Kapitel 22

497 12 0
                                    

„Nein, nein. Alles gut. Wie geht es dir denn?", fragt sie mit süßlicher Stimme. Oh Gott, das macht meine Stimmung nicht besser. „Scheiße.", sage ich schluchzend. Kurze Stille herrscht zwischen uns, dann höre ich sie seufzen. „Das kann ich mir vorstellen.", sagt sie mitleidig.

Ich lege mich quer aufs Bett und versuche nicht wieder an den Gesichtsausdruck von meinen Eltern zu denken, als sie erfahren habe, dass ich tatsächlich ausziehe. Zu spät. Mir laufen wieder die Tränen übers Gesicht und ich kann sie einfach nicht stoppen. „Sie haben mich rausgeschmissen...", flüstere ich ins Telefon mit zittriger Stimme. „Meine Süße...", sagt Lana mit ihre süßlichen Stimme und jetzt muss ich erst recht weinen.

„Sie...Sie haben mir ein Ultimatum gestellt...", versuche ich ihr ruhig zu erklären, aber ich kann einfach nicht aufhören zu weinen. Wenn ich nur daran denke, wie sie mir es gesagt haben, zieht sich mein Herz zusammen und meine Brust fängt an zu schmerzen. Dieser unausstehliche Schmerz ist wieder da und wird nicht mehr gehen, da bin ich mir sicher. „Was für eins denn?", fragt sie vorsichtig. „Kickboxen oder sie.", kürze ich es ab und schluchze erneut.

Ich schließe kurz die Augen und versuche mich zu beruhigen. Tief ein und wieder ausatmen. Ein und wieder ausatmen. Es funktioniert ein bisschen. Meine Atmung normalisiert sich etwas, aber meine Tränen laufen immer noch wie ein Wasserfall. „Und du hast dich für Kickboxen entschieden?", fragt sie ruhig. Ihr scheint das alles ja nicht so zuzusetzen, wie mir. Na ja, sie ist ja auch nicht in meiner Situation.

„Ja...", antworte ich leise. „Und ich weiß nicht, ob ich es bereuen soll...", füge ich schluchzend noch hinzu. „Lana!! Du sollst schlafen!", höre ich es plötzlich von der anderen Leitung. Oh nein. War ich zu laut? Ich hätte sie nicht anrufen sollen. Ich bin so blöd! Jetzt bekommt sie bestimmt ärger. „Tut mir leid, das wollte ich nicht.", flüstere ins Telefon. „Schon gut.", antwortet mit Lana ruhig. „Treffen wir uns morgen im Park? Dann kannst du mir alles in Ruhe erklären. Ich weiß, dass du in guten Händen bist. Ruh dich gut aus.", sagt sie noch schnell hinterher und legt dann auf.

Jetzt bekommt sie echt ärger wegen mir. Und was ist, wenn sie morgen nicht raus darf?? Was ist, wenn ihre Mutter das nicht erlaubt? Ich meine sie ist doch Krank, da wird ihre Mutter sie bestimmt nicht raus lassen. Und, bin ich überhaupt morgen in der Lage raus zu gehen? Ich meine, ich sah heute aus wie ein Zombie und ich werde morgen auch nicht besser aussehen.

Ich starre auf mein Handy, was noch immer an ist. Ich sehe, dass ich eine Nachreichte bekommen habe. Stimmt, da war ja was. Ich wische mir schnell die Tränen aus dem Gesicht und versuche mich wieder zu beruhigen, vergebens. Mir laufen immer wieder kleinere Tränen die Wangen runter.

Ich öffne mit zitternden Händen die Nachricht. Was wenn es meine Eltern sind? Was, wenn sie sich entschuldigen wollen? Was, wenn sie mir jetzt schreiben, dass sie mich vermissen? Was, wenn sie mir jetzt schreiben, dass sie stolz auf mich sind? Mir schießen tausende Gedanken durch den Kopf und ich bekomme es mehr und mehr mit der Angst zu tun. Die unberechtigt ist. Es ist nur Junki. Ich hoffe du bist gut angekommen :) Wie geht es deiner Hand?

Ist ja schön und gut, dass er sich sorgen um mich macht, aber das ist nicht die Person, von der ich gerne so eine Nachricht bekommen hätte. Tief in mir drin, hoffe ich doch noch, dass mir meine Eltern schreiben und dass ich zurück zu ihnen kann, aber ich weiß auch, dass dies nicht passieren wird.

Enttäuscht und mit zittrigen Händen antworte ich ihm dann. Bin gut angekommen, kann aber wahrscheinlich für die nächsten 8 Tage nicht Trainieren :( Seine Antwort lässt nicht auf sich warten. Schade. Ruh dich erstmal aus, dann gucken wir weiter :) Der Schmerz in meiner Brust verschwindet wieder ein bisschen, bleibt aber dennoch da. Er ist einfach die falsche Person, die sich um mich sorgen macht. Ich möchte, dass sich meine Eltern Sorgen um mich machen und nicht mein Trainer.

Ich lege mich wieder ordentlich in mein Bett und starre die Wand an. Ob die Jungs schon schlafen? Bestimmt. Ich meine, sie haben doch bestimmt viel zu tun. Musikvideos drehen, Shootings, die Tänze einstudieren und dann auch noch die Lieder Komponieren, Produzieren und schreiben. Das muss doch voll viel arbeite sein.

Ich bleibe ganz still und horche, ob ich draußen noch was höre. Alles ist still, niemand ist zu hören. Dann müssen sie alle schon schlafen. Und was ist, wenn nicht? Was, wenn sie sich gerade leise über mich unterhalten und ich dann plötzlich da reinplatze? Das wäre nicht besonders produktiv, das würde die Situation wahrscheinlich noch schlimmer machen. Aber wenn ich niemanden höre, dann kann auch niemand im Raum sein, oder?

Ich stehe langsam und leise auf und schnappe mir noch meine Decke. Die ist so unglaublich weich, ich fühle mich wirklich wohl mit ihr. Ich laufe auf Zehenspitzen zur Tür und öffne sie einen Spalt. Der Flur ist dunkel und auch im Wohnzimmer leuchtet kein Licht. Perfekt!

Ich gehe so leise wie nur möglich in Richtung Wohnzimmer und versuche gegen nichts zu laufen. Ich suche an der Wand nach einem Lichtschalter und finde ihn auch relativ schnell. Ich macht das Licht an und werde gefühlt fast Blind. Ich hätte vorher meine Augen zu machen sollen, damit die sich an die plötzliche Helligkeit gewöhnen können. Nun ist es auch zu spät.

Meine Sicht wird wieder besser und ich erblicke ein großes Sofa. Jaaaa!!! Danach habe ich gesucht. Na ja, eigentlich weiß ich gar nicht, wonach ich gesucht habe. Auf das Sofa passen bestimmt mindestens fünf Leute, also kann ich es mir hier richtig gemütlich machen.

Vom Sofa aus kann man perfekt auf einen großen Fernseher gucken. Dagegen hätte ich jetzt auch nichts. Etwas Ablenkung kann ja auch nicht schaden. Also schalte ich den Fernseher an und zappe ein bisschen durch die Programme. Ich lande schließlich wieder auf dem ersten, wo eine Wiederholung von irgendeiner Talentshow läuft. Wirklich spannend ist die jetzt nicht, aber ist immer noch besser, als in meinem Zimmer mich in den Schlaf zu weinen.

Ich sitze hier keine fünf Minuten, da fallen mir meine Augen auch schon zu. Heute war echt ein anstrengender Tag. Den Schlaf habe ich mir auf jeden Fall verdient.

So verschieden und doch so gleichWhere stories live. Discover now