Kapitel 16

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Ich schließe die Tür auf und Blicke sofort in die entsetzten und enttäuschten Augen meiner Eltern. Das gibt Ärger. Und zwar viel! Ich spüre jetzt schon, dass ich gleich anfangen werde zu weinen. Die Angst kommt immer mehr in mir hoch und ich platzte gleich regelrecht vor Anspannung. Sie sagen nichts, sie gucken mich einfach nur an. Erwarten sie etwa, dass ich etwas sage? Aber was denn?

Ich ziehe vorsichtig meine Schuhe aus und stelle sie weg. Das Gleiche tue ich auch mit meiner Jacke. Der Gesichtsausdruck meiner Eltern hat sich wieder etwas entspannt und dennoch sehen sie nicht besonders stolz oder desgleichen aus. Sind sie denn überhaupt nicht stolz auf mich? Halten sie sich wirklich an dieser einen Aktion fest?

Mein Vater geht als erstes ins Wohnzimmer, dann folgt meine Mutter ihm. So ein Gespräch wird das also. Als ich ins Wohnzimmer komme sitzen die beiden schon auf dem Sofa und warten auf mich.

„Du kannst dir vorstellen, dass wir nicht besonders erfreut über deine Aktion sind, richtig?", höre ich die tiefe und ernste Stimme meines Vaters. Ich nicke nur still und warte, was er oder meine Mutter noch zu sagen hat. Es ist das Beste, es einfach über mich ergehen zu lassen und nicht zu widersprechen. Dann käme ich vielleicht noch mit einer kleinen Strafe davon. Wenn ich Glück habe, das hatte ich aber schon zu häufig. Ich rechen also mit dem Schlimmsten.

Kein Kickboxen mehr, das wird es definitiv sein. Hausarrest für mindestens einen Monat wird es bestimmt auch. Oder noch schlimmer, sie schicken mich in dieses komische, verklemmte Internat, wovon sie schonmal gesprochen haben. Aber können sie mir das wirklich antun? Nach all dem, was sie für mich getan haben?

„Ich weiß nicht, was du dir dabei gedacht hast, aber du kannst einem Mädchen deines alters doch nicht so etwas antun.", sagt Mama plötzlich mit gebrochener Stimme. Oh nein. Sie wird wegen MIR weinen. Das kann ich überhaupt nicht ab. Ich möchte zu Mama gehen und sie in den Arm nehmen, aber mein Vater blockt ab. „Nein lass es sein.", sagt er streng. Ich schreck etwas zurück vor seinem Ton. So hat er seit dem mit Andy nicht mehr mit mir geredet. Ich habe wirklich die Grenze überschritten, aber so schlimm war es jetzt doch auch nicht. Ich habe ihr vielleicht einige blaue Flecke verpasse, mehr aber auch nicht.

Mich überkommt eine Welle der Traurigkeit und der Wut. Ich gucke beschämt zu Boden und versuche meine Tränen zu unterdrücken und gleichzeitig balle ich meine Fäuste und versuche weiter normal zu atmen, um mich zu beruhigen. Mein Herz zieht sich zusammen und es bildet sich ein Knoten in meinem Hals, sodass ich nichts mehr sagen kann. Es schnürt mir fast die Luft zum Atmen ab. „Du hast die Grenze maßgeblich überschritten. Wir wissen einfach nicht mehr, was wir mit ihr machen sollen. Das können wir nicht mehr tolerieren.", sagt meine Mutter schniefend und versucht ernst zu bleiben und nicht zu weinen. Vergebens.

„Wir haben schon viel darüber diskutiert und sind zu dem Entschluss gekommen, dass du dich entscheiden musst.", fängt mein Vater an ernst zu sagen. Er guckt mich dabei die ganze Zeit an, so ernst wie es nur geht. So hat er noch nie geguckt. Meine Angst wird immer größer, was jetzt wohl kommen mag. Ich bin wirklich auf alles gefasst, außer auf das, was jetzt kommt. „Entweder du hörst auf mit Kickboxen oder du musst ausziehen.", sagt mein Vater dann.

Ich reiße meine Augen weit auf und kann nicht glauben, was er gerade gesagt hat. „Ist das euer ernst?", frage ich sie ungläubig. Mein Mutter nickt nur leicht und weint noch mehr. Meiner Mutter fällt das wohl nicht so leicht, wie meinem Vater. Und das alles nur, weil ich einmal etwas doller zugetreten habe. „Ja.", bestätigt mein Vater es nochmal. Diesmal mit einer noch ernsteren Stimme, als er das eh schon hat, wenn das überhaupt noch geht.

„Das kann nicht euer ernst sein?!", schreie ich sie schon fast an. Ich kann es nicht glauben. Meine Eltern schmeißen mich wirklich raus, oder ich höre auf, für meinen Traum zu kämpfen. Ich hätte wirklich mit allem gerechnet, aber damit hatte ich selbst in meinen schlimmsten Albträumen nicht gerechnet. Das kann doch nicht ernsthaft deren ernst sein? Als erstes unterstützen sie mich noch und bauen mich wieder auf. Sagen mir, dass ich das wieder hinbekomme und dass alles besser wird und dann werfen sie das alles in den Dreck wegen einer kleinen Aktion von mir?! Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll...

„Uns fällt das genauso schwer wie dir, aber du lässt uns ja keine andere Wahl.", fügt mein Vater noch hinzu. Ich zwinkere mehrere malen mit den Augen, damit ich mir auch sicher bin, dass ich mich gerade nicht verhört habe. Ist das sein ernst??? Als ob ihm das nicht leicht fällt, mich raus zu schmeißen. Die beiden haben doch auf den kleinsten Fehler von mir gewartet, damit sie mich vor dieses Ultimatum stellen können. „Ich...!!", frage ich an, unterbreche mich aber selbst.

„Bitte beruhige dich doch.", sagt Mama mit ruhiger Stimme, die aber immer noch zittrig ist. Sie kann einfach nicht aufhören zu weinen. Weint sie jetzt, weil sie mich rausschmeißen oder weil sie enttäuscht von mir ist? Da blicke ich nicht mehr wirklich durch und ich muss zugeben, dass mich das etwas aufregt. Kann die nicht mal aufhören zu weinen? Wenn sei mich nicht rausschmeißen will, dann soll sie es auch nicht tun!

Ich laufe so schnell ich kann wieder in den Flur, ziehe mir meine Schuhe wieder an und schnappe mir noch mein Jacke. Ich höre, wie meine Mutter aufsteht und mir hinterher ruft, aber das ignoriere ich. Ich muss hier weg, sonst schlage ich hier noch alles kurz und klein. Und das kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen.

„Warte doch bitte! Kiki!!", ruft Mama noch und hält mich am Arm fest. Ich drehe mich wütend zu ihr um und gucke in ihr verweintes Gesicht. Ich hasse es, sie so zu sehen. Ich würde sie am liebsten in den Arm nehmen und ihr sagen, wie leid es mir tut, aber das geht nicht. „Du musst nicht gehen.", sagt sie und versucht dadurch mich zum bleiben zu überreden, aber damit bewirkt sie nur das Gegenteil. Deshalb kann ich sie nicht in den Arm nehmen und trösten. „Ihr lasst mir ja keine andere Wahl. Ich muss gehen, sonst war alles, was ich bis jetzt erreicht habe für die Katz!", motze ich sie an. Ich reiße mich von ihr los und laufe los. Irgendwo hin, nur bloß weg von zu Hause.

So verschieden und doch so gleichWhere stories live. Discover now