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Der Flug nachhause war schmerzhafter, als ich es am vorigen Abend erwartet hatte. Die grünen und mit Wasser bedeckten Landschaften in deren Zentrum sich Trømso befand, gleisten unter uns davon und waren bald nichts mehr als eine Erinnerung. Ich hatte Frieden gefunden. In dieser kleinen Stadt, die innerhalb zwei Wochen wie ein Balsam auf meine Wunden gewirkt hatte. So wie Charles es auch getan hatte, bis ich in ihm den gleichen Schmerz gesehen habe, den ich jeden Tag fühle.

Es war Nachmittag, als unser Flieger unter französischer Sonne landete. Leicht erschöpft bewegten wir uns auf den Ausgang des großen Flughafengebäudes zu. Ich hob überrascht die Brauen, als wir nicht in Richtung des Parkplatzes liefen, wo wir vor zwei Wochen Charles' Auto zurückgelassen hatten. „Dein Auto steht doch da hinten?!", merkte ich verwirrt an, doch Charles grinste nur und lief weiter in die andere Richtung. „Charles!", rief ich energischer und holte ihn schnellen Schrittes ein. „Ein Freund hat meinen Wagen kurz nachdem wir abgereist sind, abgeholt. Jemand anderes wird uns jetzt Nachhause fahren...", ich runzelte die Stirn, während ich ihm folgte und mir den Kopf darüber zerbrach, wen er mit „jemand anderes" meinte. Meine Frage erschloss sich jedoch, als ich ein Rufen von rechts vernahm. „Charlie!", ich sah dorthin, woher ich die weibliche Stimme kam und schluckte. „Mama.", Charles nahm mich an die Hand und steuerte auf Pascale zu. Verdammt.

Er ließ mich vor seiner Mom los und umarmte diese herzlich. Dann legte er strahlend einen Arm um mich. „Ihr kennt euch ja schon."

„Célina, wie schön.", die blonde Frau machte einen Schritt auf mich zu und zog mich in ihre Arme. „Ich wusste schon immer, dass ihr zwei füreinander bestimmt seid.", flötete sie mit einem Zwinkern in Charles' Richtung. Peinlich berührt sah ich zu Boden.

„Jaja.", murmelte Charles und verdrehte lachend die Augen. „Woher hättest du das denn ahnen können?"

„Célina ist wunderschön und dein Charme passt perfekt zu ihr.", sie blickte zwischen uns beiden hin und her. Konnte das noch unangenehmer werden?

„Na gut, wie auch immer. Fahren wir nachhause.", Charles ging zum Kofferraum von dem Auto hinter seiner Mom und öffnete ihn. Nachdem unser Gepäck darin verstaut und wir Platz auf den Sitzen genommen hatten, startete seine Mutter den Motor. Dreißig Minuten und zum Glück entspannte Gespräche später ließ uns die Frau mittleren Alters vor Charles' Wohnung raus und winkte mit warmem Lächeln zum Abschied.

„War das ein Tipp an mich, dass du meine Eltern endlich kennenlernen willst?", fragte ich Charles grinsend, als ich mein Gepäck im Flur seines Apartments abstellte und Richtung Küche lief. „Nein, keine Sorge. Erst wenn du das willst.", entgegnete der Monegasse hinter mir laufend.
„Sag ehrlich, seit wann weiß sie es?", ich drehte mich um und musterte sein schmunzelndes Gesicht. „Seit einem Monat."

Ich fiel aus alles Wolken. „SEIT EINEM MONAT?", ich ließ mich auf die Couch fallen und seufzte übertrieben. „Und meine wissen noch nichtmal, warum ich plötzlich Formel 1 schaue..."

Charles pflanzte sich neben mich auf das Sofa und zog mich zu sich. Wie ein Schelm grinste er. „Ist doch nicht dramatisch. Meine Mom liebt dich.", erstaunt sah ich zu ihm auf und runzelte die Stirn. „Wirklich? Obwohl ich die Tochter ihrer guten Freundin bin?", Charles nickte heftig.

„Jedenfalls", er stand auf, „muss ich jetzt auspacken und dann neu packen, weil ich ab morgen für fünf Tage in Maranello bin." Ich seufzte lustlos. „Ich weiß ja." Gerade jetzt, nachdem wir zwei Wochen zusammen verbracht haben, möchte ich ihn eigentlich nicht wieder missen müssen.

Es war spät als ich abends von Charles nachhause gefahren wurde und die Tür zum Haus aufschloss. Das Treppenhaus war stockdunkel. Ich suchte neben dem Türrahmen nach dem Lichtschalter, doch obwohl ich ihn drückte, war es nicht mehr als ein einmaliges Flackern, was kurz aufleuchtete, doch danach sofort wieder erlosch. „Na schönen Dank auch.", motzte ich genervt und hievte meinen Koffer hinter mir her die Treppen rauf. Auf einmal hörte ich ein Piepen. Es war so laut, dass meine Ohren gleichzeitig drohten taub zu werden. Ich musste meinen Koffer loslassen, um meine Ohren zu bedecken. Ich kniff meine Augen zusammen. Wankte nach links an die Wand. Ich krümmte mich schmerzverzerrt zusammen. War das nur in meinem Kopf?

„Ich bin immer da.", das Piepen wich der männlichen Stimme, „Du kannst mir nicht entkommen." Panisch riss ich meine Augen auf und sah an den Fuß der Treppen, dann nach oben Richtung meiner Wohnung. Niemand da. Du bist allein. Mein Puls raste. Mir war schwindelig. Ich sank auf eine Stufe und lehnte meinen Kopf gegen die kalte Wand. Mein Mund war trocken. Ich drohte fast zu ersticken. „Oh mein Gott.", kam es angstvoll über meine Lippen, wobei es nicht mehr als ein Hauchen war.

„Du bist nicht hier. Du bist nicht echt!", krächzte ich. „Du bist nur in meinem Kopf!"

„Ach Célina. Du weißt nicht, wo ich überall sein kann.", seine Stimme klang unbefangen und amüsiert. Es machte mich wütend. Wütend, weil er mich so schwach machte.

„Lass mich endlich gehen...", wimmerte ich. Ich war verloren. Nicht mehr und nicht weniger als ein Haufen Elend, welches sich an Scherben der Vergangenheit geschnitten hatte.

Es vergingen vier Tage, die ich allein in meiner dunklen Wohnung verbracht hatte. Nur um zum Fitnessstudio zu gehen, hatte ich sie mal von außen gesehen. Wie schon nach Elmo's Tod hatte ich Nachrichten und Anrufe (mit Ausnahme von denen von Charles) ignoriert und mein Handy größten Teils ausgehabt.

Eine Nachricht von Mara jedoch, scheuchte mich aus diesen vier Wänden. Sie musste packen, da sie nächste Woche endgültig ausziehen wird.

„Was ist hiermit?", ich pflückte ein Bild mitsamt dessen Rahmen von der Wand und hielt es Mara entgegen. Es zeigte Rose und June mit einem Schneemann, beide lachten unbeschwert in die Linse.
„Das kannst du da rein.", sie zeigte auf einen der vielen Kartons in der Mitte des Raumes. Dann wandte sie sich wieder der Kommode zu und fuhr mit ihrem Tun fort. Ich nahm auch noch die anderen Bilder von der Wand, räumte den Schrank aus, auf dem einst der Fernseher stand und packte auch dieses Zeug zusammen. Mara's Mann und ein Freund dessen kümmerten sich anschließend darum, die Möbel auf den Sperrmüll zu schmeißen. Ich betrachtete das leere Wohnzimmer. Ohne all die Möbel und die Bilder wirkte es kahl und unpersönlich. Langsam wurde mir bewusst, dass meine letzte Freundin, die ich hier noch hatte, bald ebenfalls weg sein wird. Genau wie Ayla und meine Geschwister. Niemand von ihnen war geblieben.

„Jetzt Mittagessen. Auch was?", Mara kam mit einer Schüssel Nudelsalat in den Raum und schwenkte dabei ihren rötlichen Pferdeschwanz umher. Sie war so glücklich, obwohl sie Monaco in weniger als einer Woche den Rücken kehren würde.

„Nein danke.", lehnte ich lächelnd ab und setzte mich neben sie auf den Boden. Sie zuckte mit den Schultern. „Woher kriegst du denn deine Kraft jeden Tag ins Fitness zu gehen?", fragte sie verständnislos und nahm eine Gabel ihres Essens.

Von Wasser und mentalem Ehrgeiz, dachte ich so für mich, während ich nur auf den Boden sah und die Muster darin begutachtete.

„Ich verstehe sowieso nicht, warum du das machst. Du bist so dünn...", meinte sie, ohne mich dabei anzusehen. Ich wäre am liebsten unter dem Erdboden verschwunden, so unangenehm war mir das Thema. „Ich geh mir mal was zu trinken holen. Willst du auch?", ich stand auf und sah nur noch das Nicken der Amerikanerin, ehe ich in die fast leer geräumte Küche verschwand. Ich lehnte mich an den Kühlschrank und seufzte frustriert. Das plötzliche Vibrieren meines Handys erschreckte mich fast zu Tode. Ich sah auf den Bildschirm, Linnea's Name stand darauf. Schnell entsperrte ich es und öffnete Whatsapp. Ich las allerdings nicht das, was ich erhofft hatte.

»Hi Sally, ich bin aktuell sehr beschäftigt und habe keine Zeit. Ich melde mich wenn's mal klappt. Hab dich lieb, Kuss«

Im selben Moment, als ich las, was sie geschrieben hatte, bereute ich sie nach einem Gespräch gefragt zu haben. Nicht, weil sie keine Zeit hatte, sondern, weil ich hätte wissen sollen, dass mir niemand helfen kann. Niemand, aber vielleicht etwas.

Ja, es gibt etwas, das mir helfen könnte. Und ehrlich gesagt hatte ich auch keine andere Idee mehr, wie ich weiterhin überleben sollte.

Melody of death | Charles Leclerc FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt