forty-four ఌ

104 2 0
                                    

„Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.", ich gähnte, als ich das Buch voller Märchen zuklappte. Mein Blick sank auf die beiden Mädchen in meinen Armen. Sie schliefen seelenruhig, ihren Kopf auf meiner Brust abgelegt. Zum Glück hatten Charles und ich sie schon vorher bettfertig gemacht. Besagter Monegasse kam mit leisen und langsamen Schritten um die Couch herum und streichelte mir im Vorbeigehen die Schulter. Ich sah müde lächelnd zu ihm auf. Nicht im Stande, mich zu bewegen. Stattdessen legte ich meinen schweren Kopf lieber auf der Rückenlehne des Sofas ab, was zwar nicht gemütlich war,  aber einfacher als ihn oben zu halten.

„Willst du die ganze Nacht hier verbringen?", fragte Charles flüsternd und deutete lachend auf die Kids. Ich grummelte grinsend und nickte als faule Antwort. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und mein Gehirn zwang mich sitzen zu bleiben, denn es drehte Kreise in meinem Kopf. Du hast heute noch nichts gegessen, Célina. Erinnerte ich mich und seufzte entnervt. Das würde ich heute auch nicht mehr. Ich wollte mir beweisen, dass ich es lang ohne Nahrung aushalte. Oder ich wollte es ihm -meinem Onkel- beweisen, auch wenn er davon logisch gesehen nichts wissen würde. Immerhin werde ich ihn weder anrufen noch ihm eine SMS schreiben. Trotzdem. Etwas in mir wollte jetzt nicht aufgeben.

„Du siehst kaputt aus. Ich trag die Kleinen ins Kinderzimmer.", seine ruhige und einfühlsame Stimme wärmte mein frierendes Herz. Ich ließ ihn dankend gewähren und beobachtete, wie er erst Rose und danach June in das zwei Zimmer weiter liegende Kinderzimmer brachte. Ich musste darum kämpfen, meine Augenlider nicht zufallen zu lassen. Ich mochte gar nicht wissen, was sich für dunkle Ringe unter meinen Augen entlang ziehen.

Als Charles zurückkehrte, setzte er sich nicht als erste Etappe zu mir, sondern machte noch einen Abstecher in die Küche. Ich glaubte den Wasserhahn zu hören, war mir dann aber doch nicht sicher, ob es nicht das Blut in meinen Ohren war, was rauschte. Doch ich hatte mich nicht getäuscht. Mit einem großen und vollen Glas Leitungswasser und Strohhalm darin, setzte er sich neben mich und hielt es mir abwartend entgegen. Irritiert starrte ich ihn an, unschlüssig, was ich tun sollte. „Trink! Du siehst nicht gesund aus.", im gleichen Moment wie seine Stimme über seine Lippen fuhr, wurde mir klar, dass das keine Frage war. Ich seufzte, nahm das Glas und trank ein paar Schlücke. Das Wasser füllte meinen leeren Magen etwas aus, was das Magenknurren fürs Erste verscheuchte.

„Leer!", ermahnte mich Charles und begutachtete mich strengen Blickes. „Ich will nicht, dass du mir hier noch wegkippst. So siehst du nämlich aus. Hast du heute was gegessen?"

Oh verdammt.

„Äh ja klar. Bei der Arbeit und danach...", krächzte ich, denn mein Hals war trocken wie die Sahara. „Was hast du gegessen?", jetzt klang er noch ernster als davor. „Ähm", bitte liebes Gehirn, arbeite noch einmal für mich und gib mir Ideen, „Ein Brötchen, dann später noch ein Salat...", log ich, doch anhand Charles' hoch gezogenen Brauen und der in Falten gelegten Stirn, erkannte ich wie wenig er mir glaubte.
Er schüttelte mit dem Kopf, seufzte und legte eine Hand auf meinen Oberschenkel. Meine Glieder zitterten, mein Magen drehte sich fünfmal um und mein Kopf fuhr Karussell. Nur diese kleine Berührung, hegte etwas Gutes in mir. Ein kleines Bisschen heile Welt.

„Célina, du weißt, wie sehr ich es hasse angelogen zu werden. Gerade du, meine Freundin, solltest mit mir nur Wahrheit sprechen. Verstehst du das? Sonst funktioniert keine Beziehung, die auf unser gegenseitiges Vertrauen angewiesen ist.", obwohl seine Worte mehr als nur Recht hatten, setzten sie einen Schmerz zwischen meinen Lungenflügeln frei. Ich will diese Beziehung, ich will ihn und doch weiß ich, dass ich falsch bin. Dass ich nicht das bin, was Charles verdient. Hätte ich das nur früher gesehen... Ich hätte ihn niemals so weit in mein Herz lassen sollen. Jetzt leidet er. Ganz allein wegen mir. Das war das, was ich von Anfang an vermeiden wollte.

Diesmal irrte ich mich nicht. Diesmal war es wirklich das Blut in meinen Ohren, was rauschte wie ein lauter Wasserfall. Wir schwiegen, ich starrte auf den Couchtisch inmitten der Sofaecke. Der Kühlschrank knackte, sogar die Uhr hörte man ticken. So leise war es. Tik, tak, tik, tak...

Ich traute mich nicht, Charles anzusehen, obwohl ich mal an der Reihe wäre, etwas zu sagen. Wenn auch nur einen kurzen Satz, doch nichts verließ meine Kehle. Wie schon letztes Mal, als er mit mir über seine Angst um mich redete.

Ein Schlüssel, der im Schloss gedreht wurde, erlöste mich aus der Situation, die mit wieder Mals schwer hängenden Worten zwischen uns zurückgelassen wurde. Ich stand auf, wenn auch nur auf wackeligen Beinen und lief zur Tür. Elmo folgte mir mit Charles. Mara und ihr Mann traten im nächsten Moment herein und ich setzte mein typisches Lächeln auf, mit dem ich die ganze Woche Kunden bedient hatte. „Mara, wie kommst du an den Schlüssel?", forschte ich nach, als Ablenkung meines inneren Wirbelsturms.

„Ich Dummerchen hatte ihn in der Handtasche.", sie klatschte sich augenverdrehend gegen die Stirn. „Wie ich sehe hast du ja Besuch?!", sie lief um mich herum und gab Charles die Hand. Er stellte sich ihr vor, wobei mir im selben Moment klar wurde, dass sie noch nichts von meinem Freund wusste.

„Süße? Wann hattest du vor mir von ihm zu erzählen?", völlig interessiert stand sie zwischen mir und Charles. „Eine sehr lange Geschichte. Die erzähl ich dir wann anders. Wir würden jetzt dann aber auch los gehen.", drängelte ich und nahm Charles' Hand.

„Danke, dass du -besser gesagt ihr-", verbesserte sie sich, „auf die Mädels aufgepasst habt. Habt noch einen schönen Abend.", sie zwinkerte mir zweideutig zu und machte uns dann die Tür auf.  Wir schlupften schnell in unsere Schuhe, ich schnappte mein Zeug und verabschiedete mich ebenfalls von den beiden Erwachsenen. Dann traten wir in die Dunkelheit der Nacht und bis zu meinem Auto, lag nichts als Schweigen zwischen uns. Gerade wollte ich die Tür meines Autos öffnen, als Charles meine Hand ergriff. „Célina!", seine kühle Stimme zerriss mich in der Luft. Ich drehte mich um, langsam und unsicher. „Wenn du nicht reden willst, akzeptiere ich das, aber ich bin für dich da, okay?", er zog mich in seine Arme und drückte mich ganz fest an seine Brust. Ich spürte, wie meine Fassade langsam bröckelte, doch zwang mich die aufsteigenden Tränen der Frustration und Müdigkeit zu verdrängen.

„Ich muss jetzt nachhause.", murmelte ich und windete mich aus Charles' Armen. Meine Beine waren so lahm, dass sie mich gerade noch trugen, bis ich meine Autotür geöffnet hatte. Ich ließ Elmo in den Fußraum des Beifahrers steigen und öffnete danach die Fahrertür. Ich sank auf den hellen Ledersitz und legte meine Tasche auf den Beifahrersitz. Charles lehnte sich zu mir runter und küsste mich auf die Wange, auf die Stirn und meine Nasenspitze. Das verursachte eine zärtliche Gänsehaut an meinem ganzen Körper. „Kommt gut nachhause.", wisperte er zum Schluss und lächelte als Abschied. Ich lächelte ebenfalls und winkte, während ich mein Auto aus der Parklücke lenkte. Der Schwindel hinter meiner Stirn tanzte Foxtrott, aber ich versuchte mich davon nicht irritieren zu lassen. Einfach nur geradeaus.

Zuhause angekommen, schaufelte ich meine letzte Kraft zusammen und stieg die Treppen mit Elmo hinauf, den Flur in meiner Wohnung entlang ins Schlafzimmer und dort sank ich auf mein Bett. Meine Schuhe warf ich mitsamt meiner Arbeitskleidung vor das Bett und zog mir mein Schlafshirt über. Elmo legte sich derweil auf seinen Platz. Das Letzte, was ich vor dem Schlafengehen tat, war mein Handy anzusehen. Ich hoffte, endlich eine Antwort von Linnea erhalten zu haben, doch nichts. Vielleicht hätte ich es doch lassen sollen...

Melody of death | Charles Leclerc FFWhere stories live. Discover now