Gefühle

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Aus dem Bett war sie heute gar nicht erst aufgestanden, es wartete eh keiner auf sie. Shi war alleine zur Akademie gegangen und alle anderen waren fleißig am trainieren. Sie selbst hatte keine Motivation dazu. Die Anbu Leute hatten ihr gestern die Fingerzeichen für die Jutsus erklärt und waren dann auch schon wieder verschwunden. Training alleine war wirklich öde, weswegen sie es heute sausen ließ. Außerdem ging es ihr um ehrlich zu sein gar nicht gut. Seit ihr Geheimnis gelüftet wurde, verspürte sie diesen ständigen Schmerz und die Einsamkeit. Kummervoll vergrub sie ihren Kopf in ihren Kissen. Sie vermisste ihre Familie so unglaublich und immer wenn sie alleine war, nahm dieser Schmerz noch mal eine andere Dimension an. Es fühlte sich so an, als wäre dieses Massaker erneut passiert. Dadurch, dass sie darüber reden musste, waren alle Erinnerungen wieder aufgefrischt worden und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Das Leid steckte wieder tief in all ihren Knochen und sie würde es am liebsten alles heraus schreien, doch dafür fehlte ihr die Kraft. Stattdessen fing sie an zu schluchzen. Schnell fiel es ihr schwer Luft zu bekommen, sodass ihr bald die Lunge weh tat. Schmerzerfüllt schlang sie ihre Arme um ihren Körper. Sie krümmte sich schon vor Schmerz und dabei handelte es sich nicht wirklich um den physischen Schmerz, sondern eher um den Psychischen. Ihr Wimmern wurde immer lauter und ihre Augen fingen an zu brennen, doch es kamen keine Tränen mehr, die hatte sie schon vor langer Zeit alle verbraucht. "Warum nur?", flüsterte sie in ihr Kissen. "Warum nur?", krächzte sie etwas lauter. Ihr war so furchtbar kalt, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als noch ein letztes Mal die warme Hand ihres Vaters zu greifen, oder die liebevolle Umarmung ihrer Mutter zu spüren. All das hatte man ihr genommen. Die Liebe ihrer Eltern und die Freude ihrer Geschwister. Nur ihr Leben hatte man ihr gelassen, doch das war ihr schon lange nichts mehr wert. Der einzige Grund, warum sie noch am Leben war, war um Shi zu beschützen und dafür hatte sie all diese Qualen erlitten. Doch gerade wollte sie nur noch sterben. Ihr Heimweh fraß sich in jedes Organ in ihrem Körper, das sie gerade noch am Leben hielt und sie wünschte sich nichts sehnlicheres, als das ihr Körper endlich versagte. Doch er tat es einfach nicht. Ihr Körper schnappte weiter verzweifelt nach Luft und presste diese durch ihren zugeschnürten Hals. Wann würde sie nur jemand von diesem verdammten Schmerz erlösen?

Sie konnte gar nicht mehr aufhören tränenlos zu weinen. Anders wusste sie gar nicht, wie sie diesen Kummer aushalten soll. Ihr Körper war wie zu Eis erstarrt und alles fühlte sich so schwer in ihr an. Sie konnte mit keinem darüber reden, da sie allen gesagt hatte, dass es ihr gut gehe. Außerdem wollte sie nicht, dass andere sie so schwach und elendig sehen, nachdem sie immer das taffe Mädchen gespielt hatte. Aber das konnte sie gerade nicht mehr sein.

Auf einmal spürte sie, wie ihr jemand sanft über den Kopf strich. Augenblicklich verstummte ihr Geheule und sie verkrampfte sich noch mehr. Die Person hörte allerdings nicht auf sie behutsam zu streicheln. Sie musste einmal schwer schlucken. Die letzte Person die sie gerade sehen wollte war Shi, doch sie war die einzige, die alleine in die Wohnung kam. Sie wollte für Shi immer ein Fels in der Brandung und nicht ein Frack am Meeresgrund, weswegen sie ihr nie ihre negativen Gefühle gezeigt hatte und jetzt war sie erst recht nicht bereit dazu.

Als sie sich etwas mehr auf die Person hinter sich konzentrierte, vielen ihr die großen, warmen Hände auf. "Wie bist du in meine Wohnung gekommen und was machst du hier?", versuchte sie kühl zu fragen, doch ihre Stimme zitterte extrem. "Dein Fenster war offen und wollte dir anbieten mit mir zu trainieren", antwortete Kakashi ehrlich. "Was fällt dir ein einfach hier einzubrechen?", fuhr sie ihn mit dünner Stimme an. Sie hatte sich immer noch nicht zu ihm umgedreht und starrte weiter an ihre Wand. "Willst du mir sagen, was mit dir los ist?", fragte er ruhig und sie schüttelte den Kopf. Sie hörte wie er aufseufzte, doch dann spürte sie, wie sie etwas hochgehoben wurde und wieder auf einer warmen Brust runter gelassen wurde und er sie fest umschlossen festhielt. Sie wehrte sich nicht, dafür war sie viel zu ausgelaugt. Andererseits wollte sie seiner Umarmung auch nicht entkommen. Sie fühlte sich so beschützt und aufgehoben, das sie sich wünschte nie wieder losgelassen zu werden, denn sie fühlte sich nicht mehr so alleine. Ihr Schmerz war allerdings nicht vergangen, weshalb sie bald wieder anfing zu schniefen und sie krallte sich in seinen Arm. Wenn er doch einfach nur diesen Kummer von ihr nehmen könnte. Doch das war nicht möglich, das wusste sie, weshalb sie sich ihrem Jammer wieder aussichtslos hingab.

Ihr Atem ging nicht mehr so unkontrolliert, sondern sie hatte ihren an seinen angepasst. Auch wenn sie gedacht hatte, dass er ihr nicht helfen konnte, ging es ihr jetzt schon besser. Er hatte nur beruhigend ihren Kopf gekrault und sie an sich gedrückt, aber allein das hatte sie etwas runterkommen lassen. Vorsichtig löste sie den Griff um seinen Arm und setzte sich dann etwas auf. Sie drehte sich um, sodass sie jetzt in seine Richtung saß und schaute in aus kleinen Augen an. Er sah sehr besorgt aus: "Geht's dir wieder besser? Dir geht es wegen deiner Familie so, oder?" Sie nickte stumm. Sanft legte er seine Hand an ihre Wange und zog sie etwas zu sich, um ihr einen leichten Kuss auf ihren Haaransatz zu geben. Dann legte er seine Stirn an ihre. Erschöpft schloss sie die Augen und lehnt ihren Kopf etwas gegen seinen. Er strich mit seinem Daumen behutsam über ihre Wange. "Eigentlich wollte ich heute endlich deinen Einzug in die Endrunde mit dir feiern, weil ich dir glaub ich noch nicht Mal richtig gratuliert hab", flüsterte er. Sie  hob ihren Kopf wieder an und lächelte ungläubig: "Das willst du wirklich feiern?" "Hmm", nickte er, "Ich bin wirklich sehr stolz auf dich, Kleines." "Das ist doch keine riesen Sache, es ist doch nicht das Finale, außerdem war der Junge, gegen den ich gekämpft hab überhaupt nicht stark", winkte sie ab. "Na und? Ich bin so stolz, da du an der letzten Runde teilnehmen willst. Ich weiß doch, wie schwer es dir fällt, mit deinem echten Namen unter so viele Leute zu treten, die von überall herkommen. Und du hast dem Jungen doch gar keine Chance gegeben sich zu beweisen, vielleicht war er ja super stark, wir haben es nur nicht gesehen!", strich er ihr liebevoll durchs Haar. "Du bist doch da, so kann mir doch gar nichts passieren. So lang du an meiner Seite bist, hab ich keine Angst", antwortete sie mit leiser Stimme und legte sich wieder auf seine Brust, um seinem Herzschlag zu horchen.

Kakashi, das Eis, das sein Herz erwärmt.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt