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Lena war sich nicht sicher gewesen, was nun wieder folgen würde. Schließlich war Kyl gerade eben noch schwer beschäftigt gewesen und plötzlich hatte er aber doch Zeit, um mit ihr herum zu schlendern.
Manchmal sah sie ihn an, wenn er ihr etwas über die Versorgung der Tak und das Fangen von Echsen-Tieren im Wald erklärte, die dann hier in großen Schlamm-Gruben aufgezogen wurden oder aber das riesige Geflügel in offnen Ställen ähnlich wie die großen Gatter von Pferden.
Junge Mädchen ungefähr in ihrem Alter aber auch noch etwas jünger schaufelten Mist auf die Karren die von angehenden Jünglingen in grauer Uniform immer wieder weggefahren wurden.
Sie plauderten dabei und lachten und winkten, als sie Lena und Kyl erblickten, bevor sie sich auf ihre Manieren besannen und artig knicksten, so wie die Jungs sich nun auch alle brav verneigten.
Kyl nickte nur so würdevoll, als wäre er hier schon immer der Herrscher gewesen, trotz seiner junge Jahre und führte Lena weiter auf den Pfaden zu den Stellen hin, wo die Tiere geschlachtet wurden. Eine ziemlich blutige Angelegenheit die Lena gar nicht ansehen mochte und schnell daran vorbei strebte.

Eine Straße darüber befanden sich dann auch schon die Küchengelegenheiten wo die Helfer, meist Frauen mit Babys in ihren Körbchen eifrig schnippselten, wenn sie nicht gerade stillten oder die kleinen Kinder auf den Armen hielten. Auch sie standen auf und grüßten Kyl und Lena, die nun wirklich überrascht war wie groß die Siedlung doch war. In einer Schleife gelangten sie dann noch weiter hinauf zu Plätzen wo Frauen und Männer feine oder dickere Garne sponnen, etwas ähnliches wie Flachs brachen und kadierten, die Fasern weichten und dann wieder brachen. Immer von vorne. Der nächste Schritt nach dem Spinnen war dann das Weben von Stoffen und die Webstühle in den nun wirklich riesengroßen Hallen die eines nach dem anderen angebaut standen. Sie ratterten und knatterten die ganze Zeit über, während auch dort die Frauen lachten und schwatzten. Ein schöner Stoff aus weißem und eisblauem Gewebe das mit intensiv leuchtenden mittelblauen Fäden durchwirkt war, viel ihr besonders ins Auge und sie stand eine ganze Weile lang andächtig vor dem Webstuhl und sah der Erschafferin, einer alten Tak mit knotigen Händen und Stirnrunzeln wie eine alte Rosine, die gerade außerdem zwei junge Frauen unterwies, beim Weben zu. Das hätte sie selbst niemals fertig gebracht, überlegte sie neidisch auf solche Kunstfertigkeit.
„Warum gehst du nicht hier in eine Lehre, Lena. Das könntest du doch erlernen, wenn du es so schön findest?", fragte Kyl sie sanft.

„Nein, das könnte ich leider nicht, weil ich niemals die nötige Geduld dafür aufbringen könnte.", erwiederte sie seufzend aber auch ehrlich. „Das war zu Hause genauso. Meine Oma konnte wundervoll stricken und häkeln und ich hab immer vor ihren Schals gestanden und ihre Handschuhe und Mützen bewundert, die sie für die ganze Familie gemacht hat. Und ich habe es wirklich versucht, echt und ganz ernsthaft, aber ich konnte meine Finger nicht dazu bringen das zu tun was sie sollten, war nicht geduldig genug, nicht achtsam genug.
Oma hat dann irgendwann gemeint ich würde mir ja schon viel Mühe geben, aber ich hätte einfach nicht die Fähigkeit ruhig zu sitzen und Vergnügen oder Zufriedenheit aus der Handarbeit zu schöpfen."

Die alte Weberin hatte ihre Worte gehört und erhob sich nun lächelnd.
„Da hast du es Erasa. Sogar die Hochlady sieht es ein, wenn sie nicht für eine Sache geeignet ist, auch wenn sie sich bemüht hat und die Fertigkeit des Webens bewundert, so wie du. Es ist keine Schande etwas anderes zu beginnen, nicht wahr, meine Lady?", fragte die Weberin sie lächelnd.
Lena sah die Alte und dann auch das Mädchen das angeprochen worden war und nun kurz vor ihr knickste überrascht an.
„Nein... öhm... ist es nicht. Aber ebensowenig sollte man etwas aufgeben das man unbedingt können will. Ich meine... bei mir hat es nicht gefunkt, ich war nicht begeistert und Geduldig genug für die kleinen Maschen ... aber meine Oma sagte, Geduld ist eine Tugend die man auch erlernen kann. Nur ich wollte es wohl nicht genug. Vielleicht sie aber schon.", meinte sie zu dem scharlachrot angelaufenen Mädchen hin dass ihr erst unglücklich aber dann doch erleichtert zuhörte.

„Ja, meine Lady. Ich möchte es erlernen geduldig zu sein und ich möchte unbedingt weben können. Aber Hida hier mag mich nicht und auch nicht meine Familie, darum versucht sie mich los zu werden.", maulte das Mädchen unglücklich. Die angesprochene Weberin verfiel in scharfes Tak, als Lena zu Kyl aufsah, doch der bedeutete ihr nur die Angelegenheit selbst zu klären.

„Halt mal... bitte... stop!", unterbrach sie die Weberin entschlossen. „Warum hat das Mädchen das Gefühl du magst sie nicht... oder ihre Familie?", fragte sie die Weberin, die sie nun doch ziemlich entnervt anblickte.

„Sie verlangt von allem immer nur das Beste, meine Lady. Die besten Lehrer, die besten Fäden, die schönsten Farben, die besten Webstühle.. Sie ist eine Edle gewesen und nun unzufrieden, weil sie sich unterordnen und zuhören soll, so wie Fenja hier, die ist gut und fleißig und geduldig und schon seit fünf Triaden in der Lehre. Eigentlich unterrichte ich auch nur die begabtesten Schüler, doch sie hat gerade heute erst begonnen und will nicht bei den Beginnenden sitzen!"

Kyl hielt sich weiter heraus, als Lena wieder zu ihm hinschaute, na toll. Schon wieder ihre Entscheidung?

Also wandte sie sich zu dem nun schmollenden Mädchen um das leise und grimmig auf Tak etwas sagte, was die Weberin nur noch fuchsiger zu machen schien. Schnell hob sie die Hand und ging dazwischen:

„Du hast heute erst begonnen zu weben, und verlangst dass man dir die beste Weberin zur Seite stellt, bist aber nicht die beste Schülerin.", sagte sie dem Mädchen auf den Kopf zu.

„Weil sie es mir nicht richtig erklärt, Hochlady. Mein Vater ist ein hochangesehener edler Tak und sie..."
„Ist eine hochangesehene und begabte Tak-Meisterin ihrer Zunft. Du darfst als Bittsteller und Schüler in diesem Kreis nicht fordern, das dir sofort die ganze Welt geschenkt wird.", erklärte sie dem Mädchen nun doch etwas ungeduldig, dann wandte sie sich wieder an die alte Weberin, die ihr erstaunt zugehört hatte und geehrt wie auch stolz lächelte. „Meisterin, bitte bringt das Mädchen zu den Anfängern. Sie soll mit einfachen Sachen anfangen, damit sie die Kunst von Grund auf erlernt. Erst einmal muss man doch wissen wie alles funktioniert und wie welche Dinge heißen, statt sofort mit dem Weben anzufangen.", bat sie die erleichtert aufatmende Weberin entschieden. Das Mädchen wurde wieder krebsrot, diesmal
Aber vor Wut und brauste auf. „Aber mein Vater hat gesagt..."
Ich sage jetzt...!", erklärte Lena wieder nur dazwischenfahrend und atmete selbst tief durch, um sich zu beruhigen. „Hör, mal ich weiß doch ganz genau wie du dich jetzt gerade fühlst. Aber Lehrjahre sind nun mal keine Herrenjahre, wir müssen das tun was die Meister und Lehrer uns sagen damit wir irgendwann so gut oder sogar noch besser werden als sie. Doch man fängt nicht gleich an zu lesen und zu schreiben, sondern beginnt bei den einfachen Buchstaben, bildet einfache Worte und irgendwann dann auch ganz kurze Sätze.

Wenn du gelernt hast wie ein Webstuhl funktioniert, was alles dazugehört, wie er bespannt wird und welche Fäden sich dafür eigen Und vermutlich auch wie diese genau hergestellt werden... dann erst kannst du anfangen zu weben aber bestimmt nicht gleich so etwas kostbares wie das hier, sondern eher einfache Stoffe. Kunst erschafft man nicht aus dem Nichts heraus. Dies hier ist ein Handwerk, man muss es erst gründlich studieren und erlernen.
Bei uns zu Hause... ich meine, auf der Erde braucht ein Schüler zwei bis drei Jahre um so gut zu sein dass er zumindest Geselle wird, was bedeutet man kann einen einfachen Stoff herstellen und vielleicht auch ein paar hübsche Muster reinweben, die Gängigen eben... und dann braucht mann noch einmal soviel Zeit um ein Meister zu sein... das bedeutet eigene Varianten zu schaffen, Farben zusammenzustellen selbst etwas zu planen was besser ist oder mal ganz anders als das Einheitliche und letztlich lernt man dann auch diese Kunst andere zu lehren.
- Fang erst mal an zuzuhören und als nächstes das was du hörst zu verstehen, bevor du irgendwann Forderungen stellst um deine Kunst so wunderschön werden zu lassen. Ich zumindest weiß das ich nicht geduldig genug für so was hier bin. Frag dich am Besten doch mal selbst ob du es sein kannst und ob du schweigend zuhören, deine Fehler einsehen und dich korrigieren kannst, wenn Lehrer die es sehr gut wissen es dir sagen, dass du es gerade nicht richtig machst.", schloss sie und die Weberin verneigte sich lächelnd vor ihr und führte das nun heftig schmollende Mädchen am Arm zu einer anderen Gruppe hin, die um etwas herumstand und zuschaute, statt selbst zu machen.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin