fifty-nine ఌ

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Ich ließ meine Finger zittrig über die Klaviertasten springen. Nicht eine einzige Note klang hell, sondern nur die linke Seite der Tastenreihe bekam meine Fingerspitzen zu spüren. Auf einen dunklen Akkord, folgte ein weiterer. Das Tempo wurde zum Ende hin immer langsamer, als würde ich eine Bremse anziehen.  Ich beendete das Spielen, als ich Charles ins Zimmer kommen hörte. Er knöpfte sich gerade sein weißes Hemd zu und richtete die Ärmel an seinen Handgelenken. „Was spielst du da?", fragte er und trat zu mir. „Nichts, nichts. Bist du fertig?", ich erhob mich ausweichend und musterte ihn. In Anzug hatte er definitiv auch viel an sich. „Ja, du auch?", ich nickte bejahend und griff zu meinem Mantel und der Mütze. Charles zog sich noch sein schwarzes Jackett über, dann ging es los. Mit seinem Ferrari fuhren wir zu meinem Elternhaus. Glücklicherweise gab es einen freien Parkplatz direkt davor. Nachdem ich die Klingel betätigt hatte, dauerte es keine zehn Sekunden, bis meine Mom im Türrahmen erschien und uns überglücklich empfing. Jap, inzwischen weiß sie, dass Charles mein fester Freund ist. Sie bat uns herzlich herein. Unsere Schuhe ließen wir im Eingangsbereich zurück und folgten ihr anschließend ins Esszimmer. Pascale, Arthur und mein Vater saßen bereits um den Tisch und begrüßten uns herzlich. Charles zog für mich einen Stuhl zurück, auf dem ich mich dankend niederließ. Er nahm auf dem direkt neben mir Platz. Wenig später stieß zuletzt auch noch meine Mutter dazu und stellte ihr gekochtes Dinner auf den Tisch. Jeder belud sich nach einem schnellen Anstoßen mit einem Glas Sekt seinen Teller mit dem dampfenden Essen.
„Wie schön, dass wir alle endlich mal wieder zusammen sind.", bemerkte Pascale und lächelte in die Runde. „Das kannst du laut sagen.", pflichtete meine Mom ihr überzeugt bei und strahlte ebenfalls. In den folgenden zwei Stunden unterhielten wir uns über die verschiedensten Dinge. Zum Beispiel erzählten Charles und ich von unserem Urlaub in Norwegen.

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als es Abschied nehmen hieß. Ich wusste, dass es heute anders wird als normalerweise. Auch wenn ich die Einzige war, die das wusste. Ich drückte meine Mutter fest an mich. Sie hat mir so viel beigebracht in diesem Leben. Sie hat immer das nur das Beste für mich und meine Geschwister gewollt, sich für uns eingesetzt und mir gezeigt, wie ich in dieser Welt zurechtkomme. Auch wenn das heute nichts mehr zur Sache tut. Ich habe versagt und sie enttäuscht.

Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und musste mich beherrschen, nicht zu weinen. Sie drückte mich skeptisch von sich weg. „Alles gut, Maus?", ich nickte hastig. „Klar, ich bin euch nur so dankbar für alles.", erklärte ich mich und setzte ein Lächeln auf. Sie lächelte berührt und streichelte mir die Wange. Wenn sie nur wüsste, wieviel diese Geste in mir bewegte. Danach drückte ich meinen Vater fest an mich und küsste auch ihn auf die Wange.
Mein Herz brach, als ich ihnen winkte und die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Charles fuhr mich nachhause, als es auch hier „Tschüss" sagen hieß. Er muss noch heute Abend den Flieger nach Frankreich nehmen, da das Rennwochenende dort bevorsteht. Ich bin über das Wochenende verplant, zumindest offiziell.
Der Monegasse stieg mit mir aus und begleitete mich bis zur Tür. Bei jedem Schritt schien mein Herz immer mehr Risse zu bekommen. Dann standen wir uns gegenüber und ich blickte in seine strahlend grünen Augen. Sie haben mich immer in einen Bann gezogen und mir den Frieden geschenkt, den ich wo anders nicht mehr finden konnte. Wie sehr ich sie vermissen werde, aber es wird so besser sein.
Ich konnte meine Tränen auf einmal nicht mehr zurückhalten. Sie liefen in warmen Tropfen über mein Gesicht und versickerten in meinem Pulli. Charles wischte mir verwirrt eine der unzähligen Tränen aus dem Gesicht.
„Hey, was ist los?", fragte er besorgt. Ich versuchte zu lachen oder wenigstens zu lächeln.
„Ich bin dir nur so dankbar für alles. Das ist alles.", versicherte ich ihm mit zittriger Stimme. Er zog mich in seine Arme, sein unverkennbarer Duft füllte meine Lungen. Ich sog das Gefühl seines Daseins in mir auf, als könnte ich es so bei mir behalten, auch wenn das logischerweise gar nicht möglich ist.
„Hey, wir sehen uns am Montag wieder. Dann machen wir einen schönen Spaziergang oder wir verbringen den Tag auf meiner Yacht.", schlug Charles vorfreudig vor. Ich nickte zustimmend. Innerlich wusste ich jedoch, dass es zu keiner dieser Dinge kommen wird, und dieser Fakt riss mir das Herz aus der Brust. 
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und lächelte aufmunternd. „Mach's gut. Ich liebe dich.", raunte er mir leise zu. „Ich liebe dich auch.", er küsste mich zuerst zart auf die Stirn und danach auf die Lippen. Ohne zu zögern, erwiderte ich diesen Kuss. Am liebsten hätte ich ihn nicht mehr losgelassen, doch es war endgültig Zeit ihn gehen zu lassen. Ich lächelte ihm schmerzlich hinterher, während er in sein Auto stieg und den Motor startete. Bevor er davonfuhr, blies er mir einen imaginären Kuss zu. Ich tat das Gleiche zurück und spürte sogleich wieder Tränen in meinen Augen brennen. Ich winkte, als sich seine Reifen drehten und er den Wagen aus der Einfahrt auf die Straße lenkte. Ich stand still da, bis er nicht mehr zu sehen war. Die Kälte der anbrechenden Nacht ummantelte mich. Vielleicht war es auch mein Herz, das das Blut in meinen Adern zu Eis werden ließ. Es tat weh vor Einsamkeit.

Bald kehrte ich der Außenwelt den Rücken und ging ins Haus. Heute entscheide ich über Leben und Tod, über Fluch und Hoffnung und Frieden und Krieg. Es ist die Zeit gekommen, wo ich Dinge in Ordnung bringe und meiner inneren Stimme die Lenkung überlasse. Sie hat mich noch nie enttäuscht und hatte stets recht...

Melody of death | Charles Leclerc FFWhere stories live. Discover now