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C H A R L E S

Hochmotiviert stieg ich an dem Donnerstagvormittag in meinen Rennwagen. Eines der insgesamt drei freien Trainings, wurde auf heute verlegt, da es morgen eine große Zeremonie, passend zur französischen Kultur, geben soll. Die FIA meinte, es würde zu viel Programm sein, wenn zwei Trainings am Freitag stattfinden. Also darf ich heute bereits auf die Strecke.
Gemeinsam mit den neunzehn anderen Fahrern drehte ich ein paar Runden über die Rennstrecke. Zufrieden war ich am Ende allerdings nicht. Ich belegte lediglich Platz acht. Gerade als ich meine letzte Runde fahren wollte, erreichte mich jedoch ein Funkspruch, der mein Herz stocken ließ. Er kam von Sam. „Charles, etwas ist mit Célina. Ihre beste Freundin hat auf dein Handy eine Nachricht geschickt, dass du sie schnell zurückrufen sollst, weil mit Célina etwas nicht stimmt.", ich verlor für einen kurzen Moment meine Handlungsfähigkeit und wäre um ein Haar im Kiesbett gelandet. „Nein...", war das Einzige, was meinen trockenen Rachen verließ. Ich schiss auf die Runde und fuhr ohne Umwege zurück in die Pit Lane. Mein Atem war selten so schnell und unkontrolliert gewesen, wie in diesem Moment. Ich ahnte Böses.     
Sobald mein Wagen in der Garage stand, sprang ich heraus und rannte Richtung Paddockgasse. Sam holte mich noch bevor ich das Motorhome erreichte, ein. Die verwirrten Blicke der Mitarbeiter von anderen Teams, blendete ich völlig aus. Ich hatte nur eine Intension: meine Sachen holen und zum Flughafen!
„Was ist passiert?", fragte ich Sam hastig, als ich mein Zimmer im Motorhome betrat und die Rennkleidung zu Boden warf.
„Ich weiß nur, dass sie auf dem Weg in die Klinik ist. Du solltest vielleicht Ayla zurückrufen.", ich antwortete darauf nichts, sondern packte Handy, Portemonnaie und meine Paddockkarte in meine Jacke. Im nächsten Moment stürmte ich aus dem Raum. Sam rannte mir irritiert hinterher. „Charles! Was hast du vor?", schrie er verständnislos.
„Was wohl?", gab ich ohne große Erklärung zurück. Nur wenig später erreichte ich mein Auto. Sam sprang neben mir auf den Beifahrersitz. In höherer Geschwindigkeit als erlaubt, bretterte ich an den Sicherheitsleuten vorbei aus dem Gelände. Als ich die Hauptstraße erreichte, bat ich Sam einen sofortigen Direktflug zu buchen. „Der hebt in 15 Minuten ab, das schaffen wir nicht.", Sam schüttelte den Kopf. „Doch.", ich drückte auf das Gas, sodass wir gleichermaßen in die Sitze gedrückt wurden. Was es auch koste, ich musste sofort zu Célina!

Kurz vor knapp nahmen wir auf den letzten beiden Plätzen im Flieger Platz. Unter uns gleiste Frankreich davon. Die dreißig Minuten Flugzeit bis Nizza, erschienen mir wie eine halbe Ewigkeit. Doch als das Flugzeug endlich landete, wäre ich am liebsten schon aufgesprungen. Mein Puls war so schnell, dass es fast wehtat. So hart hämmerte mein Herz gegen meinen Brustkorb.

Es war eine schnelle Absprache mit Sam, dass wir mit seinem Auto, das noch auf dem Flughafenparkplatz parkte, zum Krankenhaus fahren, in das sie Célina gebracht haben.
Die Fahrt dauerte nicht länger als fünfzehn Minuten. Vor dem riesigen Gebäude blieb Sam abrupt stehen. Noch bevor er geparkt hatte, sprang ich aus dem Auto und sprintete zum Eingang. Auf einem Stuhl im Wartebereich, sah ich Ayla sitzen. Sie erhob sich sofort als sie mich erkannte, und kam mit tränenunterlaufenen Augen auf mich zugelaufen. Ich schloss sie sofort in meine Arme und hörte ihren zitternden Worten zu. „Ich wollte ihr einen Überraschungsbesuch abstatten. Dann lag sie da im Bad... Oh Gott. Die Tablettenpackung war fast leer.", sie schluchzte, ihr ganzer Körper wurde davon durchgeschüttelt. Ich starrte an ihr vorbei ins Leere. Sie wollte sich das Leben nehmen. Langsam wurde mir der bitterböse Ernst der Lage bewusst. Verdammt. Wieso war ich nicht da? Ich wusste schon gestern Abend, dass etwas nicht stimmte. Sie wirkte so zerbrochen. Doch ich ging trotzdem...
Als ich einen in weiß gekittelten Arzt aus dem Flur treten sah, beendete ich die Umarmung und starrte ihn fragend an. Alles, was ich zurückbekam, war ein unmissverständliches Kopfschütteln. „Tut mir leid, wir konnten nichts mehr für sie tun..."
Die Worte flogen an mir vorbei, als wäre ich taub geworden. Mir stiegen Tränen in die Augen. Mit einem Mal wurde mir der Boden unter den Füßen weggerissen.  Es war vorbei, ein für alle Mal. Ich sank zu Boden und schrie. Ich schrie so laut, als könnte ich dem Schmerz in mir damit eine Stimme geben. Mein Schluchzen ließ mich erzittern. Sie ist fort. Das kann nicht real sein. Ich brauchte sie. Hier bei mir. Nicht fort im Jenseits. In mir wollte sich das nicht als wahr ergeben. Célina? Tot?  Die Célina, die ich vor fünf Monaten genau vor diesem Schicksal gerettet habe?
Ich hörte kaum die Stimmen um uns herum, nur Aylas erschüttertes Weinen drang gedämpft in meine Ohren. Erst als Sam mich in seine Arme zog, sah ich wieder etwas. Auch wenn es nicht mehr, als ein verschwommener Ausblick war. „Charles, ich bin hier.", versicherte er mir, wobei auch seine Stimme nur beklommen die Kehle verließ. Ich weiß, er wollte mir nur helfen, doch die Realität drängte sich allmählich in meine Sicht und traf mich härter als ich es mir je hätte erdenken können.

Ich habe sie verloren, genauso wie meinen Vater.

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Es tut mir leid...:/

Melody of death | Charles Leclerc FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt