fifty-two ఌ

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Die warme Sonne kitzelte mir in der Nase. Verschlafen blinzelte ich und sah mich orientierungssuchend um. Ich sah aus der verglasten Zimmerfront, hinter der sich die Stadt auf dem Wasser spiegelte. Ein Fischerboot kehrte gerade an den Hafen zurück, den man von unserem Zimmer aus perfekt beobachten konnte. Ein Segelboot dagegen machte gerade Kurs, um aus dem eingekesselten Hafen zu entkommen.

Ich schlug die Decke vorsichtig von mir runter, um Charles nicht zu wecken und trat an die Fensterfront. Das wäre genau die Sicht, mit der ich für den Rest meines Lebens aufwachen wollen würde. Europäisches Nordmeer, ein kleiner Hafen, eine bunte Stadt und grüne Landschaft ringsum. Wieso konnte es nicht immer so schön sein?

Starke Arme umfassten mich unerwartet von hinten und umschlossen sanft meinen Bauch. Ich legte meine Hände genau auf die von Charles und lächelte ihm über die Schulter zu. Wenn er nur die Schmetterlinge unter seinen Fingern spüren könnte...

„Ist das nicht wunderschön?", fragte ich, ohne wirklich eine Antwort zu verlangen. Ich wusste, dass Charles diesen Ausblick liebte. Schon gestern Abend, als wir beide staunend das Zimmer betreten hatten, war das Strahlen in seinem Ausdruck kaum mehr verschwunden.

„Es ist phänomenal."

„Was machen wir heute? Hast du was geplant?", ich drehte mich in seinen Armen um, sodass ich ihm in die Augen schauen konnte.

„Zuerst müssen wir vorne an der Rezeption ein paar Dinge klären, frühstücken gehen und danach könnten wir uns die Umgebung anschauen.", schlug der Monegasse vor und zog mich noch näher zu sich. „Guter Plan.", ich grinste verschmitzt und schaute verliebt in seine grünen Augen.

Einen leidenschaftlichen Kuss später, verschwand ich ins Bad. In Windeseile putzte ich Zähne, ging auf Toilette und wusch mein Gesicht. Während anschließend Charles sein Hygiene-Zeug erledigte, machte ich mich an mein Outfit. Gestern Abend hatte ich mir lediglich einen Pullover und eine Jogginghose angezogen. Für heute suchte ich eine olivgrüne Cargohose und dazu einen beigen Hoodie aus. Über meine weißen Socken zog ich mir noch weiße Stricksocken, da es draußen trotz Sonne eiskalt war. Als wir etwas später beide fertig waren, wollte ich gerade zur Tür laufen, da zog mich Charles nochmal zurück. Er hatte sein Handy in der Hand und legte den anderen Arm um meine Schulter. Er grinste mich an und nickte zu dem großen Spiegel an der Wand vor uns. In mir machte es Klick und ich lächelte unser Spiegelbild an. Charles knipste ein Foto und küsste mich danach auf meine weinrote Mütze. Glücksgefühle strömten durch meinen Körper. Zu spüren, wie sehr er mich liebte, rührte meine Seele.

Zufrieden gestimmt machten wir uns schlussendlich auf den Weg zur Hotellobby. Nachdem Charles dort den Papierkram erledigt hatte, suchten wir das Restaurant auf, welches unmittelbar an die Lobby angrenzte. Weiße Lampen hingen von der Decke und warfen angenehmes Licht in den großen Raum. Eine Fensterfront bot einen Panoramablick auf die bergige Landschaft und das Meer.

Kühle Luft empfing uns als wir das Hotel um kurz nach elf verließen und uns auf den Weg in die Stadt machten. Wir wählten den Weg am Hafen entlang. Es roch nach Fisch und frischer Meeresluft. Wir begegneten netten Menschen, die uns sogar ein paar Spots vorschlugen, die wir während unseres Aufenthalts in Trømso auf jeden Fall besuchen sollten. Im Zentrum der Stadt, entfernt von der Uferlage, fanden wir einen Souvenirshop. Das Gebäude hatte eine rote Fassade und das Dach glänzte mit Tau bedeckt schwarz. 

Ich nickte zu der Glastür, was Charles sofort verstand. Ich drückte die Türe vorsichtig auf, als könnte sich dahinter eine Gefahr befinden oder das Glas zerspringen. Aber dem war nicht so. Eine freundlich strahlende junge Dame war dabei, ein paar Waren in ein Regal zu räumen und begrüßte uns winkend. Wir winkten zurück und wandten uns dann den dunkelbraunen Holzregalen zu. Sie waren vollgeräumt mit verzierten Schachteln, kleinen Notizbüchern und bunten Kerzen. An einem Ständer hingen verschiedenste Anhänger, in einem anderen waren Postkarten aufgefächert. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Es roch so sehr nach Orange, dass es mir unangenehme Flashbacks von der Wohnung meines Onkels gab. Sie hatte immer nach diesen orangenen Früchten gerochen, sodass sich dieser Duft in meine Sinne wie ein Tattoo eingeprägt hatte.
Meine Brust wurde schwerer, im gleichen Moment versuchte ich den Geruch zu vergessen. Ich trat zu Charles, der in einem Notizbuch blätterte und den Kopf hob, als er mich bemerkte. „Der Laden ist süß.", murmelte er zufrieden, „Aber es ist sehr teuer, lass uns weiter gehen." ich nickte, glücklich diesem Geruch zu entkommen.

Nach dem Shop machten wir uns auf den Weg zu dem Ort, von dem ich bereits im Internet gelesen hatte. Es war das spitze Gebäude welches ich schon von unserem Hotelzimmer aus gesehen hatte. Die weiße Fassade in seiner Pracht stach mir unumgänglich ins Auge und ich ließ meinen Blick lange darauf verweilen. Die Eismeerkathedrale, eine Kathedrale, die eher wie ein Diamant aussieht, als ein Gebäude in dem Leute Frieden suchen.

Mit Charles' Hand in meiner beschränkt betraten wir diesen heiligen Ort. Wärme umhüllte uns wie ein unsichtbarer Mantel. Wir schlichen leise über den steinernen Boden, um die hier drin herrschende Stille nicht zu durchbrechen. Ein paar wenige Personen saßen vereinzelt auf den Bänken, die geradeaus Richtung Pult ausgerichtet waren. Obwohl ich weder an Gott noch an andere religiöse Figuren glaube, fühlte sich dieser Ort besonders, irgendwie wie ein Rückzugsort an, in dem man kurz ausharren kann.

Ich betrachtete die Mosaiksteine auf der Scheibe am Ende der Kathedrale. Sie zeigten eine bläuliche Figur, umhüllt von einem goldenen Schleier. Der Hintergrund war ebenfalls Blau, jedoch dunkler als die Gestalt. Solche Kunst habe ich schon immer bewundert.

Wir liefen weiter zu einer Stelle, wo man sich eine Kerze nehmen und danach anzünden konnte. Genau das taten wir und jeder zündete sie selbst an. Für andere mochte es nur eine kleine Flamme sein, die wegen dem Windzug leicht herum wackelte, doch für mich war es mehr als das. Ein Bekenntnis dafür, dass ich jetzt neue Kraft und Wärme aus diesem Trip schöpfen könnte, um den Kampf gegen meine Dämonen zu gewinnen. Den Kampf, der für mich so sinnlos und hoffnungslos erscheint, seitdem alles, was ich mir aufgebaut hatte, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. Nichts als Staub blieb zurück. Und auch wenn ich Charles über alles liebe, begleitet mich gleichzeitig Wehmut, weil ich weiß, dass er etwas Besseres verdient hat.

Die nächsten Tage vergingen wie ein Film, der viel zu schnell ein Ende findet. Charles und ich hatten uns beim Wandern ausprobiert, Abende in der Roast Bar direkt am Wasser verbracht, weitere Sehenswürdigkeiten besucht und uns völlig in dieser idyllischen Gegend verloren. Das Highlight allerdings, waren mit Abstand die Nordlichter, deren grüne Schleier meine Sinne völlig betäubt haben. Aber wie immer, geht alles mal vorbei, so wie auch dieser Urlaub. Den letzten Abend wollten wir jedoch nochmal draußen, auf unserer Lieblingslichtung verbringen. Wir nahmen unseren Mietwagen und parkten diesen auf der Lichtung, die für Autos zugänglich gemacht war. Wir kletterten auf die Motorhaube des Wagens und Charles zog mich zu sich in seine Arme. Während vor uns die Nordlichter eine Show ablieferten, als wüssten sie genau, dass wir morgen abreisen würden, musste ich über eine Frage nachdenken, die mir schon seit dem Flug in dieses Traumland durch den Kopf schwirrt.
„Charles?", er sah fragend zu mir hinunter, „Warum eigentlich Norwegen?"
Es brauchte nicht lange, bis ich eine Antwort erhielt. „Erinnerst du dich an Montréal als wir in der China Town waren und über Reiseziele geredet haben? Dein Wunsch war, dem Himmel einmal nah zu sein.", er machte eine Pause und deutete auf die glänzenden Polarlichter, „Wo kannst du dem Himmel näher sein, als hier?" ich fing an gerührt zu lächeln. Er hat es sich gemerkt, ist nicht nach seinen Reisezielen hierhergereist, sondern um mir diesen Wunsch zu erfüllen. Das zeigte mir nur nochmal, warum ich diesen Mann liebe und am liebsten nie wieder loslassen will.
Ich schmiegte mich noch näher an Charles' Brust, da es immer frostiger wurde. „Du bist ein Engel, nur ohne Flügel.", wisperte ich dankbar. Gleichzeitig überkam mich Traurigkeit, die Heimweh ähnelte. Aber nicht nach daheim, sondern nach diesem Ort. Ich würde gerne länger bleiben...

Melody of death | Charles Leclerc FFWhere stories live. Discover now