Kapitel 67

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Stille. Das ist das einzige was man hören kann. Keiner von uns beiden sagt etwas. Ich schaue schweigend aus meinem Fenster und Yoongi achtet auf die Straße. Macht er sich wirklich Vorwürfe? Aber weswegen denn? Er hat doch nichts falsch gemacht. Ich habe doch etwas falsch gemacht. Ich habe nicht mit ihm geredet. Ich habe ihn nicht um Hilfe gebeten, als ich sie brauchte. Und das nur, weil er so friedlich geschlafen hat. Aber er braucht doch seinen Schlaf. Er arbeitet hart, da bekommt er schon wenig schlaf. Erinnern wir uns doch mal an die Tage, wo Yoongi und ich uns gar nicht gesehen haben, weil er so viel arbeiten musste.

„Es tut mir leid.", sage ich leise und gehe eigentlich davon aus, dass er es nicht gehört hat, ich werde aber von Gegenteil überzeugt, als er sich zu mir dreht und fragt: „Was?" Er wendet schnell seinen Blick wieder auf die Straße. Ich seufze laut. „Ich wollte dich nicht wecken.", sage ich bedrückt. „Und ich wollte nicht, dass du dir wieder so viele Sorgen machst.", füge ich etwas leiser hinzu. Natürlich hat er das aber auch verstanden. Wie komme ich auch darauf, dass er mich nicht verstehen würde, bei unserer Stille würde man selbst eine Fliege furzen hören.

Er nimmt eine Hand vom Lenkrad und streichelt mein Knie. Es fühlt sich beruhigend an, aber meine Stimmung hebt es nicht an. Ich muss mich immer wieder fragen, ob das meine Eltern wirklich gemacht haben. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Sie waren doch immer so gut zu mir und haben mich aufgemuntert und motiviert weiter zu machen. Das ist doch paradox. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mich Junki angelogen hat. Das ist beides für mich unvorstellbar. Wie ich sowas hasse.

„Was ist denn los?", fragt er mich mit Besorgnis in der Stimme. Ich seufze erneut einmal laut und gucke ihn betrübt an. „Können wir vorher noch bei meinen Eltern halten?", frage ich plötzlich. Er guckt mich etwas erschrocken an. „Bist du dir sicher?", fragt er mich. „Ja.", sage ich nickend und entschlossen. Er nickt und guckt wieder auf die Straße. Ich weiß gerade selbst nicht was das war. Ich möchte aber mit meinen Eltern darüber reden. Ich muss es einfach wissen. Ich kann jetzt nicht einfach weiter im Dunkeln tappen und hoffen, dass ich das alles nur geträumt habe oder so.

Ob sie mir sagen werden, dass Junki recht hat? Ich hoffe doch, dass sie ihm nicht recht geben, aber ich will auch nicht, dass Junki mich angelogen hat. Das wäre genauso schlimm, wie wenn meine Eltern mich angelogen hätten. Warte! Was habe ich Yoongi eben gefragt? Ob er vorher noch bei meinen Eltern halten kann? Oh Gott, warum habe ich das gefragt? Ich kann ihnen doch nicht in so einem mentalen Zustand, in dem ich mich befinde, gegenüber treten. Dann werde ich sie anschreien und anfangen zu weinen und ein reisen große Szene daraus machen. Oh Gott...

Ich spüre, wie die Angst in mir steigt und ich leicht Panik bekomme. Wie werden sie reagieren, wenn ich vor ihrer Tür stehe? Werden sie sich freuen? Werden sie die Tür sofort wieder zuschlagen? Wird Mama anfangen zu weinen? Wie wird Papa reagieren? Wird er böse sein, dass ich jetzt bei ihnen auftauche? Ich meine ich war ja auch nicht besonders nett zu ihnen, als sie bei den Jungs zu Hause geklingelt haben. Ich war alles anderes als nett zu ihnen.

Meine Gedanken sind komplett durch einander und ich weiß nicht mehr was ich denken soll. Plötzlich spüre ich, wie Yoongi seine Finger mit meinen verschränkt. Irgendwie beruhigt es mich etwas, aber ich habe dennoch Angst, aber ich mache jetzt keinen Rückzieher. Einerseits, weil Yoongi mich dann eigenhändig vor die Tür ziehen würde und andererseits will ich es ja auch irgendwie. Ich möchte eine Antwort haben.

„Junki hat mir erzählt, dass...", fange ich an, stoppe aber. Ich kann ihm jetzt nicht einfach sagen, dass meine Eltern das mit Andy nur als Ausrede benutzt haben. Er weiß davon ja nichts. „Dass sie mich nie wirklich bei meinem Traum unterstützt haben und ihn häufiger gebeten haben, mich davon zu überzeugen, aufzuhören.", erzähle ich zu Ende. Er antwortet darauf nicht. Er drückt meine Hand nur etwas, als Zeichen, dass er für mich da ist. Es ist zwar nur eine kleine Geste, aber ich weiß sie zu schätzen.

„Da wären wir.", sagt er und stoppt das Auto. Sind wir tatsächlich schon da? Oh Gott, jetzt ist es so weit. Meine Gefühle überhäufen sich. Ich spüre wie Trauer und Wut in mir hoch kommen, die Wut vermehrt. Ich steige vorsichtig aus und möchte die Tür zu machen, als Yoongi mich unterbricht. „Soll ich mitkommen?", frage er mich besorgt. „Nein, warte bitte hier.", antworte ich ihm mit einem leichten Lächeln. Das was gleich passiert soll er nicht mitbekommen.

Ich mache die Tür zu und gehe mit gemischten Gefühlen zu der Tür meiner Eltern. Soll ich es wirklich tun? Ich muss es, ich möchte antworten. Ich nehme all meinen Mut zusammen und klopfe an. Ich höre Schritte, die immer näher kommen, bis sich die Tür öffnet und meine Mutter mich überrascht anguckt. „Kiki...", sagt sie nur. Kein Lächeln oder sonst irgendwelche Art der Freude zeigt sie nicht. Also freut sie sich nicht, mich zu sehen. Eine Welle der Wut überkommt mich und ich habe wenig Lust mich zurück zu halten. Kontrollieren kann ich mich ja dennoch. Da bin ich mir sicher.

„Ihr habt mich also nie wirklich unterstützt?!", motze ich sie an. „Und ihr habe den Vorfall mit Andy nur als Ausrede benutzt. Ihr habt mich nie unterstütz und habe auch deshalb nie gesagt, dass ihr stolz auf mich seid!", fange ich jetzt an zu schreien. Meine Mutter guckt mich nur entgeistert an und geht einige Schritte zurück. Ich sehe, dass sie Angst vor mir hat, aber das ist mir egal.

„Er hat es dir gesagt, oder?", fragt sie voller Angst und Erschütterung. „JA!", schreie ich sie noch lauter an. Nun kommt auch mein Vater und möchte gucken, was hier vor sich geht. Als er mich sieht, wird er ganz blass im Gesicht. Er will was sagen, aber aus seinem Mund kommt kein einziger Ton. Er bleibt einfach so mit offenem Mund stehen.

Ich sehe fast genauso aus wie er. Meine Mutter hat also das bestätigt, was mit Junki erzählt hat. „ALSO STIMMT ES?!", frage ich schreiend und mit einigen Tränen in den Augen. „Was geht hier vor sich?", fragt mein Vater nach einigen Sekunden. „Junki hat es ihr gesagt...", sagt meine Mutter leise zu ihm. „Oh...", kommt es nur aus seinem Mund. Ich kann es nicht fassen. Sie versuchen es nicht einmal zu leugnen.

„WAS IST FALSCH MIT EUCH?!!!",frage ich sie schreiend. Meine Mutter möchte auf mich zu kommen, aber ich gehe einige Schritte zurück. „Ich will euch nie wieder sehen. Bleibt von mir Vern oder ich kontrolliere mich das nächste mal nicht mehr.", motze ich sie an. Ich mache auf dem Absatz kehrt und gehe wütend und weinen zurück zum Auto. Bevor ich die Tür auf mache, wische ich mir noch schnell die Tränen aus dem Gesicht und versuche mich zu beruhigen. Wenigstens für die Autofahrt.

So verschieden und doch so gleichWhere stories live. Discover now