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Kitoma wandte sich nach einigen sprachlosen Sekunden schließlich besorgt zu ihrem Sohn um, doch der hob nur äußerst kühl seine Hand.
„Lass es sein!", befahl er ihr ausdruckslos. „Sie versucht es tapfer zu verdrängen und einfach weiter zu machen, versucht nicht zu glauben oder zu hoffen, weil sie sehr gut weiß wie wenig wahrscheinlich das überleben ihrer Familie ist.
Sie hat mir erklärt, dass sie das immer so macht mit allem was ihr unangenehm ist oder schreckliche Angst einjagd. Also lass sie auf ihre Weise damit zurecht kommen, Kitoma. Schüre keine Hoffnungen, denn sie klammert sich auch nicht daran. Sie ist nicht wie Natalie, sie haben sie nicht gebrochen. - Nur sehr stark verletzt.
Und Ich lenke sie nun ab.
Ich bin in ihrer Nähe und sie mag mich inzwischen sogar ein wenig, fühlt sich zu mir hingezogen, auch wenn sie mich natürlich immer noch fürchtet, wegen dem was ich bin, ein Krieger... und dem was ich dann auch als solcher gemeinhin mache.

Doch sie sucht bei mir zum Glück auch immer noch Schutz und Nähe.
Sie wollte jemanden bei dem sie bleiben kann, der mit ihr lächelt, auch wenn es gerade eigentlich nichts zu Lächeln gibt.
Ihre Sorgen und Ängste erdrücken sie indes beinahe.
Sie will niemanden beherrschen, nicht befehlen, nicht auf andere herabsehen.
Heute Morgen sagte sie sogar zu mir, sie sei noch nicht wach genug um jetzt schon die Königin zu sein, also wollte sie den Stirnreif lieber erst später aufsetzen.", griente er ein klein wenig und auch Kitoma begann nun doch wieder zu lächeln.

„Sie ist wirklich ausgesprochen lieb, Kyl.", meinte sie dann seufzend.
„Und auch noch unglaublich jung. Gerade erst 51 Triaden geworden.", raunte er ihr zu.
Kitoma schluckte kurz hart. „Aber warum hast du dann schon heute morgen...?", wisperte sie ihm fassungslos zu.
„Sie hat sich mir gestern Abend angeboten und auch verstanden, dass es besser ist eine solche Verbindung auch wirklich vollzogen zu haben. Ich habe ihr nicht weh getan, Mutter. Das könnte ich nicht. Sieh ruhig selbst nach, wenn du nun zu ihr gehst. Sie ist verlegen, aber nicht verletzt."

„Oh Kyl... was wird nur Nialkarons junge Feehlah dazu sagen wenn sie das herausfindet? Sie wird toben und diese Verbindung gar für ungültig erklären, ganz so wie es ihre Art ist. Sicher will Natalie deine Lena dann auch sofort wieder mit zurück auf die Erde nehmen!"
„- Warte einfach mal das heutige Triad ab, Kitoma. Dann wirst du sehen das Lena durchaus reifer ist, als es ihr Alter vermuten lässt, dass sie würdig sein kann, das sie stark genug für diese Bürde ist und dass ich inzwischen auch wieder milde genug geworden bin ihre Seele der meinen voranzustellen und ihre Leiden zu lindern, zusammen mit denen des ganzen Volkes."

„Oh, Kyliander was hast du denn nur vor?", flüsterte Kitoma besorgt.
„Ich werde ihr Hochlord sein... und deiner.
Ich führe das Volk im heutigen Triad, so wie man es mir aufgetragen hat. So wie es meine Bestimmung ist.
Lena, das Volk der Tak und das Wohl aller steht für mich in dieser Reihenfolge an erster Stelle. Und die letzte aller Stellen erst bin ich selbst.
Darauf habe ich mich fast mein halbes Leben lang vorbereitet, Kitoma. Seid Nialkaron die Bürde Natalie zuliebe abgelehnt hat. Kurz dachte ich Jak würde der bessere Hochlord sein, weil er größer ist und mehr hermacht, doch ihr alle habt mich letztlich davon überzeugt dass es hier nicht um Größe geht. Es geht auch nicht mehr länger nur um Machtdarstellung.

Lena erst hat mir mit ihrer Art erst in der letzten Quarte die Augen geöffnet.
Es geht nun im Grunde genommen nur noch um das nackte Überleben beider Völker, Kitoma und das was wir nun noch daraus machen, geschändet, geändert, bekämpft und getötet worden zu sein.

Lena ist für mich das beste Beispiel dafür.
Sie macht schlicht weiter. Egal was kommt.
Sie lebt, sie isst sogar unsere Speisen und sie probiert auch wirklich alles aus, selbst wenn sie schon vom Ansehen weiß das es ihr nicht bekommen oder schmecken wird. Sie ist noch jung genug, um sich zu ändern und anzupassen, obschon sie hier überhaupt nicht in Frage gestellt und von mir in aller erdenklicher Hinsicht geschont wird. Nial bot ihr sogar Versorgung mit Essen von der Erde an. Sie will es aber anders. Sie will hier dazugehören.
Also zeige ihr heute wie man als Frau auf Takolia lebt, was deine Rechte und auch deine Pflichten sind.
Sprich ihr derweil nicht mehr von ihrer Familie. Es quält sie nur, redest du davon statt ihr zu helfen sich selbst neu zu erschaffen und wieder aufzustehen... als eine neue Lena die sie hier nun gerne sein möchte."
Er drehte sich ohne weiteres um und verschwand.

Kitoma aber atmete hörbar aus und wieder ein
und fragte sich kurz, wie sie es nur hatte übersehen können, dass aus dem eher düsteren Jüngling der ihr Sohn erst vor kurzem noch gewesen war, dieser unglaublich weise und rhetorisch gewandte, rücksichtsvolle junge Mann geworden war?
Und seine Lena war es anscheinend auch. So unglaublich jung noch und doch stark und willens alles zu tun was Kyl von ihr forderte, - was nun alle von ihr forderten.
Sie hatte sich ihm willig angeboten und hingegeben, hatte Kyl erklärt.
Was sie so nie für möglich gehalten hätte nach dem Drama mit der jungen Feelah und all den anderen Menschen von der Erde, welche die Tak als Gefährten letztlich rundheraus abgelehnt hatten, selbst dann noch als der Rat schließlich einlenkte und die Verbindungen doch noch gestattete.
Keine Verbindungen zwischen Menschen und Tak auf Takolia, sondern nur allein auf der Erde.
Doch Lena wollte schon gar nicht mehr zurück...
Dieses eigentlich noch zu junge Mädchen welches noch rund drei bis sechs Triaden reifen musste um Frau genannt zu sein, blieb freiwillig hier in Takolia und an der Seite ihres Drittgeborenen.
Oh ja... eine wirklich gute Wahl.

Kitoma straffte sich unwillkürlich und trat in das Badehaus ein. Lena war schon damit fertig sich auszuziehen und zauderte nur kurz mit dem Stirnreif in der Hand. Sie sah auf als Kitoma hereintrat und bedeckte schamhaft ihr Blöße.

„Kyl ... hat gemeint ich soll ihn anbehalten aber ich komme mir echt lächerlich dabei vor das Ding beim Baden zu tragen. – Oder auf dem Klo.", sagte sie verschämt zu der älteren Frau die sich nun ganz ungeniert entkleidete.
„Kyliander hat sicher auch gute Gründe genannt warum er dir empfiehlt diese Intarsie nicht abzulegen.", meinte Kitoma lediglich diplomatisch und traf damit den Punkt.
„Ja, er hat gemeint die Leute kennen mich noch nicht alle und so ... sehen sie es gleich, wer ich hier nun bin und ich werde nicht... wieder im Bad angegriffen.
Trotzdem komme ich mir extrem lächerlich damit vor.", murmelte sie noch einmal finster, setzte das Band dann aber wieder seufzend auf, unbedacht und wenig zeremoniell, so als würde es ihr überhaupt nichts bedeuten – was es vermutlich auch nicht tat – und stapfte dann durch den Perlenvorhang hinüber ins Badehaus, in dem schon reger Verkehr herrschte. Junge und ältere Mütter badeten ihre Kleinkinder und Babys in der warmen Quelle.
Kitoma beeilte sich also ihre restlichen Kleider abzustreifen und folgte dann Lena nach, die mit puterrotem Gesicht unter den stummen Blicken der Anwesenden die sich nun alle im Bad erhoben hatten, um sich vor der Hochlady ordentlich zu verneigen, zu den Löchern im hinteren Teil der Höhle schritt.

Kitoma war unwillkührlich stolz auf das Mädchen. Trotz ihrer Scheu sich ihre Blöße weiter mit den Händen zu bedecken, schritt sie würdevoll an der Quelle vorbei, nickte nur ab und zu zögernd jemandem zu, der sie mit einigen Worten begrüßte und ging aber immerzu weiter.
Schnell wandte sich die Aufmerksamkeit dann ihr zu, als die ersten Tak sie erblickten.

„Kitoma!", wurde sie erfreut gerufen, ihr wurde gewunken und Lena konnte sich nun beinahe unbeobachtet erleichtern gehen.
Tapferes Menschenmädchen, welches sogar das gemeinschaftliche Bad akzeptierte, dachte Kitoma bei sich und beschloss ihr in allen Dingen beizustehen und auch ein wenig beim umformen ihrer natürlichen Scheu in ehrenvolle Würde zu helfen.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWhere stories live. Discover now