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Hinter ihnen erklangen vereinzelt Schreie. Dann folgte Gebrüll und das Zischen von Peitschen, die die Fremden zu gerne benutzten. Sie hatten sie gefunden, trieben die Menschen auseinander. Doch Lena hielt Kevin fest an der Hand und zerrte ihn mit sich, immer nach Westen, der Stadt entgegen - nach Westen so wie der Kompass, den sie sich an die Jacke gehängt hatte es ihr verriet.
„Lauft... Lauft Lena, die holen auf!", keuchte der Vater nun und hob Kevin hoch, um ihn zu tragen, brach durch ein Gebüsch, doch als Lena hindurch wollte, schlug ein dicker Ast daraus zurück und gegen ihren Kopf.
Er schien regelrecht zu explodieren... summen in den Ohren, Blitze vor den Augen und wahnsinniger Schmerz!
Ächzend blieb sie sekundenlang nur liegen, sah nichts mehr, spürte nur etwas, das sich ganz dannach anfühlte als wäre ihr Schädel in tausend Stücke geborsten. Doch dann rollte sie sich instinktiv unter den Busch als das Knallen der Peitschen näher kam. Eine Frau rannte nicht weit entfernt kreischend durch den Wald aber in eine andere Richtung. Schnell häufte Lena so viele Blätter und Schnee über sich wie sie nur konnte zog die Decke die sie immer noch um sich geschlungen hielt über ihren irrsinnig hämmernden Kopf und zupfte hier und da das Blattwerk zurecht in der Hoffnung das es halten würde. Ihr Kopf summte und brummte, tat entsetzlich weh. Doch sie sah trotzdem wie der Fremde in der Maske aus dem Gebüsch auf der anderen Seite auftauchte und seine Peitsche nach der rennenden Frau schwang. Das Ende wickelte sich der Frau um den Hals und er zog daran... so fest das sie gurgelnd rückwärts stolperte. Zwei weitere Maskenmänner tauchten auf und packten die Frau. Sie bewegten sich so unheimlich schnell, so elegant und präzise.

Lena bekam Angst, als der Maskenkrieger mit der Peitsche zurückblieb und in ihre Richtung starrte.

Gott er würde doch nicht... - schon stand er vor dem Busch und preschte durch ihn hindurch. Trat dabei auf ihre Wade und Lena unterdrückte hastig ein Stöhnen, doch auch so hatte er es schon gemerkt. Eine Hand pflügte durch die Blätter und den Schnee, riss die Decke fort, dann packten sie Riesenfäuste am Haar unter der Mütze und zerrten sie unter dem Busch heraus.
Der Maskenmann sprach irgendwas, zu irgendwem und stieß sie zu Boden. Grelle Lichtpunkte explodierten vor ihren Augen.

Jemand anderes kam und befingerte ihren Hals, riss an der Mütze und an ihrem Knoten im Haar. Die Klammern sprangen heraus und die Krieger, zwei waren es wohl, sahen dass sie wieder ein Mädchen erwischt hatten.
„NEIN!", schrie sie los, als einer der Typen sie fest am Haarschopf packte und mit sich Schleifte. Ihr Schädel schien dabei regelrecht zu zerbrechen. Sie konnte garnichts mehr sehen, nur noch die Lichtpukte, trat trotzdem so fest sie konnte um sich und kratzte über die haarlose Haut, der Hände und Finger, so fest und hart sie nur konnte, etwas zischte wieder, ganz in der Nähe.
Ein Schwert klang und sirrte gegen ein anderes unglaublich schnell. - Und sie viel ganz plötzlich hart zu Boden.

Da stand jemand schwarzes über ihr und sagte irgendwas, dass sich fremd anhörte, doch dann auch auf deutsch hinterher: „Bleib unten!"
Eine Hand drückte sie fest zu Boden. Dann bewegte sich der Typ, der über sie gesprungen war von ihr weg, aber ebenso schnell wie die maskierten Fremden. War er also auch so ein Alien?
Lena begann sich mühevoll auf den Bauch herumzurollen und krabbelte schließlich auf allen Vieren auf die Büsche zu. Der Vater hatte ihnen immer gesagt man müsste Deckung suchen, in Büschen, auf Bäumen. Schnell weg-rennen, verstecken, ruhig bleiben und möglichst flach atmen. Sie hörte ihn im Geiste wie er sie antrieb, robb weiter, Lena, los! Doch ihre Flucht währte nur kurz. Ein Alien- Schwert sauste durch die Luft und bohrte sich direkt durch ihre Hand tief in den Boden hinein.
Sie schrie schrill und schmerzerfüllt auf.
Ein Schlag traf sie im Rücken, doch sie versuchte nur noch, wie eine wilde zappelnd, sich die Klinge aus der Hand rauszuziehen, die sogar durch die Knochen durchgedrungen war.

– Es gelang ihr nicht einmal sich hinzuknien, geschweige denn den Griff nach oben zu zerren. Das tat dann aber zum Glück der Typ in schwarz für sie, der auf einmal wieder über sie sprang und diesmal direkt auf ihr hocken blieb.
„Ich sagte bleib unten! Und rühr dich nicht, wenn du leben willst.", fuhr er sie aufgeregt klingend an. Er kniete auf ihrem Rücken, während sie immer nur laut schrie und heulte. Ihre Hand tat so schrecklich weh. Dann war da auf einmal wieder Ruhe um sie herum. Der Typ stand auf, riss sie am Arm empor und Lena presste die stark blutende Hand an ihren Bauch.
„Komm schon! ... Lauf!", fuhr der Fremde sie wieder an und zerrte sie mit sich. Lena konnte kaum etwas erkennen. Ihr Schädel war nur noch ein Schmerz, ihre Beine wackelten, schon geriet sie ins Stolpern. Wollte auch nicht freiwillig mitgehen, Ihr Kopf brach auf. Es tat so furchtbar weh. Aber sie würde nicht einfach so in ihr Verderben rennen, ...Also ließ sie sich einfach fallen.
Doch der Typ hielt sie immer noch fest, packte sie blitzschnell und auf einmal lag sie Bäuchlings über seiner Schulter.
„Habt ihr die anderen Gefangenen - alle? Dann los! Rückzug, Rückzug! Durch das Tor, los Jemay!", ordnete er lautstark an und schoss auf ein blaues Licht zu, dass sich wallend und malend und rotierend immer weiter öffnete.
Lena blinzelte und sah verschwommen Frauen und Kinder und Jungen, die wie Vieh, von schwarzen Gestalten getrieben, durch das blaue Ding geschoben wurden.
Einige wehrten sich verzweifelt, wurden aber reingestoßen und sie selbst hatte überhaupt keine Möglichkeit auszuweichen. „NEIN...!", schrie sie noch einmal schrill, dann fühlte sie nur noch zerren und reißen und schwindelig machende Bewegung, sie viel, glitt von seiner Schulter ab, flog, aber die starken Hände des Typen hielten sie ... zwei Sekunden... drei Sekunden lang nur, dann waren sie endlich wieder draußen.
Lena keuchte hart und viel zu Boden.

Gott! Sie bekam kaum noch Luft... Wurde erneut am Arm hochgezerrt und von dem Torausgang oder was auch immer das war zurückgezogen. Noch mehr Menschen kamen dort heraus getaumelt. Jeder hatte einen schwarz gekleideten Kämpfer mit Schwert im Rücken stehen, der ihn festhielt und weiter voran stieß. Und die meisten davon waren Frauen und Kinder, die weinten und schluchzten.
„Bringt sie in die Unterkünfte, bevor sie noch erfrieren!", bellte der Typ der sie immer noch festhielt. Die Frauen sahen sich irritiert und nach ihren Kindern rufend um, die meisten waren unverletzt.

Die aber, die verletzt waren, wurden so wie sie selbst, nach rechts gebracht.
Lena erinnerte sich mit Grauen an ihren Geschichtsunterricht in der Schule. Die Lager, die KZ's ...Die Einen wurden nach links die Anderen nach rechts gebracht. Die nach rechts überlebten und die nach links starben. Wie das wohl hier war?
Nanes un bragk!", sagte der Typ der sie fest hielt und hielt sie einem anderen Typen entgegen, der eine weiße Uniform trug. Lena wimmerte auf und brach erneut in die Knie ein, wollte wegkrabbeln und war schon wieder eingefangen, noch bevor sie mehr als zwei Schritte weit gekommen war.
„He, he!", rief der Typ in schwarz energisch, als sie heftig um sich zu schlagen begann. Er umfasste ihr Kinn so fest, dass sie sich kaum mehr rühren konnte und sah dann zum ersten Mal in sein Gesicht.
Es war so schön, wie das eines Engels, und obwohl es ihr sofort wieder vor Augen verschwamm, konnte sie das doch noch erkennen. Blonde, halblange Haare, doch keineswegs weiblich wirkend, im Gegenteil. Er hatte ein sehr energisches Kinn und die grünsten, kristallfarbenen Augen die sie je gesehen hatte, die funkelten wie Sterne. Doch sein Blick war gerade nicht so grausam oder spöttisch, wie der der Maskenkrieger. Er schien vielmehr besorgt, was sie nun doch ein bisschen beruhigte.
„Keine Panik, Mädchen, wir sind Verbündete der Menschen. Die Tak, nicht die Jäger, verstehst du das, Geehrte? Wir wollen euch nur helfen, euch retten, nicht mehr."

„Lass mich... los.", würgte Lena, der vor Angst ganz übel war, hervor. Sie atmete heftig aus und ein, hatte immer noch Mühe genug Luft zu bekommen, ihr Hirn schien gar nicht mehr da zu sein. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, sie sah nur noch seine Augen und sonst nichts mehr. Alles andere verschwamm schon wieder in dem bohrenden, hämmernden Schmerz der ihren Kopf durchzuckte. Sie schmeckte Blut auf der Zunge und spuckte prompt aus, hustete und ihr Kopf schien wieder explodieren zu wollen. Ihre Augen verdrehten sich, sie viel...
„Drodar... nein!", zerrte der Krieger sie wieder an sich heran, nahm sie in den Arm wie ein Kleinkind, fasste um sie herum, packte sich als erstes ihre durchstochene Hand und wand ein paar mal ein Tuch darum herum, bevor er es fest zusammen zog. Es tat schrecklich weh und Lena schrie wie am Spieß.

„Kyl!", brüllte ein Anderer dazwischen, ein Weißkittel. Doch dann redeten die beiden in dieser fremden Sprache, die sich nicht verstand und Lena schlug mit der unverletzten Faust zu, nach oben, linker Haken aufwärts... mitten in das Gesicht des fremden Typen in schwarz... und noch einmal und wieder und wieder, so hart sie nur konnte, um ihre verletzte Hand frei zu bekommen. Wieder würgte sie und schmeckte Blut auf ihrer Zunge. Der Fremde in Weiß hatte nun ebenfalls angefangen ihre Hand zu umfassen, während sie sie nun beide auf den Boden runter drückten.

„Halt still! Wir helfen dir doch nur, du blutest viel zu stark, auch am Kopf... herjee sogar aus den Ohren heraus...", sagte der Typ schon wieder auf deutsch zu ihr, aber sie wand sich weiter, kämpfte, zuckte, trat um sich, schrie und gurgelte weiter, bis der schwarze Engel sich auf einmal mit einem Ausdruck der nichts verriet über sie beugte und ihren Mund fest und entschieden mit seinem bedeckte.

Ein Kuss?!

Es war als hätte sie gerade der Blitz getroffen. Sie erstarrte buchstäblich. Und fühlte seine warmen Lippen auf ihren. Es fühlte sich nicht brutal an und auch nicht hart, oder kalt. Es tat auch nicht weh, obwohl ihr davon seltsam schwindelig wurde.
Irgendjemand griff wieder nach ihrer verletzten Hand, ein Anderer unter ihre Arme. Ein Dritter umfasste mit beiden Händen die Vorderseite ihres Wadenbeins. Und dann kam die Wärme. Flutete in sie, von Kopf bis Fuß.
Sie spürte aber noch immer nur den Mund auf ihrem und öffnete unter großer Anstrengung die Augen. Die grünen Augen des Typen bohrten sich in ihre, seine Pupillen weitete sich ein klein wenig, so als wäre er überrascht, dass sie ihn direkt anblickte, und kurz meinte sie noch einen leisen Schmerz in ihrem Kopf zu spüren. Ein Gefühl das nicht ihres wahr... ein Gedanke der nicht ihrer war:
Mächtiger Drodar, was hast du getan?
Und dann gingen bei ihr die Lichter aus.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWhere stories live. Discover now