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Charles und ich machten es uns auf dem Balkon gemütlich, von dem aus wir das Meer sehen konnten. Es schwappte gemächlich an den Strand und wirkte wie ein verzerrter Spiegel.
Für eine Zeit sagte keiner von uns was. Es reichte, den Atem des jeweils anderen zu hören.
Unerwartet nahm Charles meinen Stuhl und zog ihn scheppernd zu sich ran. Ich war erst verwirrt, als er jedoch lächelte, entspannte ich mich. „So können wir uns besser unterhalten." Ich nickte zustimmend und sah in seine tiefgrünen Augen. Noch nie in meinem Leben habe ich so strahlend grüne Augen gesehen wie bei ihm. Sie schienen, wie grüne Edelsteine, die zwischen seinen Wimpern hervorleuchteten.

„Was ist deine größte Angst?", nach ein paar Sekunden Schweigen fragte Charles mich eine Frage, mit der ich nicht gerechnet hatte. Und sie reichte viel tiefer in mein ummauertes Inneres, als er sich das jemals vorstellen könnte.
„Dass ich jemandem mit Dingen, die ich mache oder sage, wehtue. Das könnte ich nicht ertragen.", überrascht über mich selbst starrte ich kurz zu meinen Fingern, die ich nun ineinander verknotete. Von dieser Angst weiß niemand, nicht mal Ayla. Aber irgendwas in mir gab mir das Gefühl, dass dieses Geheimnis bei Charles sicher wäre. Dass er darauf aufpasst, wie ein Löwe auf sein Revier.

Ich sah langsam wieder auf. Charles' Mimik hatte nun etwas Verständnisvolles in sich und für einen Moment legte er seine Hand auf meinen Rücken und streichelte ihn. Es tat gut, nicht verurteilt zu werden, weil ich ihm meine größte und schmerzlichste Angst gestanden habe. Bisher habe ich mich immer davor gefürchtet, jemandem darüber zu berichten. Ich wollte nicht, dass jemand weiß, wie man mich schwach machen kann. Wie man den Punkt in mir trifft, der seit Jahren wund ist und nicht scheint, als könnte er je heilen. „Was ist deine größte Angst?", fragte nun ich, weil es mich wirklich interessierte.
„Noch jemanden zu verlieren.", seine Antwort stach tief, weil ich auf einmal etwas Verletzliches in seinem Blick sah, was ich noch nie zuvor bei ihm gesehen habe. Er wandte seinen Blick ab in Richtung Meer. Es tat weh, ihn so verletzlich zu sehen. Er ist eigentlich immer der gewesen, der stark wirkte und anderen geholfen hat. Nun wurde mir bewusst, dass jeder Mensch okay scheint, bis man eine tiefere Konversation mit ihnen führt.
Nun war ich diejenige, die ihre Hand ausstreckte. Ich legte sie auf seine, die er auf dem Tisch liegen hatte und drückte sie fest. Er sah zuerst zu unseren aufeinanderliegenden Händen, dann zu mir, direkt in meine Augen. Für den Bruchteil einer Ewigkeit blieb die Zeit stehen. Meine Finger begannen unter den Spannung zwischen uns zu kribbeln. Ganz langsam kam Charles' Gesicht näher und war dann nur noch Millimeter von meinem entfernt. Ich spürte seinen Atem schon auf meinen Lippen und sah ein Lächeln auf diesen liegen. Mein Herz pochte unaufhaltsam schneller und mir wurde unsagbar heiß. Es dauerte nicht mehr lange, da vernahm ich das zarte Gefühl seiner Lippen auf den meinen. Mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte, er könne es hören. Jeder Zentimeter meines Körpers zuckte und kribbelte. Aber es fühlte sich gut an.
Seine Lippen auf meinen bewegend. So vorsichtig und dennoch voller Leidenschaft. Und es war mehr als nur ein einfacher, erster Kuss, den ich am liebsten einfangen und immer wieder spüren wollte. Wir hatten uns beide gegenseitig den Zutritt zu unserer verletzlichsten Stelle erlaubt und unser Vertrauen zueinander mit dem Kuss besiegelt. Er bedeutete viel mehr als nur das Zeichen der Liebe. Er zeigte vor allem, dass wir aufeinander Acht geben und dass das Geheimnis unserer Ängste, bei dem jeweils anderen sicher ist.

Als wir uns voneinander lösten, sah ich in seine Augen, er in meine. Nicht wie sonst, wenn ich jemandem etwas von mir preisgab, spürte ich Angst, denn Charles bewies mir das Gegenteil. Er hat mir -ohne es selbst zu wissen- beigebracht, nicht alle Menschen als Feind sehen zu müssen.

„Wow!", kam es über seine Lippen und ich wandte mich verlegen lachend ab. Mein Herz schlug mir noch immer bis zum Hals und irgendwie wollte ich mehr. Mehr von dem Kuss, mehr von seiner Leidenschaft und mehr von allem, was wir miteinander hatten.
„Célina Laurance, ich glaube ich habe mich in dich verliebt.", ich sah auf. Es war nicht mehr als ein Flüstern gewesen und doch klang es ehrlich.
Hatte er das ernst gemeint? Er hat sich in mich verliebt?

Nein, Célina, er liebt dich nicht. Wenn du zulässt ihn in dein Herz zu lassen, wird er dich verletzen, oder du ihn.

Ich verfluchte meine innere Stimme, aber jetzt war ich stark genug dagegen anzukämpfen. Ich schaltete mein Kopf aus und ließ mein Herz sprechen. „Ich glaube, ich auch.", jetzt war es raus. Ich konnte ihm endlich sagen, was ich für ihn fühle. Und es war ehrlicher denn je.
Charles begann zu lächeln und legte kurz darauf einen Arm um mich. Ich ließ meinen Kopf auf seine Brust sinken, die sich abwechselnd hob und senkte. Seine Hand fuhr beruhigende Kreise über meinen Oberarm, während die andere meine Hand streichelte. Der Moment war perfekt. Fast zu schön, um wahr zu sein. Die langsam untergehende Sonne über dem Meer, wir zusammen auf seinem Balkon, nach unserem ersten Kuss...

„Wie hast du das eigentlich vorhin gemeint als du sagtest du willst nicht noch jemanden verlieren?", fragte ich irgendwann und hob meinen Kopf so an, dass ich ihm in die Augen schauen konnte, doch er wandte seinen Blick ab. Das Thema schien ihn zu belasten.
„Mein Vater...er...", er unterbrach sich selbst und schluckte schwer, „...er ist vor zwei Jahren gestorben.", jetzt schaute er mich an. In seinen Augen sah ich Schmerz. Tiefen Schmerz und noch etwas anderes. Aber ich wusste nicht was. Vielleicht gab es keine Definition die damit vergleichbar war.
Ich legte meinen Kopf wieder auf seine Brust aber statt seine Hand zu halten, drückte ich ihn jetzt ganz fest an mich und schloss alle Luftlöcher. „Ich bin hier und halte dich." , flüsterte ich. „Du bist nicht allein, du kannst immer mit mir reden.", meine Stimme klang so warm und doch wusste ich, dass ich ihm etwas sagte, was ich nicht mal mir selbst versprechen konnte. Vielleicht eine Ironie des Schicksals?

„Nein, ich halte DICH. Das ist der Punkt. Ich passe auf DICH auf.", ich sah verwundert auf und verstand zuerst nicht so ganz wie er es meinte. Das ist der Punkt. Warum? Ich legte meinen Kopf nachdenklich wieder ab, grübelte aber noch eine Weile darüber nach.

Melody of death | Charles Leclerc FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt