während wir die Steinernde Treppe, zum alten Teil des Friedhofes hinunter steigen. „Nein Cherry." Seufze ich und vergrabe meine Hände tiefer in meinen Jackentaschen. Mann bin ich froh, das ich doch noch meine Lederjacke mitgenommen habe. Sonst würde ich mir ja den Arsch ab frieren.

Cherry nickt und starrt auf ihre Füße. Doch schweigen schafft sie nur ein paar Sekunden. „Und jetzt?" „Cherry wir können das jetzt so oft machen wie du willst. Ich sag dir schon Bescheid, wenn ich einen sehe." „Okay", Cherry nickt entschlossen. Ich sehe sie von der Seite an, bin mir nicht so ganz sicher, ob Cherry das durchziehen kann.

„Hey Guck mal!" Aufgeregt zupft Cherry an meiner Jacke.

„Was denn? Hast du jetzt nen Geist gesehen?"

Mit geweiteten Augen sieht sie kurz zu mir auf. „Ich hoffe nicht! Sieh mal, die Frau davorn." Sie deutet mit dem Zeigefinger den Gang runter. Zwischen den Mausoleen und aufwändig gestalteten Gräbern, von denen die meisten schon von der Natur zurück erobert wurden, steht eine Frau vor einem Grab. Sie trägt schwarz, als würde sie trauern. Dunkelbraune Locken hängen ihr über die Seite ihres Kopfes und verdecken ihr Gesicht.

„Shit", Cherry schließt ihre Finger um mein Handgelenk, und zieht mich mit einem Ruck in die Lücke zwischen zwei Mausoleen. „Au!" Fluche ich, als ich mit dem Knöchel gegen die Kante einer kleinen Treppe stoße und mit Schwung, auf den dreckigen Steinboden falle. Es war doch eine ziemlich beschissene Idee, die hohen Schuhe anzuziehen. „Cherry, tickst du noch ganz richtig? Was soll das?" Fauche ich.

Aufgeregt legt Cherry ihre Hand vor meinen Mund. „Shhhht!" Sie dreht den Kopf hin und her, als hätte sie Angst, dass jemand uns belauscht. Nervös befeuchtet die Rothaarige ihre perfekt, rot bemalten Lippen. „Wo sind die Bilder?"

So aufgelöst habe ich meine beste Freundin noch nie erlebt. Ich nicke zu meiner Rechten Jackentasche. Cherry versteht und greift in die kleine Tasche der Creme Farbenden Jacke. Ich spüre wie sie die beiden Bilder zu fassen kriegt, und vorsichtig heraus zieht. Eines der Bilder wirft sie unachtsam zur Seite, während sie das andere einen Moment lang anstarrt, aufspringt und zur Ecke des Mausoleums schleicht. Penibel achtet sie darauf, hinter der Mauer des Grabes verborgen zu bleiben. „Krank", piepst sie.

„Cherry?" Frage ich leise. Wortlos hält sie mir den Foto hin. Es ist das Bild von der mysteriösen Madame Victorie McCaler. „Was ist damit?" Verwundert wandert mein Blick zurück zu Cherry, die wie ein Schatten an der Wand lehnt. „Komm her." Sie winkt mich zu sich.

Schwerfällig hiefe ich mich hoch. „Jetzt vergleich mal, zwischen dem Bild und der Frau da!" Fordert sie, lehnt sich etwas zurück, um mir die Möglichkeit zu geben, auf das Grab zu sehen. Ich lehne mich vor. Was soll schon so besonders sein an dieser Frau? Sie steht nicht mehr am Grab, sondern spaziert langsam den Gang auf uns zu. So habe ich auch einen Blick auf ihr Gesicht, welches von den Locken umrahmt wird. Erschrocken ziehe ich die Luft ein und fahre zurück.

„Eins zu eins, oder?" Wispert Cherry mir zu. Ich nicke, versuche mich so platt wie möglich an die Wand zu drücken.

„Komm, bevor sie uns sieht." Möglichst leise hocke ich mich hin, hebe die Bilder auf und pirsche an der Wand entlang in den Gang, hinter die Mausoleen. Cherry folgt mir auf dem Fuß.

In dem Gang, hinter den Gräbern, braust ein eisig kalter Wind. An den hinteren Wänden lehnen Spaten, Schubkarren und Gießkannen. Wahrscheinlich lagert der Friedhofswärter hier seine Werkzeuge. Eigentlich ziemlich Respektlos.

Cherry hält mich sanft am Arm fest um mich zu stoppen. Interessiert drehe ich zu ihr um.

„Ich glaube wir haben unsere Madame McCaler gefunden." Flüstert sie.

Time Travelling | Broken SoulsWhere stories live. Discover now