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Also zog sie sich an, als letzte Besucherin des Badehauses, kämmte sich ihre Haare mit dem breitzinkigen Kamm, der hier bereitlag und zog sich neue Sachen an. War nur erstaunt das die lange Socken nun deutlich kürzer waren und ihre Stiefel sich irgendwie in Sohlenschuhe verwandelt hatten, die nur noch bis zu den Knöcheln hinauf reichten. Ach und der weiße Umhang war auch verschwunden. Statt dessen gab es nun ganz breite, lange, dreieckige, gestrickte Tücher die man sich über Kreuz umbinden konnte. Zum Arbeiten sicher sehr praktisch.

Den Stirnreif steckte Lena vorne in das Tuch rein und beschloss erst mal wieder hoch zum Steinhaus zu wandern um ihn zuerst zurück zu bringen. Denn zum Arbeiten würde sie ihn kaum brauchen können.
Doch dann stutzte sie und dachte es wäre blanker Unsinn so weit zu laufen, nur um dann wieder umzukehren. Die Wächter waren doch da und sie waren schließlich viel schneller als sie. Also ging sie zum Ausgang des Badehauses und sah sich draußen suchend um.

„Ähm... Wächter?", fragte sie unsicher, weil sie niemanden sehen konnte. Jilliar tauchte beinahe umgehend vor ihr auf und erschreckte sie damit ein wenig.
„Meine Lady?", fragte er sie und verneigte sich leicht vor ihr.
Lena zog den Stirnreif aus dem Tuch heraus und hielt ihn Jilliar hin.

„Könntet ihr... den vielleicht hoch ins Haus bringen? Ich möchte mit der Arbeit hier unten beginnen, denn schließlich hab ich selbst gesehen wie viel Wäsche da heute zusammen gekommen ist und der Reif stört mich nur. Aber... wenn ich ihn selbst zurück bringe ist der halbe Tag vermutlich um bevor ich zurück bin und anfangen kann. Ihr seid viel schneller... ihr Jschemma - Krieger.", meinte sie unsicher.
„Es nennt sich richtiger Jemay, meine Lady und ich sollte diese Intarsie eurer Macht nicht berühren. Warum zieht ihr den Reif nicht wieder auf...?", schlug er ihr ausdruckslos vor, doch eigentlich war er nun doch verwirrt.
Bitte WAS wollte die junge hoch geehrte Lady heute machen? - Wäsche Waschen? Und das nach dieser Tortur gestern, nach ihrer schlimmen Verwundung?
Hatte der Heiler ihr nicht Ruhe geboten und leichte Spaziergänge zu ihrem Gefallen?

„Äh... das ist aber nicht gerade die richtige Art um einem anderen Tak zu zeigen das man eben nicht über ihm stehen will, Wächter. Zumindest ich will das nicht. Kyl hat gestern gesagt wir sind alle gleich.
„Ja, aber doch nicht die edle Hochlady und ihr Lord.", protestierte Jilliar verwirrt und versuchte seine Fassung zurückzugewinnen und nachzudenken, wie er seine Lady von solch harter körperlich anstrengender Arbeit abhalten konnte, ohne sie dabei vielleicht tiefgreifend zu beleidigen. „Ihr steht über allem, ihr befehligt, richtet, entscheidet, bis ihr einen neuen Rat für uns gefunden habt, bestehend aus Männern und Frauen, die das Vertrauen des Vokes besitzen und nicht unbedingt und ausschließlich edle sind.", hoffte er sie mit seinen Worten anders besinnen zu lassen. „Und selbst dann steht ihr immer noch über diesen hoffentlich Weisen Sprechern und Richtern.", fügte er hinzu, als sie ihn nur ungläubig anblickte.
„Das... ist aber nicht richtig, finde ich. Und ich will nicht zu Arbeiten beginnen mit so was hier auf dem Kopf. Das ist nicht gut. Die .. die werden mich alle anglotzen, wenn ich hier die Hochlady rauskehre statt einfach nur Lena zu sein."

„Sie werden euch ganz sicher ansehen, da ihr auch ohne den Reif immer noch die Hochlady seid.", wandte Jilliar pflichtbewusst ein und verneigte sich wieder tief.
„Dann... bringt den Reif doch bitte zu Kyl, damit er ihr verwahren kann. Vielleicht hat er einen Platz dafür.", bat sie den Krieger erneut.

„Ihr könnt ihn ihm selbst geben. Es ist nicht weit, Meine Lady. Nur den Hügel dort hinauf, der sanft ansteigt. Oben wo die Bäume beginnen sind die Übungsgründe der angehenden Jemay. Und euer Lord hilft heute dort bei der Ausbildung der Jünglinge. Nun da er selbst keiner mehr ist, eine geehrte Position, vor allem weil er Bron und Nialkaron in nichts nachsteht, was Kampfeskraft und Schnelligkeit betrifft.
Vielleicht möchtet ihr ja auch einmal sehen was er so tut?", versuchte er sie zu ködern und die Sache damit an Kyl weiter zu geben.
Schließlich war sie gestern noch sehr krank und verletzt gewesen. Gewiss war er dagegen, dass sie heute schon schwere Arbeit tat.

„Oh... okay. Aber nur wenn Kyl wirklich da oben ist. Es sieht zumindest nicht ganz so weit aus wie das Steinhaus und ist auch nicht ganz so steil.", seufzte sie leise und ging auf den Hügel zu und auf das Wäldchen dort oben.
Jilliar blieb zunächst an ihrer Seite und sah sie immer wieder so seltsam an, bis es Lena reichte und sie ihn fortschickte. „Wirklich... ihr habt doch sicher besseres zu tun als einen einfachen M.. eine einfache Tak zu bewachen, auch wenn ich bei Zeremonien diesen Goldreifen tragen muss. Im Moment hab ich ihn nicht einmal auf und es ist keiner in der Nähe oder? Könnt ihr nicht... einfach euren Wachposten wieder einnehmen, Wächter?", fragte sie ihn stirnrunzelnd.

Jilliar lächelte beinahe, war doch sein Wachtposten direkt an ihrer Seite. Doch Kyl hatte wieder einmal Recht behalten. Die unauffällige Wacht war ihr lieber als einen grimmigen Jemay der sie stillschweigend flankierte, so wie es eine Tak-Edle sicherlich um ihres Status und Ansehen willen bevorzugt hätte, also verneigte er sich kurz vor ihr.
„Wie ihr wünscht, meine Lady.", brummelte er noch belustigt und verschwand für ihre Blicke außer Sichtweite. Sowieso hatte er Kyl oben am Waldesrand erspäht der bereits zu ihnen herunterblickte. Die perfekte Gelegenheit dem Freund auf die Sprünge zu helfen was dessen Werbung um seine geehrte Lady betraf.
Denn wenn sie nun sah dass er nichts besonderes tat, würde er gewiss in ihren Augen Ungnade finden.
„Lena kommt um dich zu besuchen... und ihren Stirnreif bei dir abzugeben, Kyl. Ich habe mich geweigert ihn hinauf ins Steinhaus zu tragen.", verriet er dem Blutbruder schelmisch.
„Du hast was...? Warum?"
„Damit sie hierher zu dir kommt. Ich hab ihr gesagt ihr Lord kümmere sich hier um die Ausbildung der Jünglinge, tut etwas nützliches und dienliches, doch du stehst da und siehst ihr entgegen. Sei lieber dankbar für mein Eingreifen. Sie wollte gerade Wäsche waschen, statt sich auszuruhen."

„Lena?", hakte er noch einmal ungläubig nach. „So zart und schwach wie sie immer noch ist, will sie solche harte Arbeit tun?"
„Sie will und wird, aber vielleicht nicht heute, wenn du sie nun ablenkst, ihre Bewunderung für dich weckst und für dein Tun... und sie dann gleich selbst hinauf in das Steinhaus bringst... sie ganz langsam, in ihrem Menschen-Tempo geleitest und ihr dabei alles zeigst, was sie noch nicht kennt, damit sie sich vielleicht doch noch für eine andere Arbeit am Volk entscheiden kann.", schlug er ihm grienend vor.

Kyl überlegte kurz dann lächelte er und sah noch einmal nach wo Lena sich gerade befand bevor er laut pfiff wie einer der Meister.
Die Jünglinge die gerade ausforschen und bekämpfen spielten, kamen herbeigerannt wie auch zwei der heute trainingsführenden Meister.

„Ich benötige Unterstützung, gleich kommt meine Hochlady gelaufen und ich möchte ihr zeigen was die Jünglinge hier tun. - Was ich aber nicht erklären kann, wenn sie nichts sieht. Die Jemaygeschwindigkeit ist zu schnell für ihre Wahrnehmung deshalb möchte ich die Meister bitten eine Erstkampfsimulation in langsamer Geschwindigkeit nachzustellen, um ihr zu demonstrieren wie perfekt die Schüler alle Bewegungen studieren, die zum Kampf gehören."

Einer der älteren Meister, Narris, brachte es auf den Punkt. „Sie ist ein Mensch und sieht nichts wenn wir richtig trainieren... Du möchtest mit den Jüglingen und ihren Fähigkeiten vor ihr angeben, junger Lord."
„Er möchte um die Bewunderung und Zuneigung seiner Lady kämpfen, hoher Meister Narris. Dies ist der ultimative Kampf schlechthin, denn die Verbindung hatte keine günstigen Voraussetzungen. Gewährt ihm diese Bitte.", bat Jilliar seinen alten Meister mit untertänigem Verneigen.
Narris überlegte kurz und sprach sich mit nur wenigen Blicken mit dem anderen Meister ab, der Teekarr hieß, aber von allen seid Triaden nur noch Karr gerufen wurde.
„Wenn du deiner Lady gefallen willst ist eine scheinbare Rettung stets willkommen und ein Grund zur Bewunderung deiner Kraft. Also werden die Jünglinge eure Lady als das Ziel zum Ausforschen ansehen. - In einem verlangsamten Scheinangriff und der Lord verteidigt sie... auf solche Art, die das Auge der Lady wahrnehmen und bewundern kann!", verlangte er von den Jünglingen, die sich kurz grinsend ansahen und schließlich wie ein Mann die Köpfe neigten.
„Mein Lord.. ich schlage vor, wenn ein Jüngling eure Lady einmal berührt gewinnen wir den Kampf!", forderte einer der Schüler den Hochlord keck heraus.
Meister Narris hob nur eine Baue und überließ es Kyl den Jungspund zurechtzuweisen, doch der schmunzelte nur und nickte zustimmend.

„Ein Ziel sollte ein Kampf immer haben, wie auch einen Gewinner. Berührt einer von euch meine Lady so haben die Jünglinge den Kampf für sich entschieden. Jedoch muss die Lady diese Berührung auch mitbekommen und deutlich sehen können, vorbeiflitzen und sie berühren zählt als eure Niederlage.", klärte Kyl die Jungen auf, die wieder nur grinsten und sich dann verstecken gingen, ebenso die Meister und Jilliar, die den Kampf beobachten würden. Auch Kyl verbarg sich schnell, denn Lena erreichte gerade die ersten Bäume.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt