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Es klopfte draußen vor der Komaßa sachte an das Eingangsbrett.

„Kyliander, seid ihr zugegen?", fragte eine andere, sanfte Mädchenstimme als zuvor. Ihm wohlbekannt und  überaus lieblich klingend.
Kyl schloss nun wahrhaft entnervt die Augen.
- Natürlich, dachte er zornig und öffnete sie schließlich wieder, diesmal kalt und hart und finster. Er kannte sie. Die Nächste auf der Anwärterinnenliste. Eine wunderschöne aber eiskalte Gurunah. Und sie hatte ihn schon einmal geblendet, mit ihrer gespielten Reinheit und Schönheit. Gleich ihrer Schwester Schariffah einst bei seinem Bruder, hielt sie in einer Kriese nicht zu ihrem Erwählten, sondern viel mehr zu ihrer eigenen Familie, der sie ein williges Werkzeug sein wollte.

Zuneigung war es nicht was dieses Mädchen von ihm wollte. Nur eine Krone.
Kitomas Krone um genau zu sein.
Und Sie hatte sich bereits sicher gewähnt und sogar seine Mutter bei einem absonderlichen Gespräch im Bad in die Schranken zu weisen versucht. Dumm nur, dass sie nicht wusste, dass er an jenem Tag ebenfalls zugegen gewesen war.
Dass er sich tatsächlich gerade um das schlecht fließende Abwasser im Badehaus gekümmert hatte und den Zufluss des frischen Wassers aus der heißen Quelle. Eine Aufgabe, die sonst immer rangniedrige und unbegabte Tak verrichteten, die aber handwerkliches Geschick besaßen.

Sein älterer Bruder hatte ihm vor nicht allzu langer Zeit dringend dazu geraten, die Welt auch aus der dienenden Perspektive heraus zu betrachten, sich dergestalt zu betätigen, in schlichter Kleidung wie jene Unbegabten sie für gewöhlich trugen.
Es war erschütternd gewesen.
Wer solche Arbeit verrichtete wurde bestenfalls ignoriert und schlimmstenfalls beschimpft und verächtlich behandelt, kam er einem edlen Tak irgendwie in die Quere, der da ging, stand oder etwas wollte, was seine Anwesenheit gerade zeitweise verhinderte.
Gewiss, er hatte sein Haar um der Täuschung zu dienen, zu solchen Zöpfen geschlungen wie es die Jünglinge und Männer der Unbegabten Tak taten. Doch keiner, nicht einmal seine eigene Mutter hatten ihn auf diese Weise verändert bemerkt und erkannt.
Für die Begabten und hochgestellten Edlen existierte er ganz einfach nicht.
Und Kallila war äußerst selbstgefällig und eitel aufgetreten, hatte mit ihrer sicheren Eroberung des Kyliander Tak-Ninjah geprahlt.

Als seine liebe Mutter sie dann sanftmütig darauf hinwies, dass sie noch nicht seine Gefährtin sei, dass der Ahn-Dolch noch nicht in ihrer Hand lag und sie darum doch ein wenig vorsichtiger mit ihren Reden sein sollte, hatte sie Kitoma, die Hochlady Takolias nur hämisch angesehen und boshaft lächelnd gemeint, dass sie als die zukünftige Herrscherin die Dinge nun wieder zu ändern gedachte.
Sie, Kallila, würde es sicherlich ganz leicht schaffen, denn er Kyl würde ihr direkt aus der Hand fressen, so wie auch jeder andere männliche Jemay Takolias.

Das war das Ende jeder Zuneigung zu einer weiblichen Tak in Kyliander gewesen. Er sah nur noch das Dunkle um sich herum, jede Tak die etwas von ihm wollte, die ihn beherrschen, einlullen, schwindelig machen wollte mit Reizen und Schönheit und nicht existenter Tugend, lehnte er auf einmal ab und nicht einmal Kitoma war sich bewusst, dass er die Worte der Kallila Tak-Lyrden gehört hatte.
Genauso wenig wie diese es bislang wusste.

„Kyliander?", rief es erneut scheu klingend von draußen. Es klang hilflos und süß.
Ein Tonfall der ihn immer an ihr verlockt
hatte, sie beschützen zu wollen. Doch hier vor ihm lag nun ein schwaches Menschenmädchen, das tatsächlich seinen Schutz benötigte, das wirklich scheu und sanftmütig, ängstlich und dem Tode nahe war.

Er ging also mit einigem Ingrimm an den Vorhang und schob ihn mit ausdruckslosem Gesicht zurück.

„Oh, ich dachte ihr seid nicht da, Kyliander.", lächelte das Mädchen ihn sogleich wunderschön an. „Ich wollte euch nur meine ergebendsten Glückwünsche aussprechen, für eure wahrlich heldenhaften Versuche diese armen Menschenwesen zu beschützen.", kam sie zu ihm zurück und legte ihm sogar sachte eine Hand auf den Arm, dazu ein gelungener aufreizender Augenaufschlag, ein leichtes erröten auf den Wangen, als würde sie schüchtern in seiner Nähe nach Worten suchen. „Ihr müsste wissen, ich habe in den letzten Quarten sehr mit meinem Vater gestritten, dass diese armen Menschen doch ruhig noch eine kleine Weile bleiben könnten, doch er blieb so schrecklich hart und unnachgiebig...", jammerte sie dann beinahe schon Händeringend und hilflos tuend. Als würde sie sich tatsächlich seiner Meinung und Taten im festen Glauben an das Gute anschließen – bah!
„Macht euch nicht mehr die Mühe
, Kallila.", entfuhr es ihm zum ersten Mal seid einer Triade nüchtern und fast schon beleidigend grob. „Lasst ab von eurem Schauspiel, mir zu suggerieren ihr würdet um meine innere Pein des gefesselten Jemay mitleiden und ebenso denken, wie ich. Es lohnt sich nicht mehr, denn ich habe euer wahres Wesen erkannt.", sagte er ihr nun bitter grollend auf den Kopf zu.
Er wollte mit seinem Zurückschreiten schon den Vorhang wieder zurechtziehen, doch ihre Hand berührte hastig die Seine. Und diesmal lag tatsächlich echte Bestürzung in ihren Augen und nicht nur gespielte.
„Schauspiel? Was meint ihr denn damit Kyliander?", fragte sie ihn sichtlich fassungslos.
Er verneigte sich nur wieder spöttisch vor ihr. „Ich bin nun ein Jemay, geehrte Kallila. Und Jemay wie ich oder mein Bruder Nialkaron damals, sehen in das Innere eines Herzens hinein. Leider sehe ich da nun in euch nur Dunkelheit, obschon lichte Worte euren Mund verlassen und ihr bezaubernd zu mir aufseht, so ist es doch das gute Herz eines Wesens dass mich verlockt und nicht allein die schöne Hülle, oder genehme Worte, die nur einspinnen sollen, die aber nicht wahrhaft gemeint sind und nur dem Wunsch entspringen zu herrschen, zu fordern und zu besitzen. Doch herrschen, fordern und besitzen ist nicht die Aufgabe desto Hochlady, geehrte Kallila. Das verkennt ihr und auch eure Familie. Das verkennt auch der korrupte Rat.
Ich werde hier auf Takolia nicht mehr länger nach einer Gefährtin für mich forschen, also sind eure Mühen und Anstrengungen, auch nur irgendeinen Kontakt von mir zu den Menschen zu unterbinden indem ihr sie schlicht in den Tod schickt, vergebens.
Es hat mir nur gezeigt, dass ich hier tatsächlich und wahrhaft nicht mehr länger verweilen sollte.
Ich werde meine Gefährtin nun vielmehr mich finden und erwählen lassen. Und erwähle ich sie dann gleichsam, nicht aus zugetaner Liebe heraus, nicht aus Nähe oder Zuneigung oder süßen Worten heraus, wird es letztlich ein Wesen sein mit wahrlich gutem Herzen und warmer Seele für alle Wesen der Welten, nicht nur für uns hochedle und genaktive Tak. - Geehrte!", verneigte er sich ernsthaft vor der wunderschönen und nun sichtlich geschockten Kallila, ignorierte auch die Tränen in ihren entsetzt blickenden Augen und zog den Vorhang nur wieder energisch zu.

Er dachte kurz an des Vaters Rat den er heute befolgt hatte: „Brüllen und Toben und zornig sein kannst du für dich alleine in deinen eigenen Wänden. Du kannst dort Dinge zertrümmern und fluchen, wie laut du es willst, doch trage außerhalb deines geschützten Raumes immerdar eine Maske der Gelassenheit, des Ernstes und der Ruhe. Sonst wirst du in deinen Entscheidungen hinterfragt werden, in deiner Eignung diskreditiert, sonst wirst du nicht sehr lange der Hochlord von Takolia sein, mein Sohn."

Das hatte er ihm schon sehr früh beigebracht. Gleich als Nialkaron seine Natalie fand und der Vater sie verurteilen hatte, weil er Nialkaron unter ihrem schädlichen Einfluss zu stehen meinte. Doch als sich dann die Macht Feelahs in ihr offenbarte hatte er sie zum ersten Mal wirklich betrachtet und seine dummen Fehler eingestanden, sowie auch Kitoma das nun nach mehr als zwei Triaden der Beschämung tat, nachdem auch Nijalie nicht mehr von der Erde zurückgekehrt war.
Nial hatte seine Natalie nach schwerer Folter und ihrer beinahe Ermordung gesunden lassen, ihr dabei beschützend ohne zu fordern geholfen zu begreifen, dass sie beide sich bereits fest aneinander gebunden hatten, als er damals todkrank auf der Erde nach einer Rettung suchte und sie ihn in jener dunklen Nacht, dem Tode nahe doch noch fand.
Besser gesagt ihr überaus offener, starker Geist fand den schwarzäugigen Krieger der Jemay
Doch trotz ihres Mutes, das rechte zu sehen und Unrecht anzuprangern, trotz ihrer, herausragenden Intelligenz, welche sie besaß und der Fähigkeit sogar mit den Zefanusie Takolias zu sprechen um herauszufinden das nicht jene sie immerwährend angriffen sondern lediglich ihren Trieben folgend schwärmten, blieb Sie nicht hier, sondern kehrte lieber auf die Erde zurück, um dort erneut den Kampf gegen die Samurai- Gildach aufzunehmen, ihre Welt zu retten und ihre hier auf Takolia erlangten, übermenschlichen Geist-Kräfte zu nutzen.

Nialkaron, sein Bruder war damals noch dunkelkrank gewesen aber mit seinen schwarzen, Blinden Augen dennoch erleuchtet worden.
Ganz wie ein echter Meister der Jemay hatte er sich selbst inzwischen auf das Wesentlichste herunter reduziert.
Er hatte auf sein Erbe, seine Zukunft, seine Welt und seinen Namen verzichtet, einzig dem Weg des gerechten Jemay folgend, der geliebte Krieger von der jungen Feelah- Natalie zu sein, für immer.
Und das nun auch noch auf der Erde, um jene zu beschützen die dort darbten und kämpften und in einem sinnlosen Akt des Aufstandes, gegen die eigene Vernichtung duch einen viel zu mächtigen Feind starben.
Er beschützte und umwarb seine Natalie nun eifrig und auf reine Menschenweise, welche seine Gefährtin vorzog. Eine Umwerbung, ohne Druck auf sie auszuüben, ihr die wirkliche Wahl lassend, ihn sogar für immer fort zu schicken.
Am Ende hatte sie sich dann aber doch für ihn entschieden, da sie ihn trotz allen Schmerz und Kummers, den sie durch seine unbedachten Interventionen erlitten hatte, liebte und nun auch endlich wieder seinen reinen Kern erkannte wie auch seinen Willen nicht nur mehr ihr allein, sondern auch allen anderen Menschen auf der Erde zu dienen und zu helfen.

Sie hätte schließlich auch nie eines anderen Mannes Gefährtin werden können. Schon damals als sie zum ersten Mal an die Schule des Meister Jendran kam, hatte ihn das seltsam helle Licht in ihr fasziniert. Es flackerte ständig, drohte sogar zu erlöschen, weil sie so verletzt und zerstört war, doch loderte es immer wieder auf. Und immerdar für andere.
Lena hatte ein ähnliches Licht in sich wohnen, fand Kyl. Sie sorgte sich viel mehr um die anderen Menschen, um Vater und Bruder und um die vielen anderen, gefangenen Seelen auf der Erde und fürchte sich vor ihm und allen fremden Wesen, die sie bisher auf so grausame und kriegerische Art kennen lernen musste,.
Sie war schön auf eine Weise die Kyl verwirrte. Und genau darauf hatte er immer gewartet.

Er sah zu der reglosen Gestalt hinab und
setzte sich auf sein eigenes Lager, wieder nach dem Dhajasaft greifend, um seinen Zorn zu ertränken. Morgen würden sie sie fragen, bevor sie sie nach Hause senden würden und sie konnte sich dann frei entscheiden.
Er hoffte ernsthaft sie würde sich noch an sein Angebot erinnern und sich für ihn entscheiden statt für den sicheren Tod.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWhere stories live. Discover now