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„Schon wieder euch und ihr...", brummelte Lena betrübt und seufzte unglücklich auf. „Ich will gar keine Hochlady sein, begreifst du das eigentlich, Restra? Ich will Freunde haben und du warst bisher nur nett zu mir. Außerdem bist du jetzt auch eine Tak, schon vergessen?
Warum dürfen Kyls Freunde ihn dutzen und Kyl sagen aber mich muss jeder Euch und Hochlady nennen? Warum darf ich keine Freunde haben, egal was und wer sie sind?", ereiferte sie sich kurz und sah wie einer der Wächter bei ihrem Ausbruch stirnrunzelnd zum Vorhang hereinblickte.
Aber das war ihr noch weniger recht.
„RAUS!", befahl sie dem Wächter, der umgehend verschwand und den Vorhang wieder ordentlich zuzog. „Ich bin schließlich noch nicht einmal angezogen. Und ich hab auch gar nichts zum Anziehen hier. Ich muss ins Badehaus." zögernd sah sie Restra an die sie ihrerseits betroffen anblickte und leicht verunsichert wirkte.
„Kannst du... mir vielleicht den Weg zeigen?", fragte sie Restra vorsichtig, weil sie ja nicht wusste wie das Mädchen darauf nun wieder reagieren würde. „Kyl rennt immer so schnell und ich kriege nie was mit wenn er rennt, nicht mal den Weg, weil alles vor meinen Augen verschwimmt."

„Natürlich meine...", begann Restra, doch Lena sah sie nur so unglücklich an, das es sich die Halbweise doch noch einmal anders überlegte und seufzend nickte „... Lena.", schloss sie flüsterleise. „Doch wenn der Hochlord da ist sag ich wieder Meine Lady wie es anständig ist. Sonst werde ich noch aus dem Hause geworfen. Ich meine.. das ist im Moment eigentlich gar nicht so schlimm, weil ich ja genug Bewerber um meine Hand habe. In einer Quarte muss ich mich schon entschieden haben wer mein künftiger Gemmes sein soll und sogar die Jemay werben nun um mich. - Um eine Halbweise, ist das zu fassen? Bis gestern waren wir noch Abschaum und niemand hat je unsere Kinder gesegnet wenn sie geboren wurden, ganz früher war es uns sogar verboten miteinander Kinder zu haben. Wir dürften nur dienen, sonst nichts."

„Das ist ja furchtbar!", meinte Lena betroffen und sah wie das Mädchen kurz mit sich rang und sie zweifelnd anblickte bevor sie wieder aufstand und an ein verdecktes Regal trat um dort ein neues Übergewand für Lena herauszuholen.
„Was ist?", fragte Lena sie leise. „Sag es ruhig, was immer du auch sagen willst, ich fress dich nicht und ich bestrafe dich auch nicht, selbst wenn du mich dumme Kuh nennst und aus dem Bett schubst, damit ich endlich meinen faulen Hintern bewege."
Restra riss erschrocken die Augen auf und sah hastig wieder zum Vorhang hin der sich leicht
bewegt hatte.

„Das würde ich nie im Leben tun..., Lena.", senkte sie ihren Namen wieder zu einem leisen Flüstern herab. „Aber der Hochlord sagte ich soll warten bis du dich genug erholt hast. Ich meine... Wer überlebt schon einen gerade schlüpfenden Karibatha in den Eingeweiden?
- Eigentlich niemand!
Bevor noch jemand herausgefunden hat was Übelkeit, Schwindel und Unwohlsein bedeuten können ist man auch schon ausgehöhlt und tot. Du hattest riesiges Glück, dass dein Gemmes was bemerkt hat und Tarrek schon da war.", meinte sie unsicher, weil Lena sofort erbebend die Arme um sich schlang und die Stirn zu runzeln begann.

„Oh, verzeih ... ich sollte dich nicht daran erinnern. Es hat so schrecklich geklungen als du geschrien hast. Alle haben gebetet, sind auf die Knie gesunken als man hörte das es ein Karibatha ist, der in dir ausschlüpft und den Tarrek noch einzufangen versuchte. Er selbst hat sich nach seiner Tat... die heldenhaft aber so schrecklich schmerzvoll für dich war... beide Hände verbrannt und eine Quinte lang nicht heilen lassen. Er meinte er hätte einen schrecklichen Fehler begangen, als er aus dem Steinhaus trat und dort neben dem Brunnen der Göttin zusammensank. Er saß dort gewiss eine Terz lang und zitterte und sah seine blutige Hand an. Er sagte auch, er sein kein rechter Heiler mehr, da er seine geehrte, gute und tapfere Lady gerade gefoltert hätte, wie kein anderer Tak je zuvor einen Menschen gefoltert hatte.
Er sah so erbarmungswürdig aus und mitgenommen, Lena.
Weißt du, er musste tief in dich rein greifen und da er es dem Hochlord nicht einmal mehr erklären konnte, was er vorhatte und alles so schnell geschah, konnte dieser noch nicht einmal was gegen deine schlimmen Schmerz tun, es nur mit dir zusammen ertragen und mit dir leiden. Ich war da ich hab es gesehen sie haben nicht daran gedacht mich oder Jilliar hinaus zu schicken. Und dann, als Tarrek den Wurm in der Hand hatte und ihn schnell zerdrückte, er war bereits fingerdick angeschwollen, weil er schon zu fressen begonnen hatte, ... hat er schwer keuchend aufgesehen und das Gesicht des Hochlords war bespritzt mit deinem Blut, während er dich immer noch unten hielt und dein zerissener Körper wild zuckte und krampfte. Man hat nur noch das Weiß deiner Augen gesehen, Lena und wie du gebrüllt hast... ich schwöre dir... ich wollte sterben.
Und dann erst der Hochlord Kyliander. Seine Augen ...Ich dachte er wird nun auf der Stelle Dunkelkrank, Lena.
Seine Augen waren beinahe schwarz, so sehr hat er innerlich gewütet, gezürnt und gelitten und Tarrek ... Er warf den toten Wurm nur entzetzt ins Feuer, atmete kurz tief durch, schwieg und heilte und heilte und heilte dich, bis er beinahe seine eigene Lebenskraft anzapfte. Hinterher mussten ihn zwei Krieger stützen und ihm rasch etwas zu essen und zu trinken bringen, damit er sich wieder erholte. Und der Lord... Kyliander. Er hat noch den ganzen Nachmittag mit dem Schwert auf den Knien an deiner Seite gewacht, dich selbst gestärkt, wieder und wieder geheilt und deine Hand gehalten, obwohl du das gar nicht mehr mitbekommen hast. Du warst vollkommen weggetreten, obwohl du schwer gezittert und gezuckt hast und deine Augen wieder normal aussahen, nur ganz glasig und nur halb offen. Irgendwann schließlich, als das Zucken weniger wurde und deine Augen sich schlossen, hat er Jilliar, seinen Komandanten mit tonloser Stimme ausgesandt die Attentäterin sofort zu ergreifen und öffentlich, noch im Beisein ihrer Familie und ohne jeden Prozess zu richten. Er hat es nicht einmal selbst getan, wie es Brauch ist, obschon er so unglaublich wütend war.
Wir hatten große Angst um dich Lena. Und er hatte wohl die größte. Denn du bist die schönste, jüngste und reinste Hochlady die Takolia jemals hatte. Dein wunderbarer Gesang zur Segnung der kleinen Maria ist in aller Munde, wirklich. Du hast keinen Fehler gemacht, wie du dachtest. Im Gegenteil hast du uns alle damit hoch geehrt und aufgewertet. Deine große Güte der einfachgeborenen und durchweg unbegabten Familie gegenüber einen solchen lobpreisenden Gesang auf ihr winziges Kindlein anzustimmen mit solchen ehrenwehrten Worten zu bedenken. Es war wie das Licht Ashnis das man manchmal ganz kurz sieht und doch nicht dorthin gelangen kann, wenn du verstehst was ich meine.

Und da wir ja nun seid gestern zum Triad alle nur noch Tak genannt sind, dachte meine Mutter ich sollte doch einfach nur mal fragen...", sie zögerte wieder und schüttelte den Kopf.   
„Was denn fragen?", flüsterte Lena ergriffen und berührt von Restras Worten was gestern mit ihr und Kyl und dem Heiler passiert war und wie die Tak, oder zumindest einige wenige nach der Segnung der kleinen Maria tatsächlich über sie dachten, als Restra schon wieder so herumduckste und doch nicht weitersprach.

„Wir haben seid des letzten Triad fünf Geburten gehabt. Die Kinder sind noch klein genug, auch wenn es nur Jungen sind. Ich meine. Noch nie hat eine Hochlady die Neugeborenen der Halbweisen gesegnet, doch da der Lord nun sagte wie seien jetzt alle Tak...", murmelte sie weiter und hielt dann erst wieder inne, ohne Lena noch mal anzugucken.
„Also fragst du mich gerade ob ich den Kindern, die den Halbweisen geboren wurden auch ein Lied vorsingen möchte? Denen die bisher nicht gesegnet worden sind?  Okay, mach ich gerne. Sag einfach allen die gerne gesegnet werden möchten, sie sollen runter zu der Badegotte kommen ich denke wir machen eine Zeremonie daraus, so wie... bei Johannes dem Täufer. Er hat die Sünden von allen abgewaschen damit sie ein neues Leben beginnen konnten und ich...hm... Ich singe die Kinder dann eben heute zu Tak, oder wie man das nennt. Von mir aus alle miteinander und auch die älteren, wenn die mögen. Mal sehen... vielleicht das Lied vom Freiheitschor aus der Oper Nabuko? Das hat meine Mutter immer so gerne gehört, das und Cats und... halt mal Cats... Middnight... Moonlight! Wie heißt das noch mal? Wie ging das? Gestern war hier Triad, Mitternacht, Mondschein... das würde also richtig gut passen. Sie gehen aus dem Dunkel heraus ins Licht... wurden Halbweise genannt arbeiteten im Verborgenen, so wie die Katzen, die des Nachts in den Straßen herumschleichen und den Mond ansingen, von anderen dafür beschimpft und weggescheucht werden, nur weil es sie gibt und nun fallen die Mühen und Lasten und alles von ihnen ab, die Gebrechlichkeit. Weil sie geheilt werden... durch das Licht in das sie nun eintreten...
Sie arbeiten im angesicht der Sterne... Das einzige Licht im Dunkel doch war es das was man sehen konnte bevor man sie entdeckte... und nun wird vielleicht alles besser, weil sie sich andere Dienste aussuchen dürfen als nur die härtesten... - und der neue Tag bricht an.  Alle werden zu Tak...", murmelte sie nachdenklich vor sich hin, nickte lächelnd  und begann leise die Melodie vor sich hinsummend zu essen.

Restra lauschte ihren ernsthaften Überlegungen und freute sich unglaublich das die junge Hochlady auch noch ganz genau und ernsthaft darüber nachdachte was sie den Halbweisenkindern ... und zwar allen die da kommen wollten... zu ihrer Segnung singen wollte – weil sie der Segnung der Kinder wahre  Bedeutung geben wollte, weil sie alles zu etwas ganz Besonderem machte. Sie gab sich sogar richtige Mühe mit der Auswahl eines Textes, den Inhalt und übertragene Bedeutung auf die Tak und besprach für sich selbst die Lieder die sie anscheinend kannte, mit einem Ausdruck der Stimmig und passend sein sollte, anlässlich dieser Zeremonie... So drückte sie es auf jeden Fall aus und aß und trank dann noch reichlich, bevor sie Restra mit den Worten entließ sie sollte auch mit zum Baden kommen und ihr dann bitte alles zeigen. Die Wege zu egal was, und die Arbeiten die man hier verrichten konnte. Sie zog sich gerade erst ihre Strümpfe an als Restra in die Küche des Steinhauses hetzte und das Tablett mit einem Knall auf den Tisch stellte.

„Restra.. die Schüsseln!", regte sich ihre Mutter sofort auf aber Restra packte sie nur an den Händen und tanzte mit ihr im Kreis herum.

„Die Hochlady will die Halbweisenkinder segnen... alle! Mutter... hörst du? Alle die bisher nicht gesegnet wurden und sie hat eben sehr lange und sehr ausführlich darüber nachgedacht welche Worte sie ihnen in einem Lied singen will, um sie in ihrem Neuen Leben als Tak willkommen zu heißen. Sie hat gesagt sie macht eine richtige Zeremonie daraus, Mutter, oh... sie ist so gütig und freundlich. Sie summte eine wunderschöne Melodie vor sich hin, noch schöner als die gestrige, als sie sich für eine Weise entschied und sagte dazu es ginge um den Neuen Tag der nun anbricht, um den Mond der uns bisher beschützt und nur im Dunkeln beschienen hat, die Sterne die uns Licht spendeten, um unser Dasein im Dunkeln, das altern, sterben im Verborgenen... und unser jetziges Heraustreten ins Licht. Oh Mutter, das wird wunderschön, ich fühle es! Sagt allen bescheid, allen Halbweisenkindern die gesegnet werden möchten, los lauf!", wandte sie sich auch an die andere dieneden Frauen und Männer die gerade in der Küche befanden und Holz stapelten Wasser herbeitrugen oder das Gemüse putzten. „Lauft und sagt allen sie sollen zum Badehaus herunter kommen. Die Hochlady möchte gerne das ich ihr den Weg zu der Badegrotte wie sie es nennt, zeige. Das ist das Badehaus im Felsen, in dem sie gestern für die kleine Maria gesungen hat. Das der Edlen Tak! Denn dort will sie nun wieder für uns alle singen. Für uns alle, Mutter!", jubelte Restra wieder und die erfreuten Halbweisen, die gerade anwesend waren, ließen alles stehen und liegen und rannten davon, um es den anderen zu erzählen.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWhere stories live. Discover now