75

64 21 0
                                    


„Warum erwacht sie denn nicht?", fragte Kyl den Heiler erneut, wahrscheinlich bereits zum tausendsten Mal und umfasste besorgt Lenas schlaffe, fast schon durchscheinende Hand.
„Sie hat nun genügend Blut in sich, Energie und Kraft... ich gab ihr meines, Tarrek, und du ihr Energie, also warum kommt sie nicht zurück? Warum schafft sie es nicht durch das Dunkel?", wollte er wissen.
Tarrek maß einmal mehr den Puls der Lady die nun schon seid drei Tagen unverändert tief schlief und schüttelte den Kopf.

„Ich kann es euch nicht sagen, mein Lord. Vielleicht ist die Anziehung des Lichtes einfach zu stark für sie, vielleicht spricht sie auch noch immer mit Illyra, hört auf ihre süßen Worte der Verlockung, statt sich einfach von ihr abzuwenden. Oder sie hat schlicht nicht mehr die Kraft für diesen Kampf, mein Lord.
Ihr solltet wirklich versuchen euch zu distanzieren. Wenn die Verbindung von ihrer Seite aus noch nicht Vebana ist reißt es euch vermutlich doch noch nicht hinterher, wenn sie nun geht..."
„Sie soll aber nicht gehen, sie soll zurückkehren! Ich habe ihr erklärt was sie machen muss, Tarrek und ich habe versprochen sie festzuhalten also mache ich das nun auch.
Ich sagte es zu ihr und sie verstand es schließlich auch. Sie darf nicht ins Licht gehen.
Bei Ashni...
Sie hätte noch gar nicht so lange herumlaufen dürfen. Es hat sie über alle Maßen angestrengt, Ja, viel zu sehr. Sie hat ihn einen Berg genannt. Unseren Hügel. In ihren Gedanken. Besteigung des Berges. Für uns Tak ist es nichts, doch ebenso der Weg zum Wald hinauf, wo ich das Training der Jünglinge hielt.
Ein viel zu weiter Weg für sie zu laufen, wo sie doch noch so schwer verletzt war.
Wo, bei Drodar, waren nur meine Gedanken? Sie hätte weiterhin getragen werden müssen und dannach unverzüglich wieder hinauf zum Steinhaus gebracht um zu ruhen ... und nicht etwa die Tak zu Tak segnen, Recht bei den Webern sprechen, mich suchen gehen müssen...
Sie sah schon so erschöpft aus, Tarrek, also was habe ich mir nur dabei gedacht, sie dann auch noch zu erschrecken, indem ich die Jünglinge einen Scheinkampf ausfechten ließ?
Sie hat so viel mitgemacht, ist immer noch so schwach und klein, Tarrek und ich habe ihr viel zu viel zugemutet. Schon von Anfang an. Menschen strengt Takolias Atmosphäre doch viel mehr an als uns Tak..."
Er hielt inne.

Sie hatte sich leicht bewegt.
- Gezuckt!

Beide Tak sahen sich aufgeregt an und sahen dann wieder zu Lena hin, diesmal ganz genau. 
Da!
Wieder ein Zucken ihrer Hand...

Kyl sog tief die Luft ein und legte seine Hand federleicht über ihr Herz. Es schlug kräftiger, schneller ... und sie atmete nun auch ganz anders...
Ihre Stirn runzelte sich plötzlich leicht, so als hätte sie Schmerzen.
Kyl horchte sogleich in sie hinein und tatsächlich... wo eben noch vollkommene Leere war, fanden sich nun stechende Gefühle, Kopf und auch der Hals... Durst...!
„Den Schlauch mit dem Saft, Tarrek!", befahl Kyl dem Heiler rasch und holte ihn dann aber schon selbst, noch bevor der Heiler sich noch irgendwie bewegt hatte, als lediglich den Kopf zu heben, war er auch schon wieder zurück, hielt ihr nun den Schnabel des Saftschlauches an die ausgedörten Lippen und hob sich ihren Oberkörper nun leicht an.

Lena schluckte, noch bevor sie richtig zu sich kam.
Oh.... Es war ein wundervolles Gefühl.
So herrlich kühl, lindernd und beruhigend zugleich. Ihr Hals brannte indes, als hätte sie Stundenlang geschrien.
Und vielleicht... hatte sie das ja auch.

„Kyl...", murmelte sie gleich als er den Schlauch wegnahm und sie den Kopf schwer atmend bei Seite drehte.
Sie konnte nichts sehen... warum konnte sie denn nur nichts sehen?
„Lena, mach erst mal deine Augen auf, dann kannst du auch sehen.", bat Kyl sie besorgt, ob ihrer Verwirrung und ergriff dann wieder ihre Hand.

Hu...?!
Die Augen?
Verwirrt öffnete sie die Augen und starrte Sekundenlang nur hinauf in das grelle weiße Licht.
Hm... War sie nun also doch auf die falsche Seite geraten und hatte Kyl mit sich gezogen?
Es war so unfassbar hell.

„Kyl...", flüsterte sie wieder heiser, bewegte sich unruhig und er beugte sich sogleich beunruhigt über sie.
Ihre freie Hand suchte tastend nach einem Halt. Er ergriff also auch diese und zog sie daran zu sich herum.
„Du bist unglaublich verwirrt, doch das ist nicht schlimm. Wer den Fängen von Illyra entkommen will muss klug, mutig , stark und tapfer sein. Sie hat es dir sicher nicht leicht gemacht, Lena. Aber du bist noch am Leben.", drehte er nun auch ihren Kopf zu sich um, sodass sie ihn endlich auch ansehen konnte.
Warum zum Teufel war sie nicht selbst darauf gekommen den Kopf zu drehen?
Was war nur los mit ihr?
Er musste sie ja nun für völlig meschugge halten, oder?
Ihr kamen fast schon wieder die Tränen... oder nein... nein, sie weinte schon, denn er strich ihr mit dem Daumen die Tränen dort, sogleich wenn sie ihr über das Gesicht rannen, so schnell und dann plötzlich auch noch ein schneeweißes weiches Tuch benutzend.
„Du warst da wo auch immer das war ...", murmelte sie erleichtert seufzend und schloss dann die Augen wieder, weil diese nun brannten. „Ich bin so müde, Kyl... 
Sie stand einfach nur da und rief mich. Ich konnte gar nicht wegsehen. Und sie ist auch nie noch da... ich mach nur die Augen zu, dann sehe ich es wieder. Hu... Es ist so real...
Lass mich bitte nicht los, Kyl.", bat sie ihn noch einmal heiser aufschluchzend, und umklammerte zugleich seine Finger so fest sie nur konnte.
„Mach ich nicht!", stieß er dann aber leise aus und zog sie gänzlich in seine Arme, Ja, setzte sich nun sogar mit ihr zusammen auf das Lager.
„Ich lasse dich nicht los, nicht mal für einen Augenblick!", versprach er ihr ernsthaft. „Möchtest du noch einen Schluck Dahjasaft, Lierjah?", fragte er sie schließlich wieder leise, nachdem sie nun erzitternd an seiner Brust zusammengesunken war und ihre Hand diesmal in sein Hemd verkrallte.
Noch ehe sie nicken konnte, hielt er ihr den Schlauchschnabel bereits wieder an den Mund, und sie leerte den Schlauch nun beinahe bis zur völligen Neige.

Tarrek atmete sogleich erleichtert auf.
Eine Totgeweihte trank nicht mehr so viel, das wusste er noch aus Erfahrung. Doch mit jedem Schluck schien ihre Haut nun rosiger zu /schimmern auch ihr Atem beschleunigte sich nun zunehmend.

Tarrek nickte also den beiden Heilern zu, die besorgt an der Tür erschienen waren, weil sie Lenas leise Stimme gehört hatten und nun auf Nachricht wartend verharrten.
„Gebt allen Bescheid das die Hochlady erwacht ist. Sie hat gegen Illyra bestanden und den Weg zu unserem Lord zurück gefunden.
Der Grenzweg ist tückisch, selbst für einen geborenen Tak. Die Tochter hat es ihr nicht leicht gemacht. Sie hat sie gebannt und gerufen, doch der Hochlord hat das Gefährtenband zu ihr am Grenzweg gefestigt und die Verbindung Vebana gemacht.
Er hat sie nicht losgelassen, so wie sie es erbat. Unsere Hochlady wird leben und gesunden!", schloss er seinen Bericht und die anderen Heiler atmeten erleichtert auf, hoben die Hände zum Himmel und dann zu ihren Gesichtern, um sich mit dem empfangenen Segen zu Reinigen, bevor sie dann lächelnd davoneilten.

Tarrek wandte sich derweil wieder zu seinem Hochlord um, der die nun wieder ruhig schlummernde Lena fest im Arm behielt, immer wieder ihr Gesicht berührte, ihre Hand und ihr Haar streichelte, und sie ansonsten wie anbetend betrachtete.
Kein Zweifel wie es da nun um seine Gefühle stand. Obschon niemand ernsthaft mit einer solch innigen Beziehung zwischen dem Hochlord und seiner Lady gerechnet hatte.

„Kann ich euch nun etwas zu Essen bringen lassen, mein Hochlord?", fragte er Kyl darum nun besonders wohlwollend, der ja um die Entlassung aus Illyras Umarmung seiner Lady  betend, gleichfalls ein Opfer für Ashnie gebracht und gefastet hatte, seid Lena durch den hohen Blutverlust in den Grenzwegschlaf gesunken war.

Er sah heute also beinahe genauso bleich und mitgenommen aus wie die Lady. Dunkle Bartstoppeln verunzierten sein junges erschöpftes Gesicht und seine sonst so funkelnden, grünen Augen blickten nach der langen gefährlich tiefen Meditation, durch die er die hatte erreichen können nun trübe und waren rot umrändert. Geschlafen hatte er schließlich auch nicht, nur um seiner Lady fortwährend seine eigene Kraft zu geben und sie zu stärken.

„Mein Lord, wenn Eure Lady euch so sieht, wenn sie das nächste Mal richtig erwacht, wird sie sich sicher erschrecken. Vielleicht solltet ihr nun ebenfalls ein wenig ruhen.", schlug er ihm ernsthaft vor.
„Da spricht der Rechte, Tarrek.", meinte Kyl schnaubend. „Sieh dich zunächst selbst an.", spottete er dann leise. Aber dann tat er doch was der Heiler gesagt hatte lehnte sich sachte zurückrutschend mit dem Rücken an, atmete tief durch und hielt Lena auf diese Weise und nun selbst gestützt durch die Wand fest.

Der Heiler breitete noch rasch ein warmes Fell über den Beiden aus und verließ dann nach einer kurzen Verneigung den Raum.

Takolia - Zwischen Schicksal und GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt