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Plötzlich nahm Konrad Werner seine Tochter in den Arm, so sanft und tröstend, dass ihr beinahe schon die Tränen kamen.
„Er hat dir weh getan, nicht wahr, mein Lenchen?", brummelte er nun seltsam hilflos. „Ich wollte nicht das dir jemals irgendjemand weh tut, nie.", erklärte er ihr betrübt.
„Ja, Paps, weiß ich doch.", schniefte sie an seiner Brust und fühlte die große Hand ihres Vaters über ihren Scheitel streichen.
„Deine Mama hätte ihn kastriert, wenn sie davon gewusst hätte.", knurrte er dann aber doch wieder düster vor sich hin.
Lena musste unwillkürlich wieder grinsen und lachte schließlich sogar leise los.

„Sie hat es gewusst, Papa, ich habs ihr gesagt, gleich als ich nach Hause gekommen bin, weil ich Angst hatte das ich nun vielleicht schwanger werde. Weißt du noch? Ich hab doch immer alles mit ihr besprochen und das war auch ehrlich gut so.
Sie hat nicht mit mir geschimpft. Sie hat mir nur schnell eine Pille für „danach" besorgt, und ist dann zwei Wochen später, als er noch mal angekommen war und ich ihr das erzählt hab, nach der Schule, zu seinen Eltern hin gegangen und hat sie darüber aufgeklärt das ihr Sohn wild in der Gegend herumvögelt – und das auch noch völlig ungeschützt –  und sie doch wenigstens mal zur Vorsorge einen HIV und Hepatitis Test mit ihm machen sollten, damit er nicht alle die mir noch nachfolgenden jungen Mädchen gefährden würde, wenn er ihnen denn schon im Dutzend seine Kinder andrehen wollte."

Lena kichterte wieder leise und schniefte dann wieder. „Er hatte einen Monat Hausarest und sie haben ihn zu sämtlichen Ärzten geschleift nur um sicher zu gehen, weil Mum zu ihnen sagte eines der Mädchen sei wohl Gerüchten zufolge sehr krank gewesen, als er sie genötigt hat. Außerdem hat er sein Handy abgenommen bekommen und seine Mutter hat bei jeder einzelnen Mädchennummer angerufen und nachgefragt, ob ihr Sohn was bleibendes hinterlassen hat und sich ausdrücklich auch noch bei den Eltern der Mädchen für ihren Sohn und sein Verhalten entschuldigt und das mit dem kranken Mädchen, von dem Tim wohl nichts wusste, weiter erzählt. Sie sollten ebenfalls einen Test machen lassen um sicher zu gehen.

Das war dem dann aber so was von peinlich, dass er am Liebsten die Schule gewechselt hätte, weil alle nur noch darüber geklatscht und ihn ausgelacht haben, oder aber gemieden weil es ja nun hieß er hätte sich eine Geschlechtskrankheit weg geholt. Aber das haben ihm seine Eltern nicht erlaubt. Er musste sogar eine Theraphie beginnen, soweit ich noch weiß...", erzählte sie ihm dann fast schon grinsend und Herr Werner räusperte sich kurz, bevor dann auch er ganz leicht grinste.
Autsch... Deine Mutter war schon immer sehr viel gemeiner und auch einfallsreicher als ich. Prügel hätten nur halb so viel bewirkt.", brummelte er wiederwillig zugebend.

„Ja, in so was war Mam echt ganz große Klasse, aber jetzt ist sie tot, Paps. Ich habe noch kurz gehofft, weißt du? Die Tak haben nach ihr bei uns zu Hause gesucht, vielleicht hätten sie sie ja auch nur mitgenommen... aber sie war ja verletzt und krank und gerade erst operiert. Außerdem vielleicht auch schon beinahe zu alt für Kinder..."
„Was? - Sie war noch keine vierzig, Lena. Und wir hatten vor, wenn die Operationen um sind und es ihr wieder gut geht vielleicht doch noch einen Bruder oder eine Schwester für euch beide in Angriff zu nehmen. Du weißt sie hat die Fehlgeburt damals nie ganz überwunden..", seufzte er leise auf und sah auf einmal beinahe grau aus.
„Melissa, ja ich weiß noch. Sie hat manchmal von ihr gesprochen, so als wären sie wirklich unsere Schwester gewesen und nicht nur ein zu früh geborener Fötus der noch nicht einmal selbst atmen konnte.
Kevin hat sich ja immer einen Bruder gewünscht und sie hat ihm erzählt Melissa wäre sein kleines Schwesterchen gewesen, ... mit einem ganz tollen großen Bruder. Heute bin ich froh dass sie nicht auf die Welt gekommen ist, Papa. Die Jäger hätten auch sie gejagt und Melissa vielleicht sogar erwischt, Weil sie noch viel kleiner gewesen wäre als Kevin."

„Das ist jetzt sowieso egal. Sie hat nicht überlebt und dass deine Mam das nie verwinden konnte, werde ich wohl auch nie verstehen.", brummte Ihr Vater traurig.

„Das Leben im Leibe einer geehrten Frau und Mutter ist kostbar und wenn sie dann auch noch weibliches Leben trug muss der Verlust unvorstellbar schmerzhaft gewesen sein.", sagte Kyl nun leise und mitfühlend.
Konrad Werner hob den Kopf und sah ihn nur wieder missbilligend an, doch der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
„Es ist Verständlich, dass ihre Frau lange darum trauerte. Auch meine eigene Ahma, Kitoma verlor meine jüngste Schwester, da sie zu früh geboren wurde. Sie hat es bis heute nicht verwunden und wird es wohl auch niemals verwinden können.
Doch hier auf Takolia gibt es dafür dann auch große Zeremonien zur Trauerbewältigung für die Mutter, zum Abschied des neuen Lebens. Jedoch... diese eignen sich nicht so sehr für Menschen.", warf Kyl nun wieder ernsthaft ein. Nachdem Lena ihn nur augenrollend ansah.
Er konnte sich da echt nicht mal raushalten, oder?
Und Herr Werner war sofort wieder Empört.
„Ach ja? Und warum sind sie das nicht? - Sind wir Menschen etwa zu blöd oder nicht Wert genug dafür?", giftete Herr Werner den jungen Hochlord nur erneut hitzig an.
Der blickte nur wieder kurz abschätzig zu Lena hin, die ihm signalisierte nun besser die Klappe zu halten. Doch auch darauf reagierte er natürlich nicht. Typisch...
Er grinste nun sogar schon wieder.
„Nein, das ist es nicht. Aber die betroffene Tak zieht sich für lange Zeit in einen Stilleraum zurück, bleibt für sich und wird nur von ausgesuchten Helfern und Heilern begleitet, während sie das gegangene Leben auch im Geiste noch einmal verabschiedet und dann irgendwann, wenn sie bereit dazu ist, innerlich loslässt.", erklärte der junge Hochlord ihm nachsichtig.
Oh...
Okay!
Lena verzog nur erneut entnervt das Gesicht.
Stilleräume, bah... Papa. Echt, da hat er Recht.
Das ist absolut nichts für uns Menschen. Das sind nämlich nur so riesige Holzkisten in denen es nichts gibt, außer ein Bett. Nicht mal eine sichtbare Tür. Und darin sitzen die Tak dann rum und sind still und denken anscheinend noch nicht mal groß über irgendwas nach. Ich weiß auch nicht genau was sie da drinn tun.
Aber Kyl hat Recht, für mich ist das absolut nichts. Ich wollte da nur schleunigst wieder raus.", murmelte Lena augenrollend.
„Warte mal... er hat dich in eine Holzkiste ohne sichtbare Tür gesperrt?", fragte Herr Hoffman erneut wild aufknurrend.

Lena packte sich rasch die Hand ihres Vaters und zerrte einmal kurz und heftig daran.
„Ja, um mir zu helfen, Paps, weil ich doch verletzt war und jetzt reg dich endlich mal wieder ab. Ich hab ihm sofort als ich aufgewacht bin gesagt, dass mir das nicht hilft und was ich lieber möchte, und sofort war ich da wieder raus und oben in meinem Zimmer im Steinhaus, ich war also nicht eingesperrt... bin nur dahin gebracht worden, weil ich verletzt war und da eben die Heiler sind."
Verletzt...", knurrte er bloß noch erboster.

Kyl erwiederte seinen Blick indes nun beinahe gelassen.
„Erneut verletzt, nach einem Attentat, Vater. Und wenn es nach mir geht geschieht das nie wieder.", meinte er kühl.
„Aber es geht hier auf dieser beschissenen Welt nicht nur um dich, Junge, - und ich bin nicht dein Vater. Ich akzeptiere das nicht so einfach nur damit du's weißt. Es geht hier um Lena.
Sie ist ein Mensch. Und noch viel zu jung für das alles. Und deine Leute mögen sie offensichtlich nicht besonders. Was also soll das nun werden, hm? Willst du sie weiterhin zur Zielscheibe machen? Willst du sie dadurch umbringen? Hast du sie deshalb geheiratet, Bursche, eh, weil du auf einen Menschen leicht verzichten kannst?"

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWhere stories live. Discover now