"Vielleicht hab ich sie geliebt."

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"Also?", fragte sie vorsichtig und lehnte sich zurück an die Lehne des Sofas. Kakashi saß neben ihr und drehte ein Bild in seiner Hand. Sie kannte diese Foto. Er hatte es eingerahmt in seiner Küche auf gehangen und es zeigte den vierten Hokage, Kakashi und noch zwei andere. "Also.", wiederholte er sie und gab ihr das Bild in die Hand. Sie betrachtete es ganz genau, als meinte sie eine Lösung darin zu finden, warum Kakashi ihr eine Ausgangssperre verhängt hatte. Doch sie fand keine Antwort. Nur zwei Personen, die sie noch nie irgendwo gesehen hatte. "Ist das Rin?", spekulierte sie und deutete auf das braunhaarige Mädchen mit ebenso braunen Augen. Lumi hatte sie noch nie irgendwo gesehen und konnte sich auch an niemanden erinnern, der eine lila Bemalung auf der Wange hatte, weswegen das sicher Rin sein sollte. "Ja, das ist Rin.", antwortete er und sein Blick fixierte sich auf das besagte Mädchen und nicht wie sonst auf Lumi selbst. "Und willst du mir noch mehr erzählen?", hakte sie höflich nach und er nickte. Sie hatte ihn noch nie traurig gesehen. Noch nie zufuhr hatte sie Kummer an ihm gesehen, doch jetzt verbarg er es auch nicht mehr. Die Trauer war klar in seinen Augen zu erkennen, die noch immer auf Rin lagen. Dann fing er an zu erzählen: "Ich sollte vielleicht von Anfang an erzählen.", überlegte er, "Dann kannst du das alles besser verstehen." "Klar.", sagte sie leise und gab ihm das Bild zurück, denn er schien es in seinen Händen zu vermissen. 

Also legte er los. Er berichtete zuerst von Obitos Tod und wie er das Sharingan bekam, erzählte dann von Rins Entführung und anschließendem Tod und schließlich von dem von, wie sie soeben erfahren hatte, Narutos Eltern. Auch seine spätere Zeit bei der Anbu ließ er nicht aus, denn er wollte ihr einfach alles erzählen. Das war auch gut, denn nun verstand sie seine Angst. Angst vor der Liebe, Angst vor dem Tod und damit Angst vor dem Verlust eines Geliebten Menschen. Und nun sah sie auch die Parallele zu Rins Schicksal. Kakashi hatte das Ganze schon einmal durchgemacht. Rin wurde auch entführt und starb daraufhin und er hatte Angst, dass sich das Ganze noch einmal wiederholt. Deshalb war er immer so vorsichtig wenn es um sie geht. Deshalb wollte er sie immer so dringend beschützen. Und deshalb hatte er Angst eine Beziehung einzugehen, denn es war wirklich jeder Mensch in seinem Leben gestorben, den er geliebt hatte. "Naja und selbst heute noch plagen mich jede Nacht in der ich nicht mit dir bin Albträume von Rins Tod. Ich sehe es immer wieder. Jede Nacht, wie sie in mein Shidori reinrennt. Wie ich mein Versprechen an Obito, seinen letzten Wunsch, nicht erfüllen konnte. Wie ich versage. Und deswegen hab ich sogar jetzt noch manchmal Halluzinationen von Rin. Ich sehe sie in irgendwelchen Gassen oder eben in meinen Träumen.", schluchzte er und da kullerte die erste Träne über seine Wange. Normal würde er solche Gefühle nie vor andern zeigen, denn diese wurden von seiner mühsam aufgebauten Barrikade geschützt, hinter die er niemand blicken ließ. Niemanden außer Lumi. Bei ihr konnte er seine Maske fallen lassen. Und als ob sie das Blut auf seiner Hand sehen konnte, das dort für immer kleben würde, griff sie nach seiner Hand und umschloss sie mit ihren dünnen Fingern. "Hast du sie geliebt?", fragte Lumi in die kurze Stille hinein. Ob er sie geliebt hat? "Wie kommst du darauf?", fragte er mit zittriger Stimme und sein Blick traf nun sichtlich nervös ihren. Diese Frage hätte er ihr am liebsten nie beantworten müssen. "Sie scheint dir sehr wichtig gewesen zu sein.", antwortete sie mitfühlend und strich mit ihrem Daumen über seine Hand, als würde sie das Blut wegwischen. "Ich weiß nicht.", gestand er ihr ehrlich, "Es war damals ziemlich kompliziert alles, weißt du?" Sie nickte verstehend und sah ihn interessiert an. "Ich will das nicht wissen, weil ich eifersüchtig oder so etwas in die Richtung wäre. Es hilft mir nur dich besser zu verstehen. Du lebst schon viel länger und da ist es klar, dass viele Menschen in deinem Leben waren, die ich nicht kenne und auch nie kennen werde.", klärte sie ihn auf. Jetzt war er nur noch verwirrter, aber er ließ sich nicht beirren, sondern beantwortete einfach nur ihre Fragen, während viele weitere Tränen den Stoff seiner Maske in Salzwasser tränkten. "Vielleicht solltest du wissen, das Obito sehr dolle und aufrichtig in Rin verliebt war. Diese Liebe war aber auch unerwidert und hoffnungslos, denn Rin war in mich verliebt.", sah er ihr tief in die Augen, um jede Reaktion ihrerseits mitzubekommen, "Du kannst es dir fast ein wenig wie mit Naruto und Sakura vorstellen. Naruto ist Obito tatsächlich ziemlich ähnlich, doch Rin und Sakura sind sehr verschieden. Nur das du dir das Ganze ein bisschen besser vorstellen kannst." Sie hörte ihm nur gebannt zu, weswegen er fortfuhr: "Wie auch immer, Rin war trotz allem Obitos beste Freundin, aber irgendwie auch meine. Ich hab sie sehr gemocht. Doch ich hatte damals andere Dinge als die Liebe im Kopf. Eigentlich hatte ich nur Regeln in meiner Birne, da war kein Platz für Gefühle. Vielleicht bin ich auf Rin auch nur nie eingegangen, weil Obito trotz unsere Differenzen mein bester Freund war, was ich jetzt aber auch nur im Nachhinein sagen kann und ihn deswegen nicht verletzen wollte. Damals ist mir vieles nicht aufgefallen, oder eher ich wollte es nicht beachten, weshalb ich dir keine klare Antwort auf deine Frage geben kann. Vielleicht war ich tatsächlich ein bisschen in sie verliebt, vielleicht dichte ich mir das aber auch nur so zusammen, denn diese Gefühle würden erklären, warum mich vor allem ihr Tod so mitgenommen hat.", sogar seine Pupillen zitterten unruhig. Auf einmal war dieser Schmerz, den er Jahre lang versteckt hatte, glasklar zu erkennen. Niemals hätte Lumi eine solche Vergangenheit erwartet von einem Mann, der immer lacht und sich nie über sein grausames leben beschwerte. Er war ein Kämpfer, der sich immer alleine durchschlagen musste. Diese Erkenntnis hatte sie allerdings nicht zum ersten Mal. Denn auch als er ihr von seinem Vater erzählt hatte, war ihr das klar geworden. Klar, wie stark Kakashi eigentlich war.

Wie paradox diese Situation doch war. Beide hatten mit aller Kraft ihre Geheimnisse, ihre Vergangenheiten, vor dem anderen versteckt, nur um herauszufinden, wie beschissen es ihnen doch geht. Sie waren beide gebrochene Seelen, die bereit waren vom anderen repariert zu werden. Irgendwie wieder zusammengepuzzelt oder das wenigsten der Scherbenhaufen, der sich ihre Seelen nannte, ein bisschen zusammengekehrt werden würden. Das sie nicht mehr so verstreut und zerpflückt sind. Oder eher nicht mehr verloren und zerbrochen. Beide waren sich so ähnlich und doch so verschieden. Der eine, der zu schwach war die Tränen zurück zu halten und der andere, der nicht stark genug war Schwäche zu zeigen und deswegen keine einzige Träne aus diesen brennenden Augen vergießen konnte. Da konnte seine Geschichte Lumi noch so sehr berühren, ihre Augen wurden einfach nicht wässrig und Kakashis Augen waren im Gegensatz dazu mächtig am überlaufen. Beide schluchzten, doch nur er weinte. "Aber selbst wenn ich sie geliebt habe, war diese Liebe auf keinen Fall mit der die ich für dich empfinde zu vergleichen. Ich hab noch nie einen Menschen so dolle geliebt und begehrt wie dich, auch wenn wir uns doch erst so kurz kennen. Ein paar Monate sind nichts, aber meine Liebe hingegen für dich ist unendlich. Das musst du mir glauben.", flüsterte er hilflos und umklammerte ihre Hand. Es schien für sie, als hätte er Angst das sie die Gefühle, die er für Rin gehegt hatte, verletzten würde. Doch Lumi war kein naives und unreifes Kind mit Minderwertigkeitskomplexen. Sie wusste, dass man sich öfter verlieben könnte und dass das auch in Ordnung ist. Es war für sie nicht schlimm zu hören, das er über ein Mädchen sprach in das er verliebt gewesen war, denn sie wusste, dass das der Vergangenheit angehörte und keine Auswirkung auf Lumi hatte. Rin war ein anderer Lebensabschnitt von Kakashi gewesen, der zwar unfreiwillig beendet wurde, aber trotzdem abgeschlossen war. Rin mag zwar noch immer Einfluss auf Kakashi haben, aber nicht auf die Gefühle, die er für Lumi empfand. "Ich liebe dich so sehr.", heulte er und seine Augen waren schon ganz rot und geschwollen. Tröstend zog sie Kakashi zu sich rüber und schloss ihn fest in ihre Arme. Sonst war er derjenige der ihr Schutz und Halt gab, doch dieses mal hielt sie ihn fest. Gab ihm das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und das Gefühl verstanden zu werden. "Ich liebe dich auch, mehr als alles andere.", hauchte sie in seine grauen Haare, die schlaff von seinem Kopf hingen. Sanft strich sie ihm über den Rücken und er drückte seinen Kopf schutzsuchend an ihre Brust. Feine Tränen benetzten ihre Schlüsselbeine und rannen warm ihre Haut hinunter. "Ich will dich einfach nicht verlieren, deswegen will ich das du in Konoha bleibst. Ich hab so oft versagt. Ich hab es nie geschafft jemanden zu beschützen. Aber dieses Mal darf ich einfach nicht scheitern.", schluchzte er und presste sich noch näher an ihren Körper. Dieser Gedankengang war mehr als logisch, denn wäre Rin damals im Dorf geblieben, wäre sie heute noch am leben. Und würde Lumi im Dorf bleiben, könnte sie überleben. "Da gibt es aber auch sicher noch eine andere Lösung.", sanft drückte sie ihm einen Kuss auf den Kopf und legte dann ihr Kinn auf seinen Haaren ab. So verweilten sie solange, bis Kakashis Tränen versickerten und er schließlich friedlich in ihren Armen erschöpft vom weinen einschlief.

Kakashi, das Eis, das sein Herz erwärmt.Where stories live. Discover now