Kapitel 110

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Ich wache auf und merke, dass der Platz neben mir leer ist. Kann Yoongi schon wieder nicht schlafen? Ich schaue auf die Uhr. 8:37 Uhr. Vielleicht ist er auch schon aufgestanden, das ist aber eher unwahrscheinlich. Ich kenne meine Schlafmütze. Ich stehe auf und ziehe mir schnell noch ein T-Shirt von ihm über und verlasse dann sein Zimmer. Sein T-Shirt hat den Geruch von ihm. Wie ich dieses Geruch liebe. Ich würde ihn unter tausenden immer noch erkennen. Niemand riecht so wie er.

Im Wohnzimmer sitzen Jin und Namjoon auf dem Sofa und lesen. „Habt ihr Yoongi gesehen?", frage ich die beiden verschlafen. Die heben überrascht ihren Kopf. „Du bist auch schon wach.", stellt Jin schmunzeln fest. „Der ist glaube ich in seinem Studio.", beantwortet mir Namjoon meine Frage. „Weißt du was mit ihm sein könnte? Er ist schon seit gestern Abend so.", fragt er, als ich gerade gehen wollte.

Ja...leider. Ich bin daran Schuld. Anscheinend haben die Jungs unseren kleinen Streit nicht mitbekommen. „Ja...", antworte ich ihm nur und mache mich auf den Weg zu seinem Studio. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen und ich würde am liebsten gleich wieder umkehren, aber ich muss mit ihm reden. Das bin ich ihm schuldig. Und das muss noch vor heute Abend passieren.

Ich bleibe vor seinem Studio stehen und atme noch einmal tief ein und wieder aus. Ich muss da jetzt durch. Ich hatte zwar gehofft, dass ich es ihm nie erzählen müsste, aber es war doch schon von Anfang an klar, dass ich es musste. Ich bin davon aber nicht so angetan. Und so wie er gestern reagiert hat, da könnte er doch auch im Internet gucken. Vielleicht hat er das ja auch schon längst? Egal, ich muss jetzt mit ihm reden!

„Yoongi?", sage ich sanft, als ich sein Studio betrete. Er brummt nur einmal und produziert weiter seinen Song. „Können wir bitte reden?", frage ich ihn, als ich neben ihm stehe. Er nimmt seine Kopfhörer ab und guckt mich ernst und genervt an. Mir tut es im Herzen weh, dass er mich so anguckt, aber ich bin daran selbst Schuld. Das habe ich verdient. „Jetzt plötzlich willst du mit mir reden.", sagt er mit einem ironischen Unterton. Aua.

„Bitte.", sage ich ruhig. Ruckartig steht er auf und ich schrecke etwas zurück. Was hat er jetzt vor? „Such dir einen anderen Idiot dafür.", sagt er kalt. Das tut echt weh. Er wollte aber doch, dass ich mit ihm rede und jetzt plötzlich nicht mehr. „Aber..." fange ich an, bringe meinen Satz aber nicht zu Ende. Er dreht sich noch einmal zu mir um und guckt mich mit seine dunkelbraunen Augen an. „Ich bin es leid. Du schläfst seit Wochen wieder schlechter. Genau genommen, seitdem du deinen Title hast. Ich weiß nicht was passiert ist, also kann ich es auch nicht beurteilen, aber ich stelle mir Fragen. Das musst du verstehen.", sagt er traurig und geht.

Ich spüre, wie mir Tränen die Wange runterlaufen. Also weiß er es nicht. Er hat kein einziges mal im Internet geguckt? Jetzt fühle ich mich schlecht. Ich habe ihm nicht vertraut und dachte, dass er es bestimmt schon im Internet nachgeguckt hat. Meine Beine reagieren sofort und ich laufe ihm hinterher ins Wohnzimmer.

„Ich habe die Kontrolle verloren und ihn verprügelt!", rufe ich ihm zu. Als er das hört, bleibt er stehen und dreht sich zu mir um. Ich habe es tatsächlich gesagt. „Es war nach einem Kampf. Ich hatte vorher schon immer Probleme meine Aggressionen zu kontrollieren.", fange ich an zu erzählen. Ich versuche so gut wie möglich meine Tränen zurück zu halten, aber sie laufen wie ein Wasserfall.

„Ich habe gewonnen und bin zu Junki gegangen, als jemand kam und mir wieder die gleich Frage stellte, wie all die anderen. Ob ich nun meine Aggressionen unter Kontrolle habe. Ich hätte ihm den Kopf abreißen können.", sage ich mit gebrochener Stimme. Yoongi guckt mich mitleidig an und kommt etwas auf mich zu. „Aber anstatt, dass Andy versucht mich zu beruhigen, hat er mich provoziert. Irgendwann habe ich dann zugeschlagen...", erzähle ich weiter. Als ich mich wieder an die Scene erinnere, erscheint erneut sein Blutverschmiertes Gesicht vor mir und wie er mich noch weiter provoziert.

Ich spüre, wie mich zwei starke und warme Arme umarmen und Yoongi drückt mich an seine Brust. Es hat keinen Sinn mehr, meine Tränen vergebens zu versuchen zurück zuhalten. Ich lasse ihnen freien lauf. „Ich habe immer weiter auf ihn eingeschlagen. Ich hatte mich einfach nicht mehr unter Kontrolle. Wäre dein Bruder nicht dazwischen gegangen, hätte ich nie aufgehört.", schluchze ich in seine Brust.

Beruhigend streichelt er mir über den Rücken. „Alles ist gut.", sagt er leise. „Nein.", entgegne ich ihm. Ich löse mich leicht aus unserer Umarmung und gucke ihm tief in die Augen. „Ich hätte ihn töten können, wenn Junki nicht dazwischen gegangen wäre.", sage ich etwas lauter und fange wieder an zu weinen. „Aber das ist nicht passiert.", sagt Yoongi und wischt mir vorsichtig meine Tränen aus dem Gesicht. „Aber ich hätte...", setzte ich an, werde dann aber sofort wieder von ihm unterbrochen. „Das hast du aber nicht.", sagt er sicher.

„Ich bin gefährlich, ein Monster.", sage ich und gehe etwas auf Abstand von Yoongi. Jetzt weiß er es. Ich könnte ihm sowas auch antun. Ich gucke ihm in die Augen, erkenne aber keine Angst oder desgleichen, sondern Stolz? Ist er stolz auf mich? Aber warum? Ich habe doch nichts gemacht.

„Das bist du nicht. Du bist die wundervollste Person, die ich kenne und nichts auf dieser Welt kann mich vom Gegenteil überzeugen. Niemals.", sagt er liebevoll und kommt auf mich zu. „Also hast du keine Angst oder so?", frage ich etwas ängstlich und verwirrt. „Warum sollte ich. Wir sind jetzt auf den Tag zwei Jahre zusammen und du hast in dieser Zeit kein einziges mal deine Stimme gegen mich oder die Jungs erhoben. Wenn du wütend warst, hast du den Boxsack so lange geschlagen, bis du es nicht mehr warst.", erklärt er mir. „Aber...", setze ich an, werde aber sofort wieder von ihm unterbrochen.

„Da gibt es kein Aber. Du hast in den letzten zwei Jahren doch gezeigt, dass du nicht mehr so bist. Warum siehst du nicht das in dir, was ich in dir sehe? Du bist in meinen Augen kein Monster, sondern das genaue Gegenteil davon, ein Engel. Du kämpfst für deine Träume und alles, was du liebst. Ich liebe dich und das wird sich nie ändern, verstanden?", sagt er während wir uns tief in die Augen gucken.

Meine Tränen wollen einfach nicht aufhören zu laufen und dann ist da auch noch mein Herz, was mir gleich aus der Brust springt. Noch nie hat mir jemand sowas gesagt und ich würde ihm am liebsten in die Arme fällen, aber ich bin wie gelähmt. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Yoongi kommt noch näher und schließt damit den restlichen Abstand, der noch zwischen uns war und legt seine Lippen auf meine. Er hat eine Hand auf meine Taille gelegt und die andere in meinen Nacken. Ich lege meine Hände in seinen Nacken und ziehe ihn noch näher an mich, wenn das überhaupt noch geht.

„Ich bin so stolz auf dich, mein Engel.", sagt er mir, als wir uns wieder lösen und wischt mir die restlichen Tränen aus meinem Gesicht.

„Also damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.", hören wir plötzlich Jimin hinter uns.

So verschieden und doch so gleichOù les histoires vivent. Découvrez maintenant